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Big Tobacco schluckt E-Zigarettenhersteller?

Ösetrreicher kooperieren mit Niederländern

Gestern veröffentlichte der österreichische Hersteller von E-Zigaretten VON ERL. eine Mitteilung, dass er eine Kooperation mit der niederländischen Fontem Ventures eingegangen ist.
Nicht nur die Dampfer Medien haben sich sofort auf die Meldung gestürzt.
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Die Informationen waren zum Teil sehr ausgiebig. Und wie nicht anders zu erwarten, folge die absehbare Empörung in den entsprechenden Vaper Kanälen sehr schnell.
Für eine Tageszeitung, die im Wirtschaftsteil darüber berichtet, mag die Information ausreichend sein. Aber gerade im Bereich des Dampfens, erscheinen sie dann doch etwas unzureichend.

Der österreichische Hersteller VON ERL. wurde erst 2014 gegründet. Er wurde aber keineswegs von Dampfern aus der Szene begründet, sondern war von vorn herein ein professionelles und sehr marktorientiertes Unternehmen. Es entstand aus der Innovationsabteilung des Tiroler Unternehmens Sistro, das auf Feinmechanik in der Medizintechnik spezialisiert war.

Erfolge in den USA

Das Erfolgsprodukt: Die My

Im vergangenen Jahr hat VON ERL. den US amerikanischen Markt erschlossen. Dort sind einfache Geräte mit Kartuschen sehr viel erfolgreicher als in Europa. Und genau darauf zielt das Unternehmen ab.

Inzwischen gibt VON ERL. selber an, dass etwa 80% seines Umsatzes in den USA generiert werden.
Wie das Unternehmen gestern mitteilte, wird das niederländische Unternehmen Fontem Ventures ab sofort bei VON ERL. einsteigen.

„Wir sind aktiv an VON ERL. herangetreten, weil wir vom Potential des Unternehmens und dessen Produkten überzeugt sind. VON ERL. liefert für uns beste Voraussetzungen, neue Kundengruppen auch im Vape-Kanal anzusprechen. Wir können VON ERL. im weiteren Wachstum unterstützen und die bestehenden Kunden noch mehr begeistern“
Titus Wouda Kuipers, CEO Fontem Ventures

Fontem stellt keine Zigaretten her

Fontem Ventures gehört zwar zu Imperial Brands, stellt aber selber keine Tabakprodukte her. Sondern sie sind Hersteller der E-Zigarettenmarke Blu, die bereits zu den bekanntesten Produkten in diesem Marktsegment in den USA gehören.

Der Mutterkonzern Imperial Brands sitzt in Bristol in den USA. Es ist eine Public Limited Company, was in Deutschland einer Aktiengesellschaft entspricht.
Zu Imperial Brands gehören in erster Instanz fünf Unternehmen. Neben Fontem Ventures sind das:

  • Imperial Tobacco ist ein Klassischer Zigarettenhersteller. Zu ihm gehört inzwischen auch das deutsche Traditionsunternehmen Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH. (Gauloises, John Player Special, West, Peter Stuyvesant, Gitanes, Rot-Händle, etc.)
  • Tabacalera ist für Kubanische Zigarren in den USA zuständig.
  • ITG Brands hat inzwischen Reynolds übernommen und vertreibt unter anderem Winston. Zudem scheint es auch Distributor für die Marke Blu in den USA zu sein.
  • Logista ist, wie der Name andeutet, ein Logistikunternehmen, das in Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und Polen Distributor für Tabakprodukte ist.

Insgesamt ein Tabak Multi

Mit diesem Netz ist Imperial Brands weltweit der viertgrößte Player auf dem Tabakmarkt.
Geht man nun davon aus, dass dies alles ein Konzern ist, dann ist die Aussage dass Big Tobacco einen E-Zigaretten Hersteller übernimmt, sicher richtig.
Im Detail ist es aber nicht so ganz einfach.

