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Werbe-Rap feiert Vaping als Life Style

„Jetzt nochmal schnell einen Himbeershot“

  • YouTube Video feiert Vaping als Life Style mit einem Rap Song
  • Es werden sogar Produkte genannt, was gegen die YouTube Regeln verstößt und wohlmöglich gesetzeswidrig ist
  • Das Video erscheint wenige Tage vor einer Gesprächsrunde zum Werbeverbot im Bundesministerium

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Durch eine Stammleserin wurde ich heute Morgen auf ein YouTube Video aufmerksam gemacht, das gestern hochgeladen wurde.
Ein Video zu einem Rap Song mit dem Titel „Vape Club“.

Ich habe ihn mir angeschaut. Ganz sicher kann ich nicht sein, ich gehe aber davon aus, dass mir der Mund offenstand.

Nun hat die Erfahrung mich gelehrt ruhig zu bleiben.
Ein kabarettistisches Gemotze wird zwar von vielen gerne gelesen. Eröffnet aber gleichzeitig Diskussionsräume. Es eröffnet Argumente. Und eh man es sich versieht, ist man in einer Debatte um die Meta Ebene, um das wie und warum.

Also werde ich mich zusammenreißen. Was mir nicht schwer fällt. Denn nach inzwischen vier Wochen ohne freien Tag, mit Nachtschichten und Dauerfeuer bin ich zu müde um mich aufzuregen.

Um darstellen zu können, was ich beim Ansehen dieses Videos gedacht habe, muss ich zumindest einmal die Gesamtsituation schildern. Um einen neuronalen Deutungsrahmen zu setzen, um die Relationen deutlich zu machen.

Angriff auf die E-Zigarette

Seit spätestens vergangenem Jahr laufen die Vorbereitungen in den USA um gegen die E-Zigarette vorzugehen.
Die Aromenverbote sind ausgemachte Sache, Epizentrum dieser Bewegung ist San Francisco.

Wer glaubt, das ginge uns in Europa nichts an, ist schlicht naiv. Ein anderes Wort ist dafür nicht zu verwenden. Ob aus Blödheit oder weil er uninformiert ist, ist dafür unerheblich.
Die jüngsten Änderungen der Gemeinschaftsregeln auf Facebook, Instagram und Facebook sind direktes Resultat dieser Vorgänge.
Unter anderem wurde die Monetarisierung auf YouTube unterbunden, die Videos zu dem Thema werden schlechter ausgespielt. Der Privathandel und sogar der Tausch sind auf Facebook, zu dem auch Instagram gehört, untersagt.

Doch das sind nur die ersten Wellen des Tsunami, die Europa erreichen.
Inzwischen haben wir über 800 gemeldete Lungenerkrankungen und zwölf Tote nach dem Gebrauch von E-Zigaretten in den USA.
Dass diese durch den Konsum von zum größten Teil illegalen THC Liquids verursacht wurden, spielt dafür keine Rolle. Das ist genau das, worauf die Gegner der E-Zigarette seit Jahren gewartet haben.

Der ehemalige Chef der mächtigen FDA, der Zulassungsbehörde Food and Drug Administration, ist im Frühjahr zurückgetreten. Einen neuen Chef gibt es derzeit nicht.
Diese Lücke wurde nun durch den Gesundheitsminister gefüllt, der den Präsidenten Donald Trump informiert hat.
Bundesweit sollen alle Aromen außer Tabakgeschmäcker verboten werden.

Unberührt davon haben Massachusetts und New York den Handel mit E-Zigaretten verboten. Ob dauerhaft ist nicht so klar. Dennoch schließen derzeit die ersten von erwarteten hunderten Shops und Herstellern.

In Indien wurde soeben ein Totalverbot erlassen. Herstellung, Handel, Import und sogar der Konsum von E-Zigaretten wurden unter Strafe gestellt. Die WHO hat Indien zu diesem Schritt gratuliert.
In geleakten Papieren steht zu lesen, was die WHO ihren Mitgliedsstaaten empfehlen wird. Entweder die E-Zigarette weltweit zu verbieten, oder zumindest den Markt kaputt zu regulieren. Von einer Begrenzung der Akkuträger auf 25 Watt, über ein Verbot für den Versandhandel bis zu einer Vervierfachung des Endpreises über Steuern. (Link zum Bericht unten)

In Deutschland gibt es derzeit eine anhaltende Debatte über ein Werbeverbot. Und in Brüssel laufen die ersten Gespräche zur Überarbeitung der TPD2, aus der sich die Regulierungen für E-Zigaretten in ganz Europa ergeben.

Hinzu kommt die EU Richtlinie 2018/1808, die zum September des nächsten Jahres in den Mitgliedsstaaten umgesetzt sein soll. Diese schreibt eine Novellierung der Werberichtlinien vor, was in Deutschland über einen Medienstaatsvertrag geregelt werden soll. Dieser wird den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ersetzen, er wird dann auch für Plattformen wie YouTube gelten.
Nach den ersten Entwürfen ist bereits absehbar, dass dieser dann einen großen Teil von Reviews für E-Zigaretten illegal machen kann.
Es bleibt abzusehen, wie diese Plattformen darauf reagieren und das umsetzen.

