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Online Handel vor dem Aus?

Verband geht gegen Abmahnung vor

Bereits Anfang April wurde ein kleiner Online Händler von E-Zigaretten von einem Verbraucherschutzverein abgemahnt. Der hat sich vergangene Woche an das BfTG gewandt. Und dieses ist sehr schnell aktiv geworden.
Denn hätte die Argumentation der Abmahnung Bestand, würde das den Online Handel in Deutschland unmöglich machen.
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Vor etwa zwei Wochen ist ein kleiner Online Händler für E-Zigaretten und Liquids von dem Verbraucherschutzverein gegen den unlauteren Wettbewerb e. V. abgemahnt worden.

Obwohl der Händler selber kein Mitglied des Händlerverbandes Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) ist, hat er sich in seiner Verzweiflung am Ende der vergangenen Woche an diesen gewandt.

Und beim BfTG gingen sofort alle Alarmglocken an. Denn würde diese Abmahnung so Bestand haben, würde das den Online Handel mit E-Zigaretten in Deutschland de facto unmöglich machen.

E-Zigaretten dürfen nicht gezeigt werden

Die Abmahnung bemängelt, dass Jugendlichen auf der Shop Seite des Händlers entgegen dem Jugendschutzgesetz E-Zigaretten angeboten werden.
Denn, so die Argumentation, Jugendliche könnten ohne vorherige Altersabfrage die Angebote von E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids im Shop sehen. Und das würde bereits gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen.
Das Gesetz sagt dazu:

„Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse dürfen Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden.“
JuSchuG, § 10, Abs. 3

Nach Auffassung des abmahnenden Verbraucherschutzvereins müssen Shops also sicherstellen, dass jeder Betrachter der Angebote volljährig ist. Was nur dadurch zu gewährleisten wäre, dass der Nutzer sich bereits vor dem virtuellen Betreten des Shops anmeldet und beispielsweise durch ein ID Verfahren oder über eine Schufa Abfrage ausweist.

Käme einem Verbot gleich

Doch viele Nutzer wollen sich nur über Produkte oder Angebote informieren, Preise vergleichen oder einfach stöbern.
Sicherlich währen viele nicht bereit, sich dafür einem aufwendigen Verfahren zu unterziehen. Noch dazu, wenn Sie dafür persönliche Daten preisgeben müssten.
Es käme einem Verbot des Online Handels durch die Hintertüre gleich.

Hinzu kommt, dass dies auch auf Offline Shops übertragbar wäre. Da es hier um eine sehr fundamentale, juristische Definition geht.
So müssten im nächsten Schritt auch alle Shops sicherstellen, dass ihre Waren nicht von Jugendlichen gesehen werden können. Sie müssten nicht nur den Zugang zum Shop kontrollieren, sondern auch sicherstellen, dass beispielsweise Sichtfenster verdeckt werden.

Streitfall Angebot

Alles dreht sich um den Begriff des „Anbietens“. Und dazu muss man genau definieren, wann ein Angebot überhaupt eins ist.

Das Bürgerliche Gesetzbuch und das Handelsgesetzbuch definieren das relativ genau. Das Zeigen einer Ware und die eventuelle Nennung eines Preises ist demnach noch kein ausdrückliches Angebot.
Jeder Kaufmann kennt das sicherlich noch aus seiner Ausbildungszeit. Ein Angebot muss viele Details beinhalten. Beispielsweise die Lieferung, die Zahlungsbedingungen und einiges mehr.
Einfache Faustregel ist: Ein Angebot muss immer so gestaltet sein, dass es durch ein einfaches „Ja“ angenommen werden kann.




Dies wird aber bei der derzeitigen Gesetzgebung bereits dadurch ausgehebelt, dass eine Altersüberprüfung für den Abschluss eines Vertrages zwingend notwendig ist.
Ein Minderjähriger kann eigentlich nichts in einem Online Shop bestellen. Das hat der Gesetzgeber selber sichergestellt, indem er die Hürden der doppelten Altersüberprüfung eingebaut hat. Üblicherweise werden diese durch ein Pass ID Verfahren oder einer Schufa Abfrage und der Alterssichtprüfung durch den Lieferanten gewährleistet.

