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Faktencheck: Kein erhöhtes Covid Risiko durch Dampfen!

Faktencheck bei RTL

Gestern wurde ein Stück aus dem Lehrbuch aufgeführt, wie man Menschen über ein Thema wissenschaftlich desinformieren kann.

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Das passiert inzwischen ständig. Vor allem durch Lobbyisten, die sehr gezielt Aussagen so modellieren, dass die E-Zigarette möglichst schlecht dabei wegkommt.
Es ist tatsächlich eher selten so, dass Medien einfach von sich aus Unfug berichten.
Sie prüfen nur nicht genau nach, was sie veröffentlichen. Und lassen Aussagen von vermeintlichen Fachleuten unwidersprochen stehen.

Der gestern veröffentlichte Podcast von RTL mit dem Titel „Kann man durch E-Zigaretten schneller an Corona erkranken?“ ist ein wunderbares Beispiel, um den Mechanismus dahinter mal wieder zu entknoten.

Wie erkrankt man denn langsamer?

Zunächst kann man den Titel bereits als aus den Fingern gesaugten Unfug eines Redakteurs erkennen. Denn man kann nicht schneller oder langsamer an etwas erkranken.
Es gibt eine so genannte Inkubationszeit, die misst, wie lange es von der eigentlichen Infektion bis zum Ausbruch der Symptome dauert. Also von der Ansteckung bis man krank wird. Diese wird derzeit für Corona mit etwa fünf bis sechs Tagen angenommen. Nach zehn bis 14 Tagen hatten 95 Prozent der Erkrankten Symptome entwickelt.

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, ob Menschen aufgrund irgendwelcher Faktoren über die Variablen hinaus schneller oder langsamer erkranken.
Das ist also in sich bereits eine ziemlich dümmliche Überschrift, die offenbar auf die zugetraute intellektuelle Allgemeinverfassung der RTL Podcast Zuhörer zugeschnitten ist.

Kein Alarmismus, aber Framing

Der 24-minütige Podcast selber war gar nicht so schlimm. Es gibt keinen Anlass, dem „Punkt 12“-Reporter Thorsten Sleegers oder seinem Studiogast, dem Allgemeinmediziner Dr. Peter Fleischhauer, Alarmismus vorzuwerfen.
Der Arzt räumt sogar ein, dass E-Zigaretten weniger schädlich als Tabakzigaretten sind. Soweit sind wir nach zehn Jahren schon mal, es lässt sich nicht mehr leugnen.

Das Framing spielt sich im Kleinen ab, es schleicht sich unbemerkt durch die Hintertür.
Deutlich ist dem Interviewer Sleegers anzumerken, dass er eine Meldung haben will. Das liegt in der Natur der Sache. Sachliche Information hört, liest und guckt kaum einer. Schon gar nicht in einem Podcast von „Punkt 12“.

Und so geht es im ersten Drittel vor allem um die leckeren Aromen von E-Zigaretten. Die beiden schwärmen sogar davon, wie lecker diese waren, als die beiden das einmal in der Praxis von Dr. Fleischhauer ausprobiert haben.
„Kirschen wie vom Baum gepflückt“… na ja. Kirschen vom Baum schmecken irgendwie deutlich anders als die üblichen Weingummi-Kirsch-Aromen. Aber sei’s drum.

Die Frage ist nur, wie sinnvoll es ist, immer wieder das Thema Jugendschutz anzustupsen, wenn man selber mehrere Minuten davon schwärmt, wie lecker das war und dass es Lust auf mehr macht.

Nikotin macht kein Krebs

Man könnte es auch noch gelassen hinnehmen, dass Sleegers das Krebsrisiko mit Nikotin verbindet. Obwohl Nikotin auch nach offiziellem Stand längst nicht mehr als krebsverursachend eingestuft wird.
Wenn ein Reporter sich offenbar häufiger mit einem Thema beschäftigt, könnte man schon so rudimentäre Grundsätzlichkeiten erwarten. Auch geschenkt.

