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Obduktion einer Meldung

Wissenschaftler haben herausgefunden…

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Vapers.guru soll vor allem Einsteigern eine möglichst gebündelte Übersicht bieten. Über Themen die sie interessieren und wie sie sich dann weiter schlau machen können. Und er soll Hilfestellung geben mit dem Dampfen auf den Tabak verzichten zu können. Lustig geschrieben, mit Spaß an der Sache, in kurzen Artikeln, und mit einem gehörigen Schuss alles nicht so ernst zu nehmen. Denn Dampfen ist prinzipiell eine entspannte Sache.
Manchmal drängt es sich aber geradezu auf einmal genauer hinzuschauen. Gerade wenn wieder die neusten Horrormeldungen durch die Medienlandschaft geistern. Über die sich dann leider vor allem Dampfer am meisten aufregen.
Denn durch eine Sezierung einer solchen Meldung kann „Anfängern“ ja einmal vor Augen geführt werden, wie Meldungen zu Stande kommen. Meist kann der Laie das nämlich überhaupt nicht nachvollziehen, dazu fehlt ihm das Fachwissen und ganz einfach die Zeit.

Alle Angaben dieser folgenden, beispielhaften Obduktion sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Sollte ein Leser andere Kenntnisse haben ist er herzlich eingeladen das mitzuteilen.

Bereits am 22.12.2015 veröffentlichte „heute.at“ eine Meldung, dass gemäß italienischer Wissenschaftler E-Zigaretten schädlicher sind als Zigaretten. Allerdings ohne jegliche Hintergrundinformationen. Hier findet sich der Konjunktiv schon in der Überschrift. Überflüssig zu erwähnen, dass hier weder Quelle noch Autor genannt sind. (http://www.heute.at/lifestyle/gesundheit/art23696,1245255)
Die „Heute“ ist übrigens ursprünglich eine kostenlose Tageszeitung, die schon eine ganze Reihe solcher „Meldungen“ über das E-Dampfen veröffentlicht hat.

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Die Meldung von news.at.

Am 08. Januar 2016 veröffentlichte dann die Medienseite „news.at“ einen um einen Absatz längeren Artikel mit der Überschrift „E-Zigaretten viel schlimmer als normales Rauchen“. (http://www.news.at/a/e-zigaretten-schaedlicher-als-gedacht) An der URL sieht man übrigens, dass die Überschrift nachträglich geändert wurde, um es dramatischer zu machen.

Schauen wir also zuerst einmal, wer da so etwas überhaupt schreibt.
News.at ist eine reine Internetpublikation. Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen wie Promis (Dschungelcamp etc.) aber auch mit Politik und Sport. Alleine durch dieses Portfolio zählt news.at also nicht unbedingt zur Krone des investigativen Journalismus. Unbestreitbar ist, dass diese Publikation weder ein wissenschaftliches Magazin noch eine Fachzeitschrift ist.
In der Realität sieht es so aus, dass solche Medien meist gar keine eigenen Reporter beschäftigen wie man sie sich vorstellt. Es ist eher so, dass dort Redakteure sitzen die vorgefertigte Meldungen von Presseagenturen wie dpa oder reuters einkaufen, ein wenig umschreiben, mit Bildern versehen und veröffentlichen. Mehr nicht.
Üblicherweise stehen dann auch die Quellen unter einem Artikel. Woher die Informationen stammen und wer den Artikel verfasst hat. Das alles findet man unter dieser genannten Meldung nicht. Lediglich unter dem Bild sieht man, dass auch das nicht selber gemacht wurde sondern über iStock angekauft wurde. Unterm Strich muss man also sagen, dieser Artikel enthält absolut nichts, was man gemeinhin als Journalismus bezeichnen würde. Es ist offenbar eine Information aus einer ungenannten Quelle, aufgehübscht mit einem Foto und eingebunden in eine Magazin Seite. Also nichts was vapers.guru nicht auch leistet. Eigentlich ist dieser Blog sogar schon mehr, denn er stellt selber recherchiertes Material dar. Der Unterschied ist zu erklären mit einem Sänger der nur lippensynchron zum Playback die Songs vorträgt die andere geschrieben haben und einer Band die live etwas aufführen was sie selber erdacht und eingeübt haben.