Es geht also um die grundsätzliche Interpretation, was der Gesetzgeber denn nun eigentlich gewollt hat.

Als der abgemahnte Händler sich in seiner Verzweiflung an das BfTG gewandt hat, ist der Verband sofort tätig geworden.
Es hat sofort nach entsprechender fachlicher Hilfe gesucht. Und sie gefunden.

Echte koryphäe kontaktiert

Prof. Dr. Marc Liesching
Prof. Dr. Marc Liesching von der Hochschule Leipzig in einem Interview

Dr. jur. Marc Liesching ist Professor für Medienrecht und Medientheorie an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig. Er gehört zu den führenden Köpfen – und Kritikern – im Bereich des Jugendschutzes in Deutschland.

Wer ihn nun aber für einen Querulanten hält liegt falsch. Denn unter anderem gehört Liesching auch zu einem Kompetenzteam, das vor Änderungen entsprechender Gesetze durch die Bundesregierung befragt wird.

Nach unbestätigten Informationen war Liesching auch in die Vorgänge um das neue Jugendschutzgesetz involviert. Denn das wurde ja erst im März des vergangenen Jahres nachgebessert. Erst seit der vorherigen Änderung im Jahr 2016 stehen E-Zigaretten überhaupt im Gesetz.
Er gehört also eher zu den Köpfen hinter eben jenem Gesetze, wegen dem der Verbraucherschutzverein nun einen Händler abmahnt.

Rechtsgutachten übers Wochenende

Rechtsgutachten von Prof. Dr. Liesching
Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Liesching im Auftrag des BfTG liegt vapers.guru vor.

Das BfTG hat Liesching noch am Freitag kontaktiert. Und dieser hat zu dem Vorgang über das Wochenende ein Rechtsgutachten erstellt.
Dieses Gutachten liegt vapers.guru und Simon von Vape Scene Investigation exklusiv vor. (Video unten)

In diesem schnell erstellten und nur acht Seiten langem Gutachten kommt der Professor zu einem sehr eindeutigen Ergebnis.

Es liegt schon kein üblicher, im JuSchuG eingeschränkter Versandhandel vor, wenn „durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt“.
Interessanterweise steht das nämlich wörtlich im gleichen Jugendschutzgesetz. Dort heißt es:

„Versandhandel im Sinne dieses Gesetzes ist jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.“
JuSchuG, § 1, Abs 4

Der genannte Paragraph, auf den der Verbraucherschutzverein in seiner Abmahnung abstellt, trifft also gar nicht zu.
Das schließt dann auch die Argumentation des Vereins aus. Denn der beruft sich darauf, dass schon das Zeigen von Ware gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ein Angebot wäre.
Doch in dieser Definition ist das „Anbieten“ aber eben nicht verboten, weil es kein Versandhandel im Sinne des genannten Paragraphen ist.

Ein Abmahnverein

Bemerkenswert ist, dass der abmahnende Verein das überlesen zu haben scheint. Denn schließlich beschäftigt dieser Verein sich offensichtlich mit kaum etwas anderem, als Betreiber von Internet Seiten abzumahnen.

Gerne genommen sind fehlerhafte oder unvollständige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die üblicherweise kaum ein Kunde liest. Auch angeblich irreführende Werbung oder unvollständige Widerrufsbelehrungen gehören zu den Gründen.
Jeder Fehler lädt den Verein dazu ein, die Verbraucher zu schützen. Ob sie wollen oder nicht.

Fürstenfeldbruck, Sitz der Verbraucherschützer

Der Verbraucherschutzverein wurde bereits 2005 gegründet und firmiert in Fürstenfeldbruck bei München.
Es handelt sich dabei um einen typischen Vertreter derjenigen, die durch solche Abmahnungen eine Einkommensquelle gefunden haben.
Man sollte solche Abmahnungen durchaus ernst nehmen. Denn wie die Internetseite des Vereins zeigt, scheut er sich keineswegs davon, den gerichtlichen Weg zu beschreiten.

