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„Das kann ich mir nicht vorstellen!“

Anhörung vor dem Petitionsausschuss

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Soeben hat der Petitionsausschuss getagt und unsere Petition, die Sache der Dampfer, angehört.
Für alle die nicht mitverfolgt haben was passiert ist, hier nochmal ein kurzer Überblick. Damit alle wissen worum es überhaupt geht.

Ende des vergangenen Jahres wurde eine Petition eingereicht, um die Sache des Dampfens vor dem Deutschen Bundestags zu vertreten. Oder richtiger gesagt, es wurden drei Petitionen eingereicht. Denn hier ging das Chaos bereits los.
Es wurden zwei Petitionen, ordentlich formuliert und aufgehübscht, von Mitgliedern der -nennen wir es mal- Social Media Community eingereicht. Fast zeitgleich wurde eine dritte Petition eingereicht, von jemandem der weder in der Community noch auf Social Media aktiv ist. Das ist ja erst einmal statthaft und völlig in Ordnung, denn dazu gibt es Petitionen ja. Leider war sie allerdings so unterirdisch grauenvoll schlechtscheiße Formuliert, es standen sogar fachliche Fehler drin.
Diese drei Petitionen wurden dann zusammengelegt und ausgerechnet die letztere wurde zur Leitpetition ernannt.
Darüber hat sich zu diesem Zeitpunkt aber offenbar noch niemand größere Sorgen gemacht.

Diese Petition wurde dann online durch sämtliche Foren getrieben und von allen gepusht. Von YouTubern bis zu Chat Foren. Denn dahinter stand auch die IG-ED, unsere Lobby.
Die Petition ist dann mit knapp über 50.000 Stimmen gezeichnet worden und hat das so genannte Quorum erreicht.
Angenommen ist deshalb schon mal gar nichts. Das heißt nämlich erst einmal nur, dass der Petitionsausschuss des Bundestages sich die Sache überhaupt näher anschaut. Was sollte auch angenommen werden? Alle drei Petitionen sind nicht nur unterschiedlich formuliert, sie fordern auch etwas gänzlich anderes.
Und jetzt ging der Spaß erst richtig los.

Da die grottenschlechte Petition von Herrn Loos als Leitpetition angenommen wurde, wird diese natürlich auch in der Bearbeitung bei allem als Arbeitsgrundlage verwendet. Unter anderem ist darin gefordert die Tabakrichtlinie der EU nicht umzusetzen (was praktisch so überhaupt nicht möglich ist) und zu berücksichtigen, dass Dampfen weniger gesundheitsschädlich ist als Rauchen. Allerdings wurde das auch nirgendwo behauptet. Die ganze Nummer steht also bis hier her schon auf klapprigen, dünnen Beinen.

Aber das Lustspiel war damit noch nicht im dritten Akt.
Herr Loos, der Einreicher der dritten Petition, konnte sich offenbar plötzlich nicht mehr daran erinnern, dass die IG-ED, also der kompetenteste der drei Parteien, dann vor dem Bundestag sprechen sollte. Ob es da nun eine verbindliche Absprache gab oder nicht sei einmal dahingestellt.
Ein noch größeres Übel war, dass die Zeit die Petitionen ganz einfach überholt hat. Denn in der Zwischenzeit war die strittige TPD2 in deutsches Recht umgesetzt. Also ist der Zug damit eigentlich abgefahren. Dazu wurden auch Sachverständige gehört, unsere Sache wurde vor allem durch die Linken und Prof. Dr. Bernd Mayer vertreten.
Letztendlich hat man sich dann doch mit Herrn Loos geeinigt, und der Vorsitzende der IG-ED konnte somit heute vorm Petitionsausschuss sprechen. Wohlwissend, dass fast alles was in den Petitionen stand eigentlich null und nichtig ist und es auch keine klaren Forderungen im Sinne des Gesetzes gibt.

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Marie-Elizabeth-Lüders-Haus, Ort des Schauspiels

Nun saß also Volkmar Stendel, Vorsitzender der IG-ED, auf dem heißen Stuhl und musste sich zu einer Leitpetition äußern, die nicht nur unfaktisch war, sondern auch absurd und von der Zeit überholt. Konnte nur groß werden.
So wies er auch in seiner Eingangserklärung bereits darauf hin, dass diese Forderung der Nichtumsetzung überhaupt nicht erfolgen kann. Der weitere Eingangstext war dann aber eine wilde Mischung aus Aussagen, die dem interessierten Zuhörer bereits als etwas ziellos vorkommen mussten. Und der Eindruck war auch in den Reaktionen der Politikprofis ablesbar.

Trotzdem ignorierte Frau Kovac von der CDU/CSU tapfer das Eingeständnis, dass es sich um eine nicht realisierbare Forderung der Leitpetition handelte. Das lag wohl daran, dass sie ihre Fragen ebenfalls vorformuliert ablas und wohl die anderen Petitionen nicht gelesen hatte.
Die Frau Kovac ist übrigens die gleiche, die bereits in der Anhörung zum Tabakerzeugnisgesetz im Ausschuss und vor dem Plenum durch ihren sprühenden Scharm und ihre Sachkenntnis nicht begeistern konnte. So fragte sie also nach irgendetwas mit 4mg Nikotin im Liquid (was falsch in der Petition stand) und intensivierte das Gefühl des Fremdschämens beim Zuschauer.
Pfiffig von ihr war allerdings, den Ball einfach weiter zu spielen. Denn da ja in der Leitpetition gefordert wurde die TPD2 nicht umzusetzen, fragte sie einfach die hinzugezogene Staatssekretärin Frau Flachsbarth, natürlich ebenfalls CDU, wozu die Regulierung dient und warum das EU Recht umgesetzt werden müsse. Und damit kam der Vollprofi auf das Parkett, denn Maria Flachsbarth ist im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Also der Behörde, die das Tabakerzeugnisgesetz durchzusetzen hat. Und die hatte nun alle Zeit der Welt über die Nötigkeiten der Regulierung und des Jugendschutzes zu schwadronieren.