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Die Homepage der VGN mit dem Gerichtsurteil. (10.01.2016)

Ein Blick in das Impressum von news.at verrät dann auch noch mehr. Dort steht als Verantwortlicher nämlich nicht eine Zeitung oder ähnliches. Sondern die „news networld internetservice GmbH“ die wiederum zu 100% der „Verlagsgruppe News Gesellschaft m.b.H.“ in Wien gehört. Geht man auf deren Seite prangt einem aktuell als erstes eine offenbar gerichtlich angeordnete Urteilsdarstellung entgegen. (http://www.vgn.at/) Offenbar wurde die Verlagsgruppe von dem „Verein für Konsumenteninformation“ verklagt und gerichtlich gezwungen das für sie negative Urteil zu veröffentlichen.
Schaut man sich die Seite genauer an sieht man auch schnell, dass sie selber nicht nur viele verschiedene Magazine und Printmedien veröffentlicht, sondern auch die Vermarktung anderer Medien wie spiegel.de für Österreich übernimmt. Es ist also ein großes, verzweigtes Medienunternehmen.
Sowohl die VGN wie auch „news.at“ ist damit also weit von dem entfernt wie der Laie sich Journalismus vorstellen würde. Kein rasender Reporter, kein Auslandskorrespondent, keine investigative Recherche.

Das macht vielleicht einmal klar, wer solche Meldungen veröffentlicht. Wie es anders geht zeigte unlängst die Süddeutsche Zeitung, eine allgemein als sehr seriös eingeschätzte Zeitschrift. Es wurde der Autor genannt, Quellenangaben, beide Seiten der Diskussion wurden beleuchtet, Informationen zusammengetragen. (http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/e-zigaretten-im-nebel-1.2805327)

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Der Artikel bei Heilpraxis.net, nur einen Tag nach der news.at.

Das ist aber keine Aussage darüber, woher solche „Meldungen“ ursprünglich stammen. Beispielsweise veröffentlichte „heilpraxis.net“ nur einen Tag später einen ähnlichen Artikel. Hier wurde offenbar zumindest die Mühe investiert einige Informationen zusammen zu tragen. Es fehlen aber jegliche Quellenangaben. (http://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/forschung-e-zigaretten-teilweise-problematischer-als-normales-rauchen-2016010953643) Kleine Anmerkung hierzu: Natürlich verdienen auch Heilpraktiker enorm an Menschen die aufhören wollen zu rauchen. Nachtigall ick hör dir trapsen.

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Der Artikel im Wochenblatt vom 28.12.2015

Am interessantesten schein der Artikel des Wochenblatt aus Altötting. (http://www.wochenblatt.de/nachrichten/altoetting/ueberregionales/E-Zigaretten-viel-schlimmer-als-normales-Rauchen;art5572,343931) hier wurde zwar der weitestgehend gleiche Text wie bei news.at verwendet. Aber er wurde verlinkt. Und das macht es ja sehr leicht.
Sollte man denken. Wenige überprüfen die Links.

Verlinkt wurde das „Istituto di Neuroscienze“, unter dessen Leitung die Studie auf die sich alle Artikel stützen angeblich gemacht wurde. Selbstverständlich wird auch in mehreren Artikeln erwähnt, dass es zum „Nationalen Forschungsrats CNR“ gehört. Da das aber keinen weiteren Informationsgehalt beinhaltet ist das lediglich ein Zusatz um die Quelle zu legitimieren. Oder wie Normalsterbliche sagen würden „Hört sich wichtig an“. Auf der verlinkten Seite des Instituts findet sich aber keine Information zu der zitierten Studie.
Diese soll in Zusammenarbeit mit der Universität Mailand entstanden sein, die auch verlinkt ist. Aber das ist die allgemeine Seite der Universität. Die selbstverständlich auf Italienisch gehalten ist.

Vielleicht gibt es ja doch eine Spur. Denn am Ende des Artikels ist eine Quellenangabe zu finden. wissenschaftliche Arbeiten werden immer in einer Fachzeitschrift veröffentlicht und stellen sich damit der Kritik und Diskussion. Das ist der allgemeine Vorgang für wissenschaftliche Erkenntnisse weltweit. Erst damit finden die eventuellen neuen Erkenntnisse überhaupt statt, vorher gibt es sie eigentlich gar nicht. Diese Studie um die es hier geht soll im „European Neuropsychopharmacology“ besprochen worden sein, einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift für Psychopharmakologie. Verlinkt ist die Seite „https://www.elsevier.com/journals/title/all“. Das ist aber wiederum auch keine Seite der Fachzeitschrift, sondern eine Sammlung von Journalen in der lediglich die Artikel von tausenden solcher Fachzeitschriften gesammelt und verlinkt sind.
Bis hier hin kann man also davon ausgehen, dass nicht ein einziger Redakteur das überprüft hat und es für nötig hielt diese Studie zumindest selber ausfindig zu machen und zu verlinken. Geschweige denn zu lesen.

Nicht nur dass sich diese Studie nicht finden lässt. Weder unter den angegebenen Links, noch über eine detaillierte Suche im Netz. In der Zeitschrift wurden 2015 lediglich drei Artikel zum Thema Nikotin veröffentlicht, keine davon aus Italien.