Das Nachhaltigste ist aber die sensationsheischende Presse. Die seit Wochen unreflektiert mit „Tote durch E-Zigarette“ und „Mysteriöse Lungenkrankheit durch E-Zigarette“ titelt. Und Aromenverbote zum Jugendschutz, Kritik an der Juul und den Missbrauch mit illegalen und potentiell tödlichen THC Liquids wild durcheinanderwirft.
Die sich daraus ergebende Verunsicherung ist bereits spürbar. Die ersten kleinen Vape Shops berichten von Umsatzrückgängen bis zu 50% und einem Rückgang von umsteigewilligen Rauchern um 70%.

Die E-Zigarette wird stärker angegriffen als jemals zuvor. Weltweit, befeuert durch Millionen aus der Pharmaindustrie. Das Hauptargument ist immer der Jugendschutz.
Und in diese Situation kommt dann der nächste Vape Rap Song.

Joys of Liquids

Unter dem Titel „Nicki Daniels feat. Enjolie – Vape Club (Official Video) (Full HD) RAPARATUR Records“ wurde das Video gestern auf dem Kanal von „Reparatur Records“ veröffentlicht.
Einem Kanal, der offenbar einzig dazu geschaffen ist, einige wenige Videos des Hip Hoppers Nicki Daniels zu veröffentlichen.

Schaut man sich das Video bis zum Outro an, erfährt man, wer wohl dahinter steckt. Falls dem Zuschauer die T-Shirts der im Video sinnfrei herumstehenden Protagonisten nicht aufgefallen sind.
Neben einigen Musikfirmen, oder zumindest Labels, erscheinen als Supporter auch Joys of Liquids, Xeinhalb Vapewear und Vape Nation Germany. Letztere ist offenbar eher eine nicht professionelle Community. Die sich aber scheinbar wiederum von einigen Unternehmen unterstützen lässt, darunter ebenfalls Joys of Liquids.

Joys of Liquids ist gemäß Impressum ein Händler und Hersteller aus Stuttgart, der scheinbar eigene Liquids von anderen abfüllen lässt und als eigenes Branding verkauft. Die Homepage mit angeschlossenem Shop erscheint sehr selbstgemacht und zu Teilen unseriös.

So werden die typischen Nutzer Kommentare verwendet, die bei einigen WordPress Themes als Testimonials vorinstalliert sind. Doch es werden keine Namen genannt, geschweige denn Bilder gezeigt. Die Kommentare kommen angeblich von anonymen „Facebook Usern“.
Man findet bei schneller Übersicht Rechtschreibfehler, Überschriften sind auf Englisch, angeblich habe man sich bereits „auf anderen Märkten etabliert und startet nun in Deutschland durch“.

Alles wirkt so, wie man 2019 ein kleines Unternehmen darstellen würde, um es größer und seriöser erscheinen zu lassen.

„Dampfen macht glücklich“

Hört man nun dem Text des Songs von Nicki Daniels zu, fallen einem zwei Dinge auf.

Zum einen wird das Dampfen als Life Style Produkt argumentiert.
Nun kann man lange darüber streiten, ob das in Zeiten wie diesen sinnvoll ist. Ausgerechnet dann, wenn weltweite Angriffe auf die E-Zigarette mit dem Jugendschutz argumentiert werden, rappt Nicki Daniels Zeilen wie „Jetzt nochmal schnell einen Himbeershot“ oder „Dampfen ist doch mehr als ein Lebensgefühl“.

Auch der Community Gedanke darf in der für Rap typisch lyrischen Bildungssprache nicht zu kurz kommen. Der ganze Song wird eingeleitet mit „Vape Nation Germany; Die Hymne VNG“.
Nicht einmal die übliche Sängerin für die Line fehlt, deren Aufgabe offenbar nur darin besteht durch das Video zu hüpfen und den Satz „Baby lass ma dampfen“ zu wiederholen.

Spannender wird es jedoch, wenn sogar Unternehmen genannt werden.

„Ich brauche noch viel mehr von Joys of Liquids, Big Era und German Liquids.“
Nicki Daniels, Vape Club, Reparatur Records, YouTube

Big Era ist eine Short Fill Reihe von German Liquids. Und das ist wiederum die Hausmarke von Highendsmoke. Der Ladenkette, die inzwischen zu British American Tobacco gehört.


EDIT, 28.09.2019: Durch einen aufmerksamen Leser wurde ich darauf hingewiesen, dass es offenbar mehr als ein „German Liquids“ gibt.
Die Hausmarke von Highendsmoke ist nach meinem Wissensstand keine eigene Firma. Es gab bis mindestens 2017 jedoch noch eine German Liquids GmbH in Bündingen und aktuell noch eine German Liquids int. GmbH in Hagen.
Die Big Era Serie entstammt offenbar der German Liquids int. GmbH. Meine getroffene Aussage ist also falsch.
Da es am Sachverhalt und den anderen von mir getroffenen Aussagen nichts ändert, hatte ich das vernachlässigt.