Bedenklich ist dann allerdings, dass der Allgemeinmediziner auf den Zug aufspringt und von Untersuchungen von Nikotin im Bezug auf Langzeitstudien spricht. Das Nikotin in E-Zigaretten ist das gleiche wie in Tabakzigaretten und Nikotinpflastern.

Es ist deshalb insgesamt bedenklich, weil hier sehr gezielt die Botschaft vermittelt wird, dass Aromen Jugendliche ansprechen.
Dieses gebetsmühlenartig wiederholte Argument der Gegner der E-Zigarette ist jedoch eigentlich widerlegt. Durch sehr viele Erhebungen in sehr vielen Ländern. Der Konsum von Nikotin, egal mit welchem Geschmack, geht bei Jugendlichen weiterhin zurück. Mehr noch, Die E-Zigarette scheint das sogar zu beschleunigen.

Das ist vor dem Hintergrund bedenklich, als dass hier ganz unbemerkt ein Politikum angesprochen wird. Denn derzeit arbeiten mehrere EU-Mitgliedsstaaten an einem Verbot von Aromen. Und das Thema soll auch während des derzeitigen Ratsvorsitzes Deutschlands auf den Tisch kommen.

Tatsächlich geht das aber an den Realitäten vorbei. Denn nicht nur, dass Jugendliche nicht übermäßig animiert werden. Viele Raucher geben die Aromen als einen der wichtigsten Gründe an, um auf die deutlich weniger schädliche Alternative zu wechseln.
Würden Aromen verboten, würde man Rauchern eine große Motivation entziehen, ihre Gesundheit zu schützen. Gewinnen würden Tabakkonzerne, die Hersteller von Nikotinersatzprodukten und die Teilnehmer der Gesundheitsindustrie, die Entwöhnungstherapien anbieten.

Vielleicht war das den beiden Gesprächspartnern nicht bewusst. Vielleicht war es gezieltes Framing.

Trommelwirbel: Die Studie

Angeblich, so der Herr Doktor, gäbe es inzwischen Studien, die nahelegen, dass durch die Inhaltsstoffe von Liquids COPD entstehen könnte.
Ein solche Studie ist mir nicht bekannt, erst recht nicht in der Mehrzahl.

Umso deutlicher merkt man dann, was hier betrieben wird, wenn der Arzt eine Studie zitiert, die bereits in der Luft zerrissen wurde. Zumal auch der Redakteur Sleegers, der Germanistik und Geschichte studiert hat, gezielt danach fragt. Überraschend, wie nah die beiden am Nabel der Zeit sind.

Dr. Fleischhauer erklärt, die Universität von Stanford hätte eine Studie herausgegeben, die 4500 Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 untersucht hätte. Diese Aussage ist bereits falsch.

Dabei handelt es sich um die inzwischen so genannte Palo Alto Studie. („Association Between Youth Smoking, Electronic Cigarette Use,and COVID-19“, Link unten) Diese „neue“ Studie wurde bereits Anfang August veröffentlicht.
Dafür wurde aber kein einziger Mensch untersucht. Sondern die Probanden haben an einer Online Befragung teilgenommen. Was schon einmal bedeutet, man muss sich auf deren Aussagen verlassen. Beispielsweise zu Symptomen.

Kernaussage des Studiogastes ist, die Forscher hätten herausgefunden, dass Konsumenten von E-Zigaretten ein siebenfach erhöhtes Risiko haben, an Corona zu erkranken. Dabei erwähnt er natürlich auch die maximalen Folgen, wie künstliche Beatmung und möglichen Tod.
(Nur um da eine Relation zu schaffen: Wir bewegen uns bei den aktuellen Zahlen der unter 25-jährigen im unteren Promille Bereich der Corona Toten.)

Ein Datensalat

Tatsächlich haben die Forscher aber lediglich die absolut „krassesten“ Ergebnisse in die Zusammenfassung geschrieben. Man spricht dabei vom so genannten Cherry Picking. Und der Herr Doktor bauscht das dann für RTL noch weiter auf.

