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Und noch eine Petition

Es ist ermüdend

Gestern wurde mal wieder eine Petition gestartet. Mit dem Ziel dass E-Zigaretten „aus der TPD2 Regulierung heraus genommen werden“.
Es fällt wirklich schwer, da noch sachlich zu argumentieren. Da aber ständig neue Dampfer hinzu kommen, muss man vielleicht noch einmal erklären, warum das in dieser Form wohl ziemlich aussichtslos ist.
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Durch das Internet und vor allem die Social Networks haben viele Menschen offenbar den Eindruck, dass Politik sehr leicht ist. Und es scheint ein merkwürdig verzerrtes Bild von Demokratie um sich zu greifen. Befeuert von solchen Portalen wie openPetition, auf der auch die aktuelle Petition gestartet wurde.

Glücklicherweise ist Politik aber eben nicht so einfach. Und es zählt in Deutschland auch kein mehrheitlicher Volkswille. Denn sonst hätten wir sicher auch sehr bald wieder solche Errungenschaften der Aufklärung im Gesetzbuch wie Todesstrafe, Euthanasie und Körperstrafen wie Kastration.

Wobei man einen mehrheitlichen Volkswillen gerade bei der E-Zigarette eh einmal getrost vergessen kann. Denn etwa 75% der Deutschen raucht gar nicht. Und vom Rest der weitaus größte Teil Tabak. Es sei also einmal dahingestellt, was die Mehrheit beispielsweise von einer Besteuerung halten würde. Ob der Wille der Dampfer hier einen Volkswillen darstellt darf man bezweifeln.
Es reicht einfach nicht, seinen Willen in einer Petition zu formulieren. Und dann zu glauben, wenn nur genug Menschen zusammen kommen, würde das irgendetwas ändern.

Keinem zu nahe treten, aber…

Ich möchte dem Verfasser dieser Petition tatsächlich nicht persönlich zu nahe treten. Daher werde ich ihn auch nicht nennen und die Petition hier auch nicht verlinken.
Der Petent hat ein Video mit einem – durchaus ruhigen und vernünftigen – Aufruf auf YouTube gepostet. Hätte er sich vorher einmal ein wenig intensiver umgeschaut, hätte er gesehen, dass wir das im letzten Jahr bereits alles durch hatten.

Frank Tempel von den Linken, Flammenrede für die E-Zigarette vor der Verabschiedung des TabakerzG (25.02.2016)

Außerdem sagt er, dass (wörtlich) die endgültige Durchsetzung der TPD vor der Türe stünde. Das ist schlicht falsch. Und das ist das, was bei den ständigen Ungenauigkeiten dabei herauskommt. Weil jeder Hinz und Kunz, der entfernt etwas mit Dampfen zu tun hat, ständig nur von TPD redet.
Man kann dem Mann keinen Vorwurf machen, er dampft nach eigener Aussage erst seit zwei Monaten.
Die TPD 2 ist im Jahr 2014 durch die EU auf dem Weg gebracht worden, wurde dann übereilt Ende 2015 an die Parlamente der Mitgliedsstaaten geschickt, und in Deutschland wurde das entsprechende Gesetz am 25. Februar 2016 mit Wirkung zum Mai letzten Jahres verabschiedet. [Bericht hier…] Es ist längst gültiges Gesetz. Was im Mai 2017 endet ist lediglich eine Abverkaufsfrist.

Ausflug in die Schweiz

Direkte Demokratie Schweiz? Ganz sicher?

Eine kleine Anmerkung am Rande, weil es auch im Video angesprochen wurde und immer wieder durch Social Media kursiert: Auch in der Schweiz gibt es Petitionen, und auch die haben keinerlei zwingende Rechtsfolge. Die entsprechende Behörde muss sie nur zur Kenntnis nehmen.

