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E-Zigarette in den Nachrichten

Alle Vorurteile in 100 Sekunden - nur netter verpackt

Am vergangenen Sonntag sendete Pro7 in seiner Nachrichtensendung einen etwa 100 sekündigen Beitrag über die E-Zigarette. Und alle Vorurteile wurden wieder geschickt inszeniert.
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Dampfern ist es bekannt, in Beiträgen über die E-Zigarette kommt diese selten gut weg.
Inzwischen liegen ausreichend wissenschaftliche Besprechungen des Themas vor. Es ist für die Redakteure also zunehmend schwierig Falschaussagen zu kolpotieren. Trotzdem ändert sich diese Fehlinformation nicht. Sie wird nur anders verpackt.

In dem Beitrag der Nachrichtensendung Newstime des privaten Senders Pro7 wurde zwar gegenübergestellt, dass E-Zigaretten durchaus weniger Risiko beinhalten als Tabakzigaretten. Dennoch ließen die Redakteure es sich nicht nehmen, alle Stereotypen zu nutzen und Halbwahrheiten zu vermitteln.

Erhebung der Verkaufszahlen

Anlass war offensichtlich eine Erhebung des Marktforschungsunternehmens Nielsen, über das die Wirtschaftswoche bereits am vergangenen Freitag berichtet hatte.
Gemäß dieser Erhebung hätte sich der Umsatz der E-Zigarette von September des vergangenen Jahres bis zum September 2017 auf 33,5 Millionen Euro verdoppelt. Genau diese Zahlen wurden auch im Beitrag von Newstime genannt.

Artikel der Wirtschaftswoche (Foto: Screenshot)

Fachleute werden aber hier bereits gestutzt haben. Denn der VdeH, der Verband des E-Zigarettenhandels, schätzte den Umsatz bereits 2016 auf 300 Millionen Euro. Bei dem entsprechenden Anstieg wird in Fachkreisen für das Jahr 2017 mit Umsätzen von mindestens 400 Millionen gerechnet.

Dem widerspricht Nielsen allerdings in keiner Weise. Denn für ihre Erhebung hat sie ausschließlich Tabakläden, Lebensmittelläden und Tankstellen befragt. Im Bericht der Wirtschaftswoche wird sogar ausdrücklich darauf hingewiesen. Ebenso, dass der „wichtigste Vertriebskanal“ des Online Handels nicht befragt wurde.

Mindestens Halbwahrheit

Diese Zahlen und die Verdoppelung lassen sich etwas anders erklären.
Durch die zunehmende Popularität der E-Zigarette hat vor allem in diesem Jahr der Trend stark zugenommen, dass Einzelhändler wie Kioske und Tankstellen ein kleines Sortiment in ihr Angebot aufnehmen. Üblicherweise handelt es sich dabei um Liquids, die in einer entsprechenden Sortierung von Firmen, die darauf spezialisiert sind, angeboten werden.

Nie Marktforscher bilden in dieser Erhebung also lediglich einen Trend ab, was auch genau ihrer Intention entsprach. Diese Zahlen sind dementsprechend für Investoren oder Manager interessant. Sie bilden jedoch keinesfalls den kompletten Markt umfassend ab.
Durch das Weglassen dieser Informationen oder entsprechender Quellenangaben ist Pro7 hier also durchaus eine Falschdarstellung zu unterstellen.

Falsche Bilder, falsche Aussagen

Die Sendung vom 26.11.2017 (Foto: Screenshot)

Die Falschdarstellungen gehen dabei noch weiter, allerdings offenbaren sie eher die Unwissenheit der verantwortlichen Redakteure.
In mehreren Einspielungen werden Bilder von Konsumenten der IQOS von Philip Morris gezeigt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine klassische E-Zigarette, über die im Beitrag gesprochen wird. Sondern um ein so genanntes Heat-not-burn Gerät, dass konventionellen Tabak erhitzt.

Gleich im Anschluss erklärten die Macher dann auch die Liquids, die (wörtlich) Propylenglykol oder Glycerin enthielten. Dass Liquids beides enthalten war ihrer Aufmerksamkeit offenbar entgangen.

Für solche Einspieler ist es immer wichtig, sowohl Konsumenten als auch vermeintliche Fachleute mit ein oder zwei Sätzen zu Wort kommen zu lassen.
Mögen viele Dampfer erfreut darüber gewesen sein, dass auch Dampfer zu Wort kamen und von den positiven Effekten und persönlichen Erfahrungen berichtet haben, so durfte die kritische Stimme eines Experten nicht fehlen.

Halbgares Interview

In diesem Beitrag handelte es sich um die Frau Doktor Uta Liebers, Pneumologin an der Charité in Berlin.

„Das Gefährliche an der E-Zigarette ist, dass die suchterzeugende Substanz Nicotin konsumiert wird. [Schnitt] Und da sehen wir als Ärzte eher die Gefahr, dass es einen Einstieg bieten kann… [Schnitt]“
Dr. Uta Liebers, Newstime, Pro7, 26.11.2017

Fr. Dr. Liebers im Interview (Foto: Screenshot)

Durch den geschickten Schnitt des Filmeditors ist es nicht möglich zu wissen, ob Frau Dr. Liebers sich nicht vielleicht sogar positiv zu der E-Zigarette geäußert hat.
Denn das Wort „eher“ im Zweiten Satz lässt vermuten, dass sie vielleicht zuvor andere Gefahren abgestritten hat. Was dann aber der Intention des Redakteurs, die E-Zigarette dramatisierend als Gefahr darzustellen, zum Opfer gefallen wäre.