Was tatsächlich bei der Erhebung herausgekommen ist, ist ein Datensalat. Der überhaupt nicht mehr nachvollziehbar ist. Auch nicht für andere Wissenschaftler. Und der auch keinen Sinn ergibt.
Um das zu verstehen, muss man eigentlich keine Statistik studiert haben. Die Studie ist unten im Original verlinkt, wer möchte kann sich also die Arbeit machen und es selber prüfen.

Ich versuche einmal, das zusammenzufassen:

  • Die angegebene Zahl des siebenfach erhöhten Risikos steht in der Zusammenfassung. Das ist aber kein Mittelwert, sondern die höchste der Variablen. (Cherry Picking)
  • Nutzer von E-Zigaretten wurden bis zu 5,8-mal so häufig getestet. Häufigere Tests führen logischerweise zu häufigeren positiven Ergebnissen.
  • Die Zahl der Infektionen lag bei denen niedriger, die irgendwann mal eine E-Zigarette ausprobiert haben (13%), als bei denen, die nie irgendetwas ausprobiert haben (14%). (Quelle: Prof. Dr. Hajek)
  • Die Zahl der Infektionen war bei denen zum Teil mehr als doppelt so hoch, die irgendwann mal eine E-Zigarette probiert haben, als bei denen, die regelmäßig dampfen.

In diesem Datensalat sind so viele Ungereimtheiten und Widersprüche, dass man das alles gar nicht ernst nehmen kann.
Was nicht bedeutet, dass die Wissenschaftler da einen handwerklichen Fehler gemacht haben müssen. Sondern dass, salopp gesagt, die Daten Schrott sind.



Qui bono?

Natürlich wäre das die diplomatischste Annahme.
Da die Studie aber auch von der Regulierungsbehörde FDA in Auftrag bezahlt wurde, könnte man unterstellen, dass hier einfach ein gewünschtes Ergebnis geliefert werden sollte.

Denn in den USA ist die Lobbyarbeit nicht nur von Seiten der Gesundheitsorganisationen massiv. Die mit Millionen der Pharmaindustrie gesponsert werden. Sondern auch durch einzelne Bundesstaaten. Die durch Milliardenverluste aus Einnahmen aus der Tabakindustrie in Bedrängnis kommen.

Daher ist auch bemerkenswert, dass dieser absolute Höchstwert von dem angeblich siebenfachen Risiko in der Zusammenfassung gesprochen wird. Der Mittelwert liegt nämlich weit darunter.
Sondern dass die Forscher in ihrer Schlussfolgerung auch gleich Ratschläge mit auf den Weg geben. Auch gezielt an die FDA zur strengeren Regulierung.

„Corona Risiko reduziert, wenn man regelmäßig dampft“

In unserem RTL Podcast greift der Interviewer sich also ausgerechnet diese Studie heraus. Und der Studiogast erklärt diese auch. Er nimmt nicht nur das verkürzte und keineswegs so eindeutige Ergebnis als gegeben hin. Er behauptet sogar, Harvard hätte 4500 Menschen selber untersucht.

Man muss davon ausgehen, dass Thorsten Sleegers nicht selber auf diese Studie gekommen ist.
Vielleicht hat er selber davon durch andere Medien erfahren, vielleicht wurde ihm das Thema auch durch die Redaktion nahegelegt. Vielleicht wurde der Redaktion diese Studie wiederum durch andere nahegelegt.
Das wäre Spekulation.
Bedenklich ist allerdings, dass ein Arzt sich in ein Studio setzt und eine derartige Studie zitiert. Obwohl er scheinbar nur eine Zusammenfassung gelesen und nicht geprüft hat.

Mit der gleichen Berechtigung, mit der hier ein erhöhtes Risiko sich mit Corona zu infizieren behauptet wird, könnte man auch den Spieß umdrehen. Mit den gleichen Daten kann man behaupten, dass das Corona Risiko reduziert wird, wenn jeder wenigstens einmal an einer E-Zigarette zieht. Oder besser noch regelmäßig dampft.