Wie bereits erwähnt stellt Fontem Ventures selber gar keine Zigaretten her. Sie haben gerade erst eine neue Marke auf den Markt gebracht. RE/ON ist ein „Energy Produkt“, dass ähnlich wie ein Brausepulver mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, Vitamin B12 und Coffein einen Energieschub für zwischendurch verspricht.

Aktien und GmBH

Zudem war in den Medien auch zu lesen, Fontem hätte 50,1% von VON ERL. übernommen. Diese Zahl ist mindestens schwer verständlich und in der Veröffentlichung des Unternehmens selber ist davon auch nichts zu lesen.
Der Grund ist, dass VON ERL. eine GmbH ist. Das würde prinzipiell bedeuten, dass es 1000 Gesellschafter geben müsste, und 501 Gesellschafter von Fontem kommen.
Selbstverständlich kann man da vertraglich so einiges Regeln. Aber dazu hat sich das Unternehmen nicht geäußert. Wie diese Prozentangabe also zustande kommt, ist fragwürdig. Und es ist daher unmöglich von außen absehen zu können, wie die Einflussnahme von Fontem oder Imperial Brands auf VON ERL. sein wird.

Kein Dampfer Unternehmen wie man es sich vorstellt

Mag. Dr. Christoph Swarovski, bisheriger Hauptgesellschafter (Foto: IV Tirol)

Der bisherige Hauptgesellschafter war Mag. Dr. Christoph Swarovski, ein offenbar sehr vielbeschäftigter Mann. Er ist auch Präsident der Tiroler Industriellen Vereinigung und darüber hinaus Geschäftsführer des Schleifmittelunternehmens Tyrolit, der Swarovski Auslandsholding GmbH und ist beteiligt an der Tyrol Equity AG.
VON ERL. war also auch bisher kein klassisches Dampfer Unternehmen.

Geschluckt oder inhaliert?

Hinzu kommt, dass es hier keineswegs um eine „feindliche Übernahme“ geht. Denn auch das ist bei einer GmbH so eigentlich nicht möglich. Dieser Begriff kommt aus dem Aktienmarkt. Verben wie „geschluckt“ oder gar „inhaliert“ sind also eher wenig zutreffend.
Es ist eher so, dass hier zwei Unternehmen verhandelt haben, gemeinsame Interessen erkannt haben und dann eine Kooperation eingegangen sind.
So wird VON ERL. ihren Sitz behalten, die gleiche Geschäftsleitung haben und die komplette Belegschaft wird behalten.

„Mit Fontem Ventures können wir Produktinnovationen schneller vorantreiben und den Markt mit über 13 Millionen Dampfern weltweit noch besser beliefern. Fontem Ventures und VON ERL. teilen dieselbe Unternehmens-Philosophie: Die Entwicklung von innovativen, kundenorientierten Lifestyle-Produkten.“
Günther Höfert, CEO VON ERL.

Es war zu erwarten

Nun kann man das als Dampfer gut finden oder schlecht. Doch der Eindruck, hier würde ein kleines, klassische E-Zigaretten Unternehmen von einem Riesen geschluckt werden, will beim genaueren Hinsehen nicht so ganz standhalten.

Der Markt folgt dem, was die Kunden bezahlen. In diesem Fall sind das wir Dampfer.
Und wenn Millionen von Menschen E-Zigaretten mit Kartuschen haben wollen und es ihnen egal ist wenn der Hersteller mit einem vermeintlichen Tabakmulti kooperiert, dann ist das so. Es ist illusorisch zu erwarten, dass gerade bei der E-Zigarette sämtliche Regeln des Marktes außer Kraft gesetzt werden.

Dampfen ist eine Grassroot Bewegung. Aber wie jede Bewegung und jede Subkultur wird sie vom Mainstream geschluckt. Bei den Grünen stillt keiner mehr im Bundestag, Punk is dead und am Prenzlauer Berg beschweren sich die zugezogenen Hipster über die lauten Kneipen, wegen denen sie dort hin gezogen sind.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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