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Der Gateway Effekt

Vom Dampfen zum harten Scheiß

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Wenn man einigen Politikern so zuhört -allen vorweg der Drogenbeauftragten des Bundestages Marlene Mortler– müssten auch alle Dampfer irgendwann in übel beleumundeten Großstadtvierteln mit einer Spritze im Arm enden. Oder wenigstens auf einer Bahnhofstoilette. Nur Stars wie Leonardo DiCaprio enden dann sicher auf einem roten Teppich an den Folgen eines Speedball, nach einem letzten Ausrufen von „Fingern im Po, Mexiko“.
Denn jeder hat ja schließlich schon mal vom Gateway Effekt gehört. Der Gebrauch von leichten Drogen führt zum Gebrauch von harten Drogen.
Außer bei Leonardo DiCaprio, da ist das eine Berufskrankheit. Hollywood und das Musik Business sind eh dauerstoned.

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Stirbt demnächst an Drogen: Inception Dampfen

Blöd ist nur, dass der eigentliche Gateway Effekt etwas völlig anderes besagt. Aber so ist das, wenn Psychologie in Küchenpsychologie umgewandelt wird. Schizophrenie hat auch nichts mit Multiplen Persönlichkeiten zu tun. Man merkt sich das halt irgendwann einmal so, und dann schleicht sich das hinten rum irgendwie in das vermeintliche Allgemeinwissen.
Gateway Effekt: Leichte Drogen, harte Drogen, Bahnhofsklo, so läuft’s halt.
Auch wenn man eigentlich erwarten würde, wenigstens Politiker würden den Begriff so verwenden wie er richtig wäre. Allerdings wäre das wenig öffentlichkeitswirksam, denn es ist nicht einmal wirklich sicher, dass es den Gateway Effect überhaupt gibt. Aber eins nach dem anderen.

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Erfinderin der Gateway Drug Theory: Prof. Dr. Kandel

Dr. Denise B. Kandel ist eine hoch angesehene Psychologin, inzwischen Leiterin des Department of Epidemiology of Substance Abuse at the New York State Psychiatric Institute und Professorin an der Columbia University. Und die Columbia ist schon mal ’ne Hausnummer. Sie hatte schon 1975 anhand von Längsschnittstudien gezeigt, dass Menschen die Drogen konsumieren meist mit legalen Substanzen wie Alkohol oder Nikotin angefangen haben. Deshalb hieß das ganze Ding auch offiziell „Gateway Drug Theory“. Die Einstiegsdrogentheorie. Mit Betonung auf „Theorie“.
Aber was heißt das jetzt? Bedeutet das zwangsläufig, dass alle die gerne ein Bier zum Steak trinken auf der Restaurant Toilette eine Line klar und Geräusche eines Industriestaubsaugers machen?
Karl-Ludwig Täschner hat es noch 1994 so formuliert: „Die Dosissteigerung allein reicht beim Haschisch nur kurze Zeit aus, um die Wirkung weiter zu steigern. An seiner Stelle müssen vielmehr neue Drogen mit stärkeren Wirkungen treten.“ (Täschner, K. L. (1994). Drogen, Rausch und Sucht. Stuttgart: Trias.) Und genau das ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit hängen geblieben. Was allerdings aus Sicht der heutigen Psychologie schlicht Unfug ist.

Ein anderer Vergleich macht vielleicht deutlich, warum das ganze irgendwie doch nicht so ist.
Etwa ein Viertel aller Erwachsenen gibt an, einmal gekifft zu haben. Würde die Theorie -Entschuldigung, der Effekt- also so stimmen, müssten wir Millionen von Schwerstabhängigen in Deutschland haben. Opium wäre Importschlager Nummer eins. Aber nur 1% der Bevölkerung geben an, überhaupt mal härtere Drogen ausprobiert zu haben.

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Wer sich selbst den Bauch aufschlitzt brauch auch keine Einstiegsdrogen mehr

Noch aus einem zweiten, eigentlich recht lustigen Grund kann der Gateway Effekt so nicht ganz zutreffen. Denn würden leichte Drogen mehr oder weniger zwangsläufig zu harten Drogen führen, müsste es ja auf alle Menschen zutreffen. Ausgerechnet eine Erhebung der WHO von 2010 zeigt aber, dass das nicht so ist. Denn in Japan und Nigeria gibt es das gar nicht. Dort schmeißen die Leute gleich den harten Stoff ein, ohne sich lange mit Kindergeburtstagen mit Cannabis oder dem Proletariat der Drogen, dem Alkohol, lange aufzuhalten.
Es muss also ganz andere Mechanismen geben, die den geneigten Kiffer dazu bringen, doch mal lieber etwas Heroin als Hanf zu rauchen.
Die Psychologie ist sich heute weitgehend einig, dass es eine Vielzahl von Faktoren gibt, die Menschen zur Spritze greifen lassen. Kulturelle Akzeptanz, sozialer Hintergrund, Bildung, Zukunftschancen und vieles mehr. Es scheint eher so zu sein, dass bestimmte Menschen generell dazu neigen sich gepflegt die Peitsche durchs Gesicht zu ziehen, und diese dann logischerweise erst einmal mit Nikotin und Alkohol das Werk der Selbstzerstörung beginnen. Einfach weil sie leicht zu haben sind.
Außerdem gibt es wohl so etwas wie eine Prädisposition verschiedener Typen von Menschen zu unterschiedlichen Drogen. Leute mit viel Ehrgeiz und hoher Selbsterwartung neigen eher zu Pushern wie Koks oder Speed, Menschen die gerne Batiken und Delfine streicheln eher zu LSD, getriebene Menschen neigen zum Zocken und der Gerüstbauer trinkt sich lieber eine Flasche Doppelkorn, bevor er vom Dach aus verkündet Karthago müsse zerstört werden. Nur Kiffern ist das alles egal.
Jemand der mal an einer Dampfe zieht wird deshalb nicht zwangsläufig rauchen. Es ist schon vorher in ihm angelegt, ob oder ob nicht. Zwei Forscher haben einmal geschrieben, man könne ebenso gut behaupten, „dass eine Erkältung zwangsläufig zu einer Lungenentzündung führt, weil so gut wie jeder Lungenentzündung eine Erkältung vorausgeht.“ (Kleiber, D. & Kovar, K. A., 1998. Auswirkungen des Cannabiskonsums. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft)