Als nächstes durfte Stefan Schwarze von der SPD seinen Teil beitragen. Und mit seinem Grinsen machte er im Subtext deutlich, was er von der ganzen Nummer hielt. So erklärte er jovial dass es ja zu gesundheitlichen Mehrbelastungen bei Geräten kommen könne. Und er fragte den Petenten dann nach irgendetwas, was auf das berühmte Schreckgespenst Gateway Effekt anspielte.
Die Staatssekretärin Flachsbarth sprach anschließend zwar ständig von E-Sishas anstatt von E-Zigaretten. Aber ihre lockere Art zeigte doch deutlich, dass die rhetorische Hürde ihr keine weitere Anstrengung abverlangte. Sie erläuterte dann nochmal Jugendschutz. Dass sie dem Petenten dabei nicht das Händchen getätschelt hat war wohl einzig dem offiziellen Rahmen geschuldet.

vgpetentpicEine eher aufgeschlossene Birgit Wöllert von den Linken fragte dann, welche Pläne dem Petenten bekannt seien, was die Bundesregierung vorhabe zu verschärfen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten das zu verstehen. Im besten Falle hat sie damit Volkmar Stendel einen Ball zugespielt, den dieser aber nicht aufnehmen konnte. Oder sie hat damit als Mitglied des Bundestages tatsächlich den Vorsitzenden einer privaten Interessenvertretung nach den Plänen der Bundesregierung gefragt. Beides ist nicht wirklich die Krone der Diskussionskultur.

Schade eigentlich. Denn nach dem Gateway Effekt gefragt konnte Herr Stendel nur von seinem persönlichen Umfeld sprechen. Hätte er doch die Befragung von Dr. Silke Kuhn von der Uni Hamburg zitiert. Denn die hat bereits in der Tabakkonferenz des DKFZ zu einem Eklat geführt.

Aber jede Anhörung birgt ja noch ein Higlight. Und das kam auch hier so sicher wie das Amen in der Kirche.
Die sehr aufgeschlossene Corinna Rüffer von den Grünen zitierte nämlich, dass Liquids keine gesundheitsschädlichen Stoffe enthalten dürften. Und nach der gleichen Argumentation die bereits ihr Fraktionskollege Dr. Terpe bei der Debatte um das Tabakerzeugnisgesetz wissenschaftlich korrekt angebracht hat, fragte sie einfach mal, welche Stoffe das sein sollten. Denn das gelte ja nicht einmal für Wasser. Was jeder versteht der schon einmal in einer Stunde fünf Liter Wasser getrunken hat. Oder eben nicht mehr versteht. Selbst Gullideckel sind gesundheitsschädlich. Wenn man sie in die Nieren bekommt.
Nach einigen Verwirrungen und der Nachfrage durch Frau Flachsbarth wo diese Formulierung so stünde („Das kann ich mir nicht vorstellen.“), konnte es niemand herausfinden. Sie sprach immer noch von E-Shishas. Auch unser Herr Stendel konnte nur versichern, dass es so im Gesetz steht.

Ihr Lieben, es steht im § 13, Satz 1, Absatz 3.

Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn […] bei der Herstellung der zu verdampfenden Flüssigkeit außer Nikotin nur Inhaltsstoffe verwendet werden, die in erhitzter und nicht erhitzter Form kein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.

Nun kann einem Laien kein Vorwurf gemacht werden, dass er den Paragraphen nicht parat hat. Auch wenn es vielleicht etwas unvorbereitet wirkt. Aber dass eine Politikerin nachfragt und dann nicht weiß wo es steht, und eine andere Politikerin -die dieses Gesetz mit zu verantworten hat- sich nicht einmal vorstellen kann das das so da drin steht, das zeigt doch mal auf welchem Niveau hier Politik gemacht wird.
Da sitzen eine Reihe wichtiger Leute herum, können zitieren und Studien anbringen, wissen aber nicht einmal was in dem Gesetz steht über das sie sprechen. Da kann man sich dann ruhig mal ein Fläschchen Korn drauf aufmachen. Großes Damentennis. Gruselig.

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Politische Runde mit Dampfer. Immer.

Herauskommen wird dazu nichts, die Petition wird abgelehnt werden müssen.
So bleibt eigentlich nur eins: Der bittere Beigeschmack.
Eine Überregulierung des Marktes aufgrund von bloßen Konjunktiven, Verbote aufgrund von unbewiesenen Gefahren, Lobbyarbeit zugunsten von Interessenspolitik, willkürliche Kompetenzen für Regierungsbehörden, falsche Annahmen und mangelndes Fachwissen.
Und alle finden es irgendwie ungerecht, haben aber offenbar gar nicht verstanden wo die Ungerechtigkeit liegt.

Eine Chance wurde nicht genutzt. Schade für die E-Zigarette.
Ach ja, wir sprechen ja von E-Shishas.

Bleibt zu hoffen, dass die Forderung von Frau Rüffer irgendetwas bewirkt, da noch einmal zu prüfen ob diese Formulierung im Gesetz so überhaupt statthaft ist.
Ansonsten bleibt den Dampfern an diesem Punkt nur noch die Hoffnung auf die Gerichte.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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