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz Volksinitiativen auf Bundesebene (hier Volksbegehren). Die sind sehr streng reglementiert und können nur Bundesgesetze innerhalb der Verfassung betreffen. Es ist also keineswegs so, dass es in der Schweiz zu allem und jedem „Volksabstimmungen“ geben würde. Das ist eine Urban Legend, die gerne von Neurechten befeuert wird.

Was dann doch ein Kopfschütteln verursacht ist die Tatsache, dass die Unterzeichner der Petition vor allem von dem Blog mered.de, dem Forum dampfertreff.de und dem Forum dampferzuflucht.de kommen. Eigentlich sollten dort genügend Leute das Debakel der letzten Petition miterlebt haben. Und auch ausreichend Hintergrund haben, das entsprechend gerade zu rücken.

Warum es keinen Sinn macht

Wie bereits erwähnt hat eine Petition in Deutschland keinerlei rechtsverbindliche Wirkung. Wenn das so genannte Quorum (hier 50.000 Unterzeichner) erreicht ist, muss der Petitionsausschuss des Bundestages sich die Petition anschauen und darüber befinden. Dem Petenten muss diese Entscheidung mitgeteilt werden. Das ist aber auch schon alles.
Ob der die Petition dann an irgendwelche Ausschüsse weiterleitet, den Petenten anhört oder das Ding dann auf die Halde legt, ist überhaupt nicht gesagt.

Falscher Adressat

Die TPD wurde in Brüssel beschlossen, nicht in Berlin.

Als nächstes ist diese Petition an den erwähnten Petitionsausschuss adressiert. Die TPD 2 heißt ausgeschrieben aber Tobacco Products Directive. Denn es ist eine Vorschrift der EU. Diese muss von allen Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt werden. In der Bundesrepublik ist das aber längst geschehen. Im Tabakerzeugnisgesetz. (Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse, kurz TabakerzG, siehe oben)
Diese Petition wird also von vorn herein abgeblockt werden, weil der Petitionsausschuss dafür überhaupt nicht zuständig ist. Der wird sich darauf berufen, dass hier die Direktive der EU betroffen ist, und dass Deutschland die ja nicht ändern kann. Ginge es nur um das deutsche Tabakerzeugnisgesetz, würde der Petitionsausschuss darauf verweisen, dass die TPD von der EU vorgegeben ist. Der Adressat ist also von vorn herein ein toter Briefkasten.

In der Erläuterung wird dann auch gar nicht weiter darauf eingegangen, was genau gestrichen werden soll. Es wird zwar etwas dazu gesagt, dass die E-Zigarette hier Tabakprodukten gleichgestellt würde. Aber das nimmt jeder Jurist in Bruchteilen von Sekunden auseinander. Weil sie eben nicht per se und komplett gleichgestellt ist.

Nachteile durch die TPD?

In der gleichen Erläuterung stellt der Petent sich dann auch noch einige Fallen selber. Beispielsweise indem er sagt, dass dem Konsumenten von E-Zigaretten durch die TPD erhebliche finanzielle Nachteile entstehen. Da fragt doch jeder Gesundheitspolitiker, Nachteile im Gegensatz zu was? Zum Nichtrauchen? Wohl kaum. Zum Rauchen auch nicht. Also wozu? Zur unregulierten Abgabe? Spätestens da klatschen doch einige Politiker in die Hände und sagen: Toll. Genau was beabsichtigt war.

Auf Einzelschicksale wird keine Rücksicht genommen

Ein letzter Punkt ist die Begründung. Die eigentlich dazu da ist, diese Punkte der Erläuterung anzubringen. Da hat der Petent es sich nicht nehmen lassen, seinen ganz persönlichen Fall und sein eigenes Wohlbefinden durch den Umstieg auf das Dampfen anzubringen.
Das hat aber schon die IG-ED mit ihrem völlig unsinnigen Buch mit Dampfergeschichten versucht, die dann an Bundestagsabgeordnete geschickt wurden.
Um es einmal ganz deutlich zu sagen, damit das auch wirklich jeder versteht: Einzelschicksale sind für die politische Debatte vollkommen uninteressant. Entweder man liefert klare, wissenschaftliche Fakten. Oder man schweigt. Alles andere ist verschwendete Zeit.

