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Sensationelle Rede des Chefs der FDA

Politikwechsel angekündigt

Bereits am Freitag trat der neue Chef der amerikanischen FDA vor die Kameras. Und was er zu sagen hatte, hörte sich bereits nach einer Sensation für das Dampfen in den USA an.
Gestern wurde dann eine Pressemitteilung der FDA veröffentlicht, in der Änderungen angekündigt und mit sofortiger Wirkung umgesetzt wurden. Seitdem knallen in der Branche und bei den US amerikanischen Dampfern die Sektkorken.
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In Europa versuchen eher die Konservativen die E-Zigarette durch Regulierungen in die Schranken zu weisen. Diese Rollenverteilung kehrte sich im vergangenen Jahr bereits in Großbritannien um, da die Konservativen dort der EU und damit ihren Regulierungen ablehnend gegenüberstehen.
In den USA wird dieses Verhältnis vollends umgekehrt. Da die amerikanische Innenpolitik prinzipiell neuen Entwicklungen offener begegnet und das Ideal der freien Marktausübung ein eher konservativ besetzter Wert ist.

Durch die Wahl von Donald Trump wurde auch der Posten des Comissioners der FDA neu besetzt. Und bei aller möglichen Ablehnung gegenüber Trump war das ganz offensichtlich ein Glücksfall für die Vaper.
Er berief Dr. Scott Gottlieb zum neuen Chef, der erwartungsgemäß im Mai vom Senat für dieses Amt bestätigt wurde.

Der neue Comissioner

Scott Gottlieb bei seiner Aussage vor dem Repräsentantenhaus, 2016

Scott Gottlieb ist studierter Arzt. Bereits während des Studiums hatte er Gesundheitsanalysen für eine Investment Bank durchgeführt. Er war bereits von 2005 bis 2007 für die FDA tätig. Damals in der Funktion eines stellvertretenden Comissioners, zuständig für Medizin und Forschung.
Nach den Bombenanschlägen auf das World Trade Center war er zuvor auch als Berater im Weißen Haus, als Teil einer Gruppe von Fachleuten zur Abwehr von biochemischen Angriffen.

In Dampferkreisen war Gottlieb zuvor aufgefallen, da er unter anderem in seiner Funktion als Berater des Gesundheitsministeriums vor dem Repräsentantenhaus und dem Senat zur FDA Regulierung gehört wurde. Und dabei eine sehr liberale Einstellung zur E-Zigarette erkennen ließ.

Die Deeming Rule der