header-advert

Neujahrsansprache

Von sterbenden Subkulturen und alten Feindbildern

Liebe Mitdampferinnen und Mitdampfer,

das Jahr 2018 ist als weiteres, durchaus erfolgreiches Jahr zu Ende gegangen.
header-advert

Das Dampfen hat seine rasante Entwicklung fortgesetzt. Und damit die Branche und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ein Stück weit verändert.

Doch durch diese Veränderungen zeichnet sich eins sehr deutlich ab.
Dem Dampfen steht ein neuer Krieg bevor. Ein Krieg der Argumente, ausgefochten in den Schützengräben der Informationsgesellschaft.

Diesen Krieg kann das Dampfen nur gewinnen, wenn wir Dampfer anfangen umzudenken. Wenn wir das Dampfen neu denken und uns ein Stück weit neu erfinden.

Der Mensch das Rudeltier

Der Mensch ist ein Rudeltier. Und als solches definiert er sich über die Zugehörigkeit zu Gruppen.
Wir sind nicht so individuell, wie wir es uns gerne einreden. Wir suchen den Schutz einer Herde, indem wir uns über diese definieren.

Hunderte Teenie- und Coming-Of-Age-Filme finden damit ihre Zuschauer. Wir sind Sportler und Cheerleader, Nerds und Computer Freaks, wir sind Misfits und Außenseiter.
Doch selbst wenn wir keiner Gruppe angehören, gehören wir damit einer Gruppe an. Das ist die Crux jeder Subkultur, die nach Individualismus und Unabhängigkeit strebt.

Erst wurden Christen im Kolosseum den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen, dann haben sie selber Andersgläubige auf Scheiterhaufen verbrannt.
Der Jugendjargon kredenzt Wortfindungen wie „Ehrenmann“, doch spätestens wenn Dreißigjährige das inflationär nutzen und es von Langenscheidt zum Jugendwort gekürt wird, ist es nicht mehr cool.
Und es gibt keine größere Kontradiktion als eine Hausfrau mit einem Strass besetztem rosa T-Shirt, auf dem „Punk’s not dead“ steht.

Jede Subkultur wird irgendwann einmal Mainstream oder stirbt.
Stirbt sie, so zeichnen die verbliebenen Anhänger sich als Ewiggestrige mit fragwürdigen sozialen Kompetenzen aus. Wird sie Mainstream, so ist es keine Subkultur mehr.
Der Untergang ist der Subkultur inhärent.

Otto Schily hat als Anwalt die RAF verteidigt und war später Minister des Inneren. Kurt Cobain wollte weniger Kommerz und läuft im Radio. Heinrich VIII erfand eine neue Kirche um sich scheiden lassen zu können, ließ seiner neuen Frau abwechselungshalber den Kopf abschlagen und inzwischen ist die anglikanische Kirche weltweit anerkannt.

Subkultur, Rock n‘ Roll und Anderssein beinhaltet zwangsläufig sich immer wieder neu zu erfinden.

Das Dampfen eine Subkultur

In den Anfangsjahren des Dampfens war es naheliegend es für eine Subkultur zu halten. In einer Grassroot Bewegung wurden von Dampfern neue Geräte erdacht, Liquids selber gewonnen und man tauschte sich über mediale Plattformen aus.

Man wollte anders sein als die anderen. Man war eine Gemeinschaft mit den gleichen Interessen. Eine Vorstellung, von der die Internet „Community“ noch heute zehrt.

Man hatte klare Feindbilder. Man definierte sich selber darüber, was man nicht ist.
Man ist kein Raucher, man ist Dampfer. Man ist nicht angepasst. Man ist Selbstversorger.
Die böse Regierung will einem etwas nehmen und die Konzerne auch.

Dort findet sich auch auf einer zweiten Ebene die Crux der Subkultur wieder. Denn Dampfer wollten ja immer mehr werden. Aber dass dies zwangsläufig bedeutet keine Subkultur mehr zu sein wurde ausgeblendet.

Dampfen ist spätestens in dem nun vergangenen Jahr im Mainstream angekommen. Und das erfordert ein Umdenken. Ein Neudenken. Ein sich selber neu erfinden.