Das ist nicht anders zu interpretieren als eine Werbeaussage.
Es werden sogar Produkte genannt. Unter anderem Black Pearl.
Es gibt zwar mehrere Liquids unter dem Namen. Doch man darf davon ausgehen, dass damit das offenbar aus Deutschland von dem Branding Nomads Liquids vertriebene gemeint ist. Dieses wird in eher kleinen Online Shops und über Amazon angeboten.
Es gibt zwar einen Instagram Account von Nomads Liquids, doch das Unternehmen besitzt offenbar weder eine eigene Homepage noch ist es über Recherche Tools zu finden. Es bezeichnet sich selbst als Manufaktur.

Ebenfalls genannt wird das Produkt Peach on the Beach. Für das die Stuttgarter Joys of Liquid verantwortlich zeichnen.



Lass ma Fame machen

Ich habe generell ein gespaltenes Verhältnis zu weißen, europäischen Mittelstandskindern, die rappen. Rap ist entstanden aus einer Subkultur und Gesellschaftskritik der schwarzen Wohnviertel der USA.
Das kann man natürlich unter dem Lauf der Zeit abhaken. Aber wenn Grandmaster Flash mitbekommt, dass Stuttgarter einen Werbesong für Liquids rappen, halte ich einen erweiterten Suizid für möglich.
Geschenkt.

Ich kann mir auch gut vorstellen, wie das abgelaufen ist. Von einer Schnappsidee und der verzweifelten Suche nach einer Hymne, über die feuchten Träume damit auf Messen aufzutreten bis zu der Vorstellung zum Star der Vape Community zu werden.
Der Lernerfolg, dass die Rap hörenden, tätowierten und Himbeer Liquid dampfenden Konsumenten nur eine Randgruppe einer Minderheit einer Minderheit sind, wird sicher früher oder später erfolgen.

Doch offenbar wurde überhaupt nicht bedacht, was da eigentlich abläuft.

In einer dramatischen politischen Großwetterlage wird ein Rap Song über Vaping als Life Style auf eine Plattform gesetzt, die gerade erst die Bestimmungen zu allem was mit Dampfen zu tun hat eingeschränkt hat.

Hinzu kommt, dass nicht nur Firmen, sondern konkrete Produkte genannt werden. Ohne dass dies als Werbung gekennzeichnet ist.
Das verstößt nicht nur gegen die Richtlinien von YouTube und kann gemeldet werden, was zur Löschung des Videos oder gar zur Schließung des Kanals führen kann.

Es könnte sogar als Schleichwerbung gewertet werden und damit gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Und die in dem Video genannten Unternehmen könnten von anderen Unternehmen anwaltschaftlich und teuer abgemahnt werden.

Pure Gedankenlosigkeit

In der Zeit der Diskussionen und Panik um die kommende TPD veröffentlichten zwei YouTuber ein Video, in dem sie stolz eine 300mg Nikotinlösung aus China präsentierten. Und erklärten, wo man den geilen Scheiß herbekommt. Der auch damals schon illegal war.
Kurze Zeit später saß ein Vorstandsmitglied des Händlerverbandes BfTG zu einem Gespräch über Jugendschutz bei einer Bundestagsabgeordneten im Büro.
Die Abgeordnete drehte ihren Laptop und darauf zu sehen war das 300mg Video. Dem Vorstandmitglied des Händlerverbandes blieb nur noch der lakonische Kommentar: „Tja, dann können wir das Gespräch jetzt wohl beenden.“

Am kommenden Mittwoch ist das BfTG erneut eingeladen. Diesmal zu einer Gesprächsrunde zum Werbeverbot im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Vielleicht bekommen sie da ja dann das Video von Nicki Daniels gezeigt.

Das ist es, was ich den Machern solcher Videos vorwerfe. Pure Gedankenlosigkeit.
Ein Möchtegern Rapper, der etwas Fame abgreifen und eine Hymne schaffen will. Kleine, zum Teil undurchsichtige Unternehmen, die das aus Werbezwecken finanzieren oder zumindest unterstützen. Und Zuschauer, die das alles ganz toll finden.

Sollen wir noch darüber sprechen, wie Juul Labs gerade in der Luft zerrissen werden, weil sie mit frühen Werbekampagnen an Jugendliche adressiert haben?
Das war gegen das Viedo harmlos.

Mir fehlt inzwischen jegliches Verständnis und jegliche Gnade.
Und Mitleid sowieso.


Die Toten in den USA: https://www.vapers.guru/2019/09/15/update-tote-durch-e-zigarette-in-den-usa/
Krebserregender Stoff in E-Zigaretten: https://www.vapers.guru/2019/09/17/angeblich-krebserregender-stoff-in-e-zigaretten-entdeckt/

Geleakte Dokumente: Angriff der WHO auf die E-Zigarette

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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