In der Politik werden Rechtsgüter abgewogen. Beispielsweise der Jugendschutz gegenüber der Freiheit möglichst preiswert Genussdrogen zu konsumieren. Etwas anderes ist irrelevant.
Würde es nur um die Gesundheit gehen, hätten wir auf deutschen Autobahnen längst durchgängig Höchstgeschwindigkeit 100 km/h. Denn dann sterben nicht einmal halb so viele Menschen. Wird aber auch nicht gemacht. Weil das Rechtsgut „Freie Fahrt für freie Bürger“ höher bewertet wird, als über 3000 Menschenleben im Jahr.

Wenigstens einmal das Gesetz lesen

Ich frage mich wirklich wie naiv man sein muss, um zu glauben, dass eine solche Petition irgendeinen Erfolg hätte. Eigentlich empfinde ich es sogar als absurd, eine solche hervorragende Einrichtung wie den Petitionsausschuss mit so etwas bemühen zu wollen, und nicht einmal die paar Stunden Zeit zu nehmen, um sich über die rechtlichen Voraussetzungen kundig zu machen. Einmal nachzuschauen wer eigentlich nun was beschlossen hat und wenigstens einmal das Gesetz selber zu lesen und die strittigen Paragraphen anzugeben.

Es gibt sicher Wege, aber nicht mal eben

Der Vorsitzende der IG-ED Volkmar Stendel vorm Petitionsausschuss (11.04.2016)

Es gibt sicherlich Wege, gegen dieses Gesetz und die TPD anzugehen.
Da es in Deutschland beschlossenes Gesetz ist, wäre das vielversprechendste sicher eine Klage. Beispielsweise, wenn das Tabakerzeugnisgesetz gegen andere Gesetze verstoßen würde. Gegen das Recht auf freie Geschäftsausübung, um mal ein Stichwort zu nennen.
Aber dann sollte man sich doch einmal fragen, warum das noch keiner gewagt hat. Es gibt ja nicht nur den kleinen Shop um die Ecke. Es gibt große Händler und Hersteller. Und Verbände. Hunderte Arbeitsplätze. Die Branche hat im vergangenen Jahr über 400 Millionen Euro alleine in Deutschland umgesetzt, die Zuwächse liegen im zweistelligen Prozentbereich. Und scheinbar kommt keiner auf die Idee, obwohl ihr Lebensunterhalt davon abhängt. Ist doch schon komisch.

Es gehört ein bisschen mehr dazu, als an einem Montagnachmittag mal eben eine Petition fertig zu machen. Wie bei der Petition im letzten Jahr eindrucksvoll bewiesen wurde. Da wurde der Vorsitzende der IG-ED nämlich von den Kommunikationsprofis vorm Ausschuss ziemlich stehen gelassen. [Bericht hier…]

Selbstverständlich halte ich niemanden davon ab, diese Petition zu unterzeichnen. Kann ich nicht, will ich nicht.
Aber wer das Bild einer Dampfer Community vor Augen hat, die zusammenhält und zusammen kämpft, der sollte sich einmal überlegen, welches Bild diese Community mit einer solchen Petition nach außen abgibt.

Alternativen? Bitte!

Wer eine Petition unterzeichnen möchte, die wenigstens ansatzweise Erfolg verspricht, der kann das über den Link unten tun.
Parlamentwatch ist ein Verein, der schon sehr viel erreicht hat. Hier wird professionell dafür gearbeitet, den Zugang von Lobbyisten zu den Parlamentariern transparenter zu gestalten. Und das wäre auch und gerade derzeit ein großer Vorteil für die E-Zigarette. Denn dadurch würde ersichtlich werden, welche Politiker mit welchen Vertretern beispielsweise der Pharma- und Tabaklobby sprechen.

Grobe Übersicht der Regulierung:

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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