Und das sollte vielleicht auch mal sehr deutlich klar machen, dass die Mischpoke um Mortler, Pötschke-Langer und Co, eigentlich sehr genau wissen sollten, was sie da für einen Unfug erzählen. Gut, Frau Mortler ist gelernte Bäuerin, da kann das schon mal unten durchgehen. Aber Frau Pötschke-Langer hat ja irgendwann mal einen Doktor der Medizin geschossen, und da sollte sie sich zumindest mit dem Auslesen von Statistiken auskennen.

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Christiane F.: Schlecht drauf weil das Heroin so lecker roch

Es ist sehr schön in Diskussionen zu beobachten, was passiert wenn man die Gateway Drug Theory vom Tisch wischt. Gerade was Vaping betrifft. Denn  dann schwenken die Genussfeinde und selbsternannte Gesundheitsretter um und erzählen etwas von Verführung. Was streng genommen aber etwas völlig anderes ist, denn der Faktor Verführung spielt beim Gateway Effect nun wirklich gar keine Rolle mehr. „Einstiegsdroge“ klingt einfach nur schmissiger als „Verführung“.
Dabei ist das Denkmodell folgendes: Leicht zugängliche Einstiegsdrogen wie Alko Pops, Cannabis oder Dampfmaschinen sexen den Adoleszenten so an, dass er danach unwillkürlich wahlweise zur Dampfe, zum Joint oder zum vorgemixten Wodka Lemon greift. Das mag auch tatsächlich so sein, denn Pubertierende definieren sich vor allem durch eine Mischung von Annahme und Ablehnung von dem, was sie bei Erwachsenen sehen. Was wohl erklärt, dass die meisten die heute rumpubertieren so gar nicht Rock’n Roll sind. Aber es ist doch die Frage ob es dann mit unserer Auffassung von Freiheit vereinbar ist, einem Erwachsenen das Fruchtliquid zu verbieten, nur weil der Rotzisch an der Bushaltestelle das dann irgendwie geil finden könnte. Um das pädagogisch zu regulieren ist nach Auffassung vieler doch eher das Elternhaus zuständig und nicht der Gesetzgeber.
Außerdem sind dafür doch viel eher die nicht zu verbietenden Cloud Chaser und Modder Videos auf YouTube verantwortlich, als wie ein Erwachsener beim Dampfen riecht. Ein volltätowierter Skater der auf 200 Watt zieht ist für einen 16 Jährigen irgendwie nachahmenswerter als der Buchhalter mit Halbglatze, der sich zum Feierabend am Bahnhof sein Himbeer Liquid aus einer eGo reinzieht.

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Vor allem Jugendliche, Studenten und Arbeitslose bevorzugen hochpreisige Drogen

Ein dritter Punkt muss noch erwähnt werden, der eigentlich dazu gehört. Er ist jedem Dampfer vollkommen klar, ist jedoch bei jenen die an das Schreckgespenst der Einstiegsdroge Dampfen glauben nicht so wirklich angekommen.
Dampfen ist billiger, gesünder und schmeckt besser als Rauchen. Ein dampfender Jugendlicher hat also gar keinen verschissenen Grund das Geld vom Zeitungsaustragen zusammenzukratzen, um sich damit eine Schachtel Kippen zu kaufen. Das ist vollkommen idiotisch, niemand tut so etwas. Es sei denn sein Ziel ist die Selbstzerstörung, aber dann wird er eh Mittel und Wege finden.
Nur weil jemand den Geruch von Regen auf heißem Asphalt mag, fängt er nicht an im Sommer an der Straße zu lecken.
Und genau das gab auch die Befragung der Uni Hamburg wieder. Von über 3000 ausgewerteten Teilnahmen konnte ein einziger sich vorstellen überhaupt mal zu einer Zigarette zu greifen. Und dazu muss man sagen, dass nur drei angaben vorher nicht geraucht zu haben.
Das ganze Argument funktioniert nur, wenn man davon ausgeht, dass Dampfen etwas ähnlich schlimmes ist wie Rauchen. Unterscheidet man das von vorn herein, so wie immer mehr Ärzte und Wissenschaftler das auch tun, ist auch die Tatsache dass ein Jugendlicher dampft eigentlich erträglich. Denn dann raucht er nicht.

Die ganze Diskussion um das Dampfen als Einstiegsdroge ist aber eh aufgeblasen, und es wird mit falschen Behauptungen bis hin zu Lügen operiert. Inzwischen gibt es viele Quellen, die zeigen was beim Dampfen tatsächlich abgeht. Vor allem die bahnbrechende Studie des Royal College of Physicians, über die wir erst kürzlich berichteten. Sie sagt ganz klar, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Dampfen eine Einstiegsdroge ist. Egal ob man nun von einer Gateway Drug Theory ausgeht, von Verführung oder einfach Angst hat dass der Junior demnächst zur Kippe greift und dann auf dem Strich am Bahnhof Zoo endet.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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