Und vor allem könnte man auch empfehlen, sich nicht zu häufig testen zu lassen. Denn das steigert das Risiko an Corona zu erkranken enorm.

Die unsinnige Überschrift ist dann nur die letzte Stufe der Eskalation. Die sicher nicht von Thorsten Sleegers selber verfasst wurde. Da hat jemand aus der „Punkt 12“-Redaktion den Beitrag bekommen und sich einen schmissigen Titel ausgedacht, der Klicks bringt.

Was beim Rezipienten hängenbleibt ist jedoch: Forscher haben nachgewiesen, dass E-Zigaretten gefährlich sind und man schneller an Corona stirbt.

Zwei Beispiele für Junk Science

Zum Schluss möchte ich noch kurz zwei Beispiele nennen, die zeigen, dass es recht häufig solche Studien gibt. Bei denen Wissenschaftler Grundlagen vergessen, die Studierende lernen müssen. Und die dann von den Medien ungeprüft weitergegeben werden.

Im Februar dieses Jahres wurde eine Studie aufgrund der Proteste von vielen Wissenschaftlern zurückgezogen. Was wirklich nicht alltäglich ist.
Der bekannte Prof. Dr. Glantz behauptete nachgewiesen zu haben, dass E-Zigaretten das Risiko auf Herzinfarkte dramatisch erhöhen.

Die Daten hatte er aber noch nicht einmal selber erhoben, sondern aus einem jährlichen Survey. Daher waren sie für alle kontrollierbar. Und dabei kam dann heraus, dass viele der angegebenen Herzinfarkte stattgefunden hatten, lange bevor die E-Zigarette überhaupt erfunden war.
Denn Glantz hatte einfach die Zahlen von Dampfern und Nichtrauchern genommen und mit den Zahlen der Leute mit Herzinfarkt abgeglichen. Und siehe da, die Dampfer hatten häufiger Herzinfarkte. (Kein Wunder, haben ja alle lange geraucht.)
Es reichte, damit die Medien auch hierzulande mit dem Herzinfarktrisiko Schlagzeilen machten.

Etwas ganz Ähnliches hatte Prof. Dr. Hanewinkel in Deutschland veranstaltet. Bereits zum zweiten mal.
Für eine Erhebung wurden knapp 7000 Schüler gefragt, ob sie drei Werbungen für E-Zigaretten kennen, die ihnen vorgelegt wurden.
Die Zahl derer, die die Werbung kennen, verglich der Herr Professor dann mit der Zahl derer, die die Werbung nicht kennen. Und wie viele aus beiden Gruppen dampfen. So kam er zu dem Ergebnis, dass das Risiko „um 142 Prozent“ größer wäre, wenn sie durch die Werbung beeinflusst würden. Also etwa 1,4-mal, hört sich aber nicht so dramatisch an.

Die Schüler wurden aber nicht gefragt, ob sie bereits gedampft haben, als sie die Werbung gesehen haben. Denn jedem fällt Werbung natürlich eher auf, wenn er sich eh schon für etwas interessiert. Das ist nicht nur bei E-Zigaretten so.
Jemand der keine Katze hat, wird auch kaum Werbung für Katzenstreu kennen.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte. Denn Hanewinkel hatte so lange für seine Studie gebraucht, dass bei Veröffentlichung längst die Abgabe an Minderjährige und der Großteil der Werbung verboten war.
Den Medien war das aber nicht aufgefallen. Die Pressemitteilung hat ausgereicht, dass Ende 2018 viele Schlagzeilen zur angeblichen Gefahr durch Werbung brachten.


Die Studie im Original (PDF, Guru Server): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2020/10/PaloAltoStudie.pdf
Zum Podcast: https://www.rtl.de/cms/kann-man-durch-e-zigaretten-schneller-an-corona-erkranken-4206576.html

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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