In dem Artikel wird eine Cecilia Gotti als Projektleiterin genannt. Die gibt es auch wirklich. (http://www.in.cnr.it/index.php/en/rubrica-top-en/25-people/people-milano/97-gotti-en) Und offensichtlich forscht sie tatsächlich auch zu den Auswirkungen von Nikotin. Aber nirgendwo, nicht einmal auf der Seite des zitierten „Istituto di Neuroscienze“, wird sie als Projektleiterin einer Veröffentlichung geführt. Geschweige denn, dass sie irgendwelche Untersuchungen zu den Auswirkungen von E-Zigaretten durchgeführt hätte. Sie ist Abteilungsleiterin der Forschungsabteilung.
Also muss man doch eher davon ausgehen, dass diese Quelle zumindest ungenau wiedergegeben ist. Und damit der ursprüngliche Auslöser aller Artikel mit dieser Meldung.

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Typisches Labortier nach einem harten Arbeitstag

Und zum Schluss kommt eine ganz andere Frage auf. Zitat aus dem Artikel des Wochenblatt und wortgleich (!) aus news.at: „Getestet wurde an zwei Gruppen von Labormäusen, denen zwei Monate lang die gleichen Nikotinmengen aus elektronischen und normalen Zigaretten verabreicht wurden. >Es hat sich gezeigt, dass das Einatmen von Elektronik-Zigarettenrauch zwar weniger Abhängigkeit und kognitives Defizit erzeugt<“
Wie soll das stattgefunden haben?
Nikotin ist eine chemische Substanz (C10H14N2). Sie unterscheidet sich nicht, egal ob sie aus Zigaretten oder E-Zigaretten stammt. Sie wird in solchen Versuchen den Versuchstieren intravenös injiziert. Also per Spritze.
Selbstverständlich wäre es möglich beispielsweise Ratten in ein geschlossenes Behältnis zu setzen und mit Dampf aus E-Zigaretten und Qualm von Tabak zu begasen. Aber abgesehen davon dass der Auslöser von Unterschieden dann nicht das Nikotin wäre. Immerhin beinhalten Zigaretten noch bis zu 7000 andere Substanzen. Man könnte überhaupt nicht sicherstellen, dass jeweils die exakt gleiche Menge aufgenommen würde. Eine solche Untersuchung würde allen wissenschaftlichen Regeln widersprechen und in einer Fachzeitschrift in der Luft zerrissen werden.
Um es nochmal klar zu sagen: Entweder ich gebe reines Nikotin. Dann gibt es keinen Unterschied zwischen Zigarette und E-Zigarette. Oder ich gebe Dampf und Qualm, dann kann ich wissenschaftlich nicht exakt sagen, was und wieviel aufgenommen wurde. Wie dann auch noch beschriebene Angstzustände bei Mäusen untersucht werden sollen bleibt ein Geheimnis.
Eine Untersuchung wie sie dort beschrieben wird kann streng wissenschaftlich unmöglich sinnvoll stattgefunden haben.

Wir haben also mindestens drei Faktoren, die alle diese Artikel fragwürdig erscheinen lassen. Zum einen keinerlei klare Quellenangabe durch eine Verlinkung zu der Studie o.ä. Zum zweiten ist die Studie generell unauffindbar, die angegebenen Quellen wie zur untersuchenden Organisation und sogar zur Projektleiterin laufen ins Leere. Und zum dritten eine inhaltliche Widergabe, die so wissenschaftlich überhaupt nicht funktionieren kann.

Natürlich bekommt man als Leser das Gefühl, wenn viele Medien darüber berichten müsse etwas daran sein. Das ist menschlich. Aber eben unlogisch. Quantität bedeutet nicht Qualität.
Schaut man es sich genauer an, so drängt sich doch eher der Eindruck auf, dass hier (in diesem Falle in Österreich) eine Quelle eine Desinformation in die Welt gesetzt hat, und alle Medien übernehmen das bereitwillig. Noch nicht einmal wegen des Inhaltes, sondern weil es schlicht eine Meldung ist mit der sich Geld verdienen lässt.

Leider ist es so, dass solche Artikel nur überflogen werden, und damit Meinungsmache stattfindet. Sie sind ja auch nicht lang. Denn Wissenschaftler haben heraus gefunden, dass die Leute jeden Scheiß glauben wenn man nur drüber schreibt „Wissenschaftler haben herausgefunden“.
Dagegen hilft nur eins: Aufklären. Und an der Länge dieses Artikels sieht man, dass es lange dauert. Es ist mühsam.
Mit dem Dampfen kann die Menschheit vor einer Revolution stehen. Denn am Rauchen sterben mehr Menschen als in allen Kriegen weltweit zusammen. Und das sollte die Mühe wert sein.
Vor allem sollten aber die Dampfer nicht in einem Aufschrei von Wutbürgern sofort auf die Barrikaden gehen. Denn das hilft im Zweifelsfall nur denen, die aus eigenen, überwiegend wirtschaftlichen Interessen gegen das Dampfen Stellung machen.

Also immer locker bleiben.
Vape on!

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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