Allerdings verweist sie in ihrer Aussage eindeutig auf eine Gefahr. Die nicht nur Dr. Liebers alleine sieht, sondern gleichsam alle Ärzte.
Dies entspricht der bekannten Gateway Theorie, nach der Konsumenten durch eine vermeintlich harmlosere Droge an den konsum stärkerer Drogen herangeführt werden.

Unterschwellige Gateway Theorie

Prof. Dr. Linda Bauld hat den Gateway Effect widerlegt (Foto: Universität Stirling)

Diese Theorie wird nicht nur lange durch entsprechende Erkenntnisse kritisiert.
Darüber hinaus ist diese Befürchtung für die E-Zigarette inzwischen auch durch eine Metastudie der Universität Stirling widerlegt. Diese hatte die Daten von 60.000 Schülern analysiert und war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Bewegung vom Dampf zum Rauch faktisch nicht stattfindet.

Das wird auch jedem Dampfer vollkommen logisch erscheinen. Denn die E-Zigarette schmeckt besser und ist weitaus preiswerter als Tabakzigaretten. Es erscheint völlig absurd, dass jemand der dampft danach zum Tabak greift.
Darüber hinaus hat Stirling festgestellt, dass nur 0,1% bis 0,5% der Jugendlichen, die regelmäßig die E-Zigarette konsumieren, vorher nicht geraucht haben.

Auch Ärzte nicht immer up to date

Es wäre zu einfach, von einer Bestechung zu sprechen. Und es wäre absurd, Frau Dr. Liebers dies aufgrund eines geschnittenen Interviews anzudichten. Aber man sollte sich klar machen, wes Geistes Kind sie ist.
Dieser Argumentationsstrang wird vor allem auch durch die Lobbyarbeit von Pharmaunternehmen aufrechterhalten.




Praktizierende Ärzte sind nicht immer auf dem neusten Stand der Wissenschaft. Sie sind damit auch dem ausgesetzt, was andere ihnen zutragen.

Und es gibt nun einmal Pharma Unternehmen, die etwas gegen eine weniger riskantere Form des Rauchens hätten. Das sind vor allem diejenigen Unternehmen, die mit Nikotinersatzprodukten wie Pflastern und Sprays milliardenschwere Umsätze machen.

Zuwendungen durch Pharma Unternehmen

Diese Nähe zu diesen Unternehmen muss auch der Charié unterstellt werden.
Natürlich sind solche Verstrickungen schwer nachzuweisen, da die entsprechenden Ärzte und unternehmen sich natürlich dagegen sträuben, dies offenzulegen.

Doch für das vergangene Jahr hat die Charité der Veröffentlichung einiger Zahlen zugestimmt.
So hat die Firma Novartis Honorare an die Charité über mehr als 350.000 € gezahlt. Darüber hinaus erhielt sie 110.000 € „Spenden und Fördergelder“. Und noch einmal fast die gleiche Summe an Geldern im Rahmen mindestens eines „Sponsoring“.
Novartis ist Hersteller der Nicotinell Produkte.

Die Nichtrauchertablette Chantix von Pfizer

In der Liste Geldgeber findet sich auch der deutsche Ableger von Pfizer wieder.
Vor allem in den USA gilt Pfizer als stärkster Gegner der E-Zigarette. Denn das Unternehmen stellt seit 2007 Varenicilin her. Dieser verschreibungspflichtige Wirkstoff wird als Chantix (USA) und Champix (Europa) zur Rauchentwöhnung vertrieben.
Pfizer zahlte sowohl 2015 wie auch 2016 verschiedene Gelder für Sponsoring, Fördergelder und sogar Honorare an das Berliner Klinikum.
Und selbstverständlich findet sich auch GlaxoSmithKline wieder, die ebenfalls in diesen drei Bereichen Zuwendungen gaben. Das Unternehmen mit Sitz in London stellt die Produkte der NiQuitin Reihe her.
Johnson & Johnson, die Hersteller der Nicorette, scheinen zu fehlen. Doch finden sich in der Liste nur die Zahlen, deren Veröffentlichung zugestimmt wurde. Es mag aber einen ungefähren Eindruck geben.

Explodierende Akkus dürfen nicht fehlen

Eine Stereotype durfte zum Abschluss des Beitrags nicht fehlen. Der explodierende Akku, vor dem gewarnt wurde.
Hierzu wurde im Netz bekanntes Bildmaterial eingespielt und vor „diesen E-Zigaretten“ gewarnt, bei denen ein solcher „Kurzschluss vorkommen könne.

Nach den Medienbeiträgen der vergangenen Jahre ist man leicht versucht eine Verlässlichkeit der Berichterstattung erkennen zu wollen. Da inzwischen die „wahrscheinlich“ geringere Schädlichkeit der E-Zigarette offen kommuniziert wird.
Falsche Bilder, falsche Zahlen, Gateway, suchterzeugendes Nicotin, fehlende Langzeitstudien und explodierende Akkus… Pro7 hat es erneut geschafft das alles in 100 Sekunden unterzubringen und als vermeintlich seriöse Nachrichten zu verkaufen.


Meldung der Wirtschaftswoche: http://www.wiwo.de/technologie/forschung/studie-umsatz-mit-e-zigaretten-hat-sich-verdoppelt/20622270.html
Bericht über die Studie Stirling: https://www.vapers.guru/2017/09/01/studie-widerlegt-gateway/
Bericht über Medienkampagne gegen E-Zigarette: https://www.vapers.guru/2017/09/25/kampagne-desinfomation-blei-im-urin/

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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