Weniger riskant und nachhaltig ist dabei die geforderte Summe für die Abmahnung. Sondern die übliche Unterlassungserklärung, die vielleicht viele aus Unwissenheit unterzeichnen. Denn diese gilt für die unterzeichnende Person für das ganze Leben. Und bei Verstößen kann es dann richtig teuer werden.

Merkwürdige Oberflächlichkeiten

Wenn jedoch nun ein Vertreter der E-Zigarettenbranche abgemahnt wird, liegt die Vermutung nahe, dass hier ein Testballon gestartet wurde.
Noch dazu wo es einen kleinen Händler getroffen hat. Denn die großen Händler der Branche wurden offenbar nicht kontaktiert. Und der viel größere Handel von Tabakwaren, der ebenso durch das Gesetz eingeschränkt ist, wurde offenbar auch nicht angegangen.
Das ist auch dem Verband durchaus bewusst.

Bekannt geworden ist der Vorgang nur dadurch, dass der Vorsitzende des BfTG Dustin Dahlmann dazu auf der Fanpage des Verbandes auf Facebook dazu aufgerufen hat, sich beim Verband zu melden, wenn man eine ähnliche Abmahnung erhalten hat. Unabhängig davon, ob man Mitglied ist oder nicht.
Zusätzlich zu einer internen Mail, die an alle Mitglieder verschickt wurde.

„Wichtig: Bitte wendet euch schnellstmöglich an den BfTG falls ihr auch eine Abmahnung vom VSV erhalten habt. Egal ob ihr BfTG-Mitglied seid oder nicht! Wir müssen unbedingt verhindern, dass der VSV in einem Verfügungsverfahren gegen einen von uns erfolgreich ist.“
Dustin Dahlmann, 14.04.2018

Seit dem standen die Telefone des BfTG nicht mehr still. Denn neben der juristischen Absicherung und der Kommunikation mit den eigenen Anwälten und dem Prof. Dr. Liesching mussten auch viele besorgte Anfragen von Mitgliedern und Händlern beantwortet werden.

Weitere Maßnahmen bereits getroffen

Über diese weitreichenden Aktionen hinaus hat das BfTG weitere Maßnahmen ergriffen.
So wird bzw. wurde bei allen Landgerichten eine so genannte Schutzschrift gegen solche Abmahnungen hinterlegt.

Das bedeutet, dass wann immer eine solche Abmahnung gerichtlich werden sollte, beispielsweise weil ein Händler nicht reagiert, aus Unsicherheit nicht weiß was zu tun ist oder sich keinen Anwalt leisten kann, bereits ein Gegenargument bei Gericht vorliegt.
Ohne weiteres Verfahren müsste das Gericht also automatisiert beide Parteien anhören, es würde in eine mündliche Anhörung gehen.

Der Verband bleibt am Ball

Ob der Verband darüber hinaus Maßnahmen gegen den Verein einleiten wird ist noch nicht klar. In der akuten Situation, bedingt durch die späte Benachrichtigung des BfTG, war nun erst einmal Eile geboten um die akute Bedrohung abzuwenden.

Es bleibt abzuwarten, ob es nun tatsächlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen wird. Das BfTG hat jedoch zugesagt, den Händler weiter zu unterstützen und zu begleiten.

Die Chancen stehen also sehr gut. Nicht nur die Bedrohung akut abzuwenden. Sondern eine Rechtssicherheit für die Händler zu schaffen und damit zumindest ein weiteres der vielen Löcher zu stopfen, die es derzeit leider noch gibt.


Abwendung des Mentholverbotes: https://www.vapers.guru/2017/05/12/mentholverbot-vom-tisch/
Facebook Fanpage BfTG: https://www.facebook.com/bftg.org/
Homepage BfTG: http://www.tabakfreiergenuss.org/

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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