Ein Dampfer ist ein Dampfer ist ein Dampfer

Eine spontane Umfrage während eines Live Streams des alterwürdigen SteamTeams ergab Ende Oktober, dass 20% aller Zuschauer noch regelmäßig rauchen.
Wenn das eine Kennzahl der Zuschauer eines alten Dampferformates darstellen sollte, darf man einmal darüber nachdenken, wie viele Dampfer außerhalb der Filterblase öfter zur Kippe greifen.

Erhebungen innerhalb der Branche sind schwer. Es ist aber sicher nicht übertrieben zu schätzen, dass zwischen 60% und 80% aller Konsumenten von Vape Produkten weder ausschließliche Dampfer sind, noch sich innerhalb der Informationsblase online bewegen.

Dampfer sind nicht mehr die Exoten, die sich in Foren austauschen, alle Geräte am Markt kennen und ihre Liquids selber mischen.
Die Krankenschwester, die sich in der Pause mal eben aus ihrem Einsteigerset etwas geruchsneutrales Nikotin reinzieht, ist Dampferin. Der Busfahrer ist Dampfer, wenn er an der Endstation mal eben ein paar Wolken wirft. Der Bankmanager, der mit einem Pod System versucht vom Kettenrauchen wegzukommen, ist Dampfer.

Die Zeiten des elitären Selbstverständnisses sind vorbei.
Die Dampfe zielt auf die breite Masse, der Markt der Hardcore Dampfer nähert sich seiner Deckung. Nur noch getrieben von dem Haben-Will-Virus einiger weniger Freaks.

Was 2017 bereits absehbar war, hat sich 2018 als klarer Trend abgezeichnet. Die Einfachheit ist das kommende Verkaufsargument.
Das Dampferlebnis muss so niederschwellig und zigarettenähnlich sein wie irgend möglich. Pod Systeme werden die bestimmenden Trend Geräte des neuen Jahres sein.
Da wird es schwer, die festgefahrenen Bilder von „echten“ und „unechten“ Dampfern beizubehalten.

Was ist mit den Nutzern, die nun durch die gerade in Deutschland an den Markt gekommene Juul auf das Dampfen umsteigen? Was ist mit den anderen Pod Systemen?
Ganz zu schweigen von der IQOS, die zwar eher an das Rauchen erinnert, aus der aber auch nur Dampf heraus kommt?

Das alte Konzept des Dampfers franzt aus. Es verschwimmt.
Sind nicht alle Dampfer, die den Dampf zur Schadensminimierung nutzen um auf den verbrennbaren Tabak zu verzichten?
Letztendlich war doch genau das die Intention des „Erfinders“ der E-Zigarette, Hon Lik. Und eigentlich war genau das der Wunsch der ersten Dampfer, die sich nächtelang in Foren und auf YouTube herumgetrieben haben.

Alte Feindbilder dienen aus

Für den in einfachen Zusammenhängen denkenden Menschen ist es sehr leicht, sich den Widerstand gegen die E-Zigarette zu erklären. Die alten Feinde waren schnell ausgemacht.

Zum ersten war da natürlich die Pharmaindustrie.
Es ist unbestreitbar, vor allem in Deutschland verdient die Pharmaindustrie an kranken Menschen. Mit gesunden Menschen kann man kein Geld machen.
Die wenigen Milliarden, die mit Nikotinersatzprodukten gemacht werden, gleichen einem Furz im Orkan. Schaut man sich nur einmal die Umsätze aus der Krebsbekämpfung oder der kardiovaskulären Versorgung an.
Natürlich kann den Konzernen nicht daran gelegen sein, wenn plötzlich Millionen potentieller Erkrankter anfangen sich selbst zu therapieren. Doch die Versuche die E-Zigarette in die Apotheken zu verbannen sind in Deutschland bereits 2013 endgültig gescheitert. Spätestens mit der Tabakproduktrichtlinie der EU ist das Thema durch.

Der zweite Feind war die Tabakindustrie.
Das Feindbild hält sich bis heute hartnäckig. Es ist wohl dem Umstand anzurechnen, dass alle Dampfer ehemalige Raucher sind. Und da tut es natürlich psychologisch gut, diejenigen als Feind deklarieren zu können, denen man jahrelang das Geld förmlich hinterher geworfen hat.
Eigenverantwortung räumt man ungerne ein.

Doch auch dieses Feindbild beginnt zu bröckeln.
Die Foundation for a Smoke-Free World veröffentlichte im Oktober mit ihrem Report „Global Trends in Nicotine“ den ersten umfangreichen Bericht weltweit zum Dampfen. Und der offenbarte ganz erstaunliche Zusammenhänge.
Die zehn führenden Hersteller von geschlossenen Systemen sind für etwa 67% des Umsatzes am weltweiten Markt verantwortlich. Und das sind vor allem die Tabakriesen. Die zehn größten Hersteller von offenen Systemen verbuchen nur 26% der Umsätze. Und dazu gehören dann so bekannte Firmen wie Joyetech, Kanger oder IVPS (Smok).

Das bedeutet die Tabakriesen sind bereits großer Bestandteil des Marktes.
Selbst wenn die Umsätze in dieser Sparte für die Konzerne im Vergleich zum traditionellen Tabak gering sind, haben sie doch keinen Grund mehr, gegen das Dampfen vorzugehen. Sie würden sich zwar kein Bein abnagen, aber sie würden sich eventuell einen Markt verbauen.
Das Hauen und Stechen der Tabakgiganten hat längst begonnen. Aber nicht gegen die E-Zigarette an sich, sondern untereinander.

Der Milliardenmarkt Gesundheit

Der neue Feind, der nun vor allem durch die Vorgänge um die FDA und die Juul deutlich ins Rampenlicht des Trauerspiels tritt, ist die Gesundheitslobby.
Interessenvertreter und Elternverbände, Gesundheitsorganisationen und selbsternannte Fachleute für öffentliche Gesundheit.

Das ist häufig schwer zu verstehen.
Denn die beiden alten Feinde Tabak- und Pharma-Lobby hatten einen leicht zu verstehenden Nutzen. Sie hatten eine Motivation, die jedem einleuchtet. Das Geld, den Umsatz, den Schotter und die Moneten.
Bei der Gesundheitslobby ist das nicht ganz so einfach. Denn Ihr Nutzen ist nicht so leicht erkennbar.

Doch zum einen muss man sich vergegenwärtigen, dass es auch dabei um nichts anderes als den schnöden Mammon geht.
Ein Mensch, der sein Leben darauf ausgerichtet hat gegen das Rauchen zu kämpfen, der hat dadurch sein Auskommen. Würde der Tabak von Heute auf Morgen aussterben, müsste er den Weg zum Arbeitsamt suchen. Er ist vom Überleben dessen abhängig, was er vorgibt zu bekämpfen.
Diese kognitive Dissonanz ist kaum aufzuheben.



Es ist psychologisch vollkommen nachvollziehbar, dass ein solcher Mensch auch das Dampfen als Feind erkennt.
Dass dies einen argumentativen Widerspruch enthält fällt dabei, ebenso nachvollziehbar, leicht hinten über. Hatte man zuvor die Gesundheitsschäden des Rauchens bekämpft, ist es plötzlich die Inhalation an sich. Völlig gleichgültig, ob diese ein gesundheitliches Risiko beinhaltet oder nicht.

Und das ist die zweite, für Dampfer schwer verständliche Motivation hinter dem Kampf gegen den Dampf. Die Moral.

Moral wird zur Bevormundung

Wir leben so sicher wie noch nie, so sorgenlos wie noch nie und wir werden so alt wie noch nie.
Verhätschelt von einem Wohlstand, von dem wir als Gesellschaft kaum wissen, wie wir ihn aufrechterhalten sollen. Das schürt Verlustängste.
Die Reaktion unserer Gesellschaft ist das stupide Fortsetzen des alten Programms. Alles muss noch sicherer, noch vorhersehbarer und noch sauberer werden.
Im Gleichschritt stolpert man nicht so leicht.

Wir schränken Diesel Fahrzeuge ein, nur um die produzierten ins Ausland zu verkaufen, die dort die gleiche Umwelt schädigen. Wir gehen blindlinks auf alles los, was unsere eingebildete Sicherheit vermeintlich gefährdet. Von Flüchtlingen bis zu Kinderschändern. Wir verbieten Silvesterfeuerwerk und grillen stattdessen Billigfleisch aus der Massentierhaltung. Wir diskutieren über Kopftücher in Schulen und dem dritten Geschlecht auf Vordrucken, Probleme die nur wenige Menschen in Deutschland betreffen
Die Gesellschaft wird immer paternalistischer. Ob es Sinn macht oder nicht.

In dieser Entwicklung kommen wir in eine moralgetriebene Diskussion. Für die es vollkommen unerheblich ist, ob die E-Zigarette weniger schädlich ist als die Tabak Zigarette. Oder ob man durch das Dampfen andere schädigt.
Ja, es ist sogar unerheblich, ob dadurch Millionen Leben von Rauchern gerettet werden könnten.
Relevant ist für die Dampfgegner lediglich die moralinsaure Vorstellung einer abstinenten Welt.

Argumentiert wird das mit Jugendschutz.
Dabei geht es nicht um eine Aufrechnung, wie viele Raucherleben es wohl wert sind ein Kind vor einer möglichen Abhängigkeit zu schützen. Denn das wird ausgeblendet. Die Raucher müssen ja nur aufhören zu rauchen, für die Folgen sind sie selber verantwortlich. Die Kinder müssen geschützt werden, das ist wichtiger.
Auch dass die Verantwortung der Jugendlichen, die zur ersten Zigarette oder Dampfe greifen, bei Ihnen selber und ihren Eltern liegt, wird ausgeblendet. Man sagt das besser nicht laut.

Das führt dazu, dass Politiker genau so argumentieren. Jugendschutz geht immer wie geschnitten Brot, mit dem Argument des Jugendschutzes bekommt man alles durch.
Wer das nicht erkennt solle einmal als Erwachsener versuchen in Deutschland einen Alko Pop mit einem höheren Alkoholgehalt als abgelaufenem Apfelsaft zu bekommen. Obwohl der Verkauf an Minderjährige schon vor der Einschränkung untersagt war.

Als Vorhut und Handlanger dieses neuen Feindes fungiert dabei die Presse. Adlatus und Erfüllungsgehilfe der Desinformation.
Nicht nur, dass reißerische Überschriften und angstschürende Artikel sich besser verkaufen. Es wird deutlich, dass viele Journalisten und Redakteure tatsächlich selber so ticken wie die neuen alten Apostel der Abstinenz. Zutiefst erfüllt von einem Sendungsbewusstsein der Richtigkeiten.

Deshalb halten inzwischen mehr Menschen als noch vor einigen Jahren die E-Zigarette für mindestens ebenso gefährlich wie die Tabak Zigarette.

Ruhiger wird es nicht

Das Dampfen hat längst Fahrt aufgenommen. Es ist ein Ozeanriese, der durch alle Wellen stampft.
Ruhiger wird es auch 2019 nicht werden. Der sichere Hafen ist noch Jahre entfernt.

Dabei ist keine direkte Gefahr für das Dampfen allgemein mehr absehbar. Zumindest nicht in Europa.
Doch der Informationskrieg hat längst begonnen.
Denn für den weiteren Erfolg der E-Zigarette wird es entscheidend sein, ob wir es schaffen werden, die Dampfe noch besser nach außen zu kommunizieren. Als das, was sie tatsächlich ist:
Ein Substitut, ein Ersatz der viele Menschenleben retten kann.

Natürlich werden die Tabakkonzerne auf geschlossene Systeme setzen, dafür gibt es ausreichend Argumente. Und natürlich kann das dazu führen, dass sie gegen die offenen Systeme ankämpfen.
Natürlich werden die Parma- und Gesundheitslobby auch weiterhin erklären, dass das einzig sinnvolle Ziel die Abstinenz und der einzig sinnvolle Weg die Nutzung von Pharmaprodukten wie Nikotinpflaster und die therapeutische Begleitung sind. Und natürlich werden Politiker ihnen glauben und die Presse das begierig aufgreifen.
Doch dadurch wird der Ozeandampfer sicher nicht mehr zu kentern sein.

Nach wie vor gilt die gleiche Parole. Wir müssen mehr werden.
Wir müssen den Menschen erklären, was das Dampfen ist und wie viel ungefährlicher es ist.
Wir müssen noch stärker als zuvor da raus. Offensiv, proaktiv, selbstbewusst.

Dazu müssen wir uns aber verabschieden von dem alten Bild der Subkultur.
Auch wenn es weh tut.

Ich wünsche allen Dampferinnen und Dampfern ein erfolgreiches, friedliches und vor allem gesundes neues Jahr.
Der Branche wünsche ich die Fortsetzung des bisherigen Erfolges.
Und den Rauchern wünsche ich, dass sie es schaffen vom Tabak wegzukommen. Ob mit oder ohne E-Zigarette.

Denn nur darum geht es am Ende des Tages.

The following two tabs change content below.

Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

Neueste Artikel von Joey Hoffmann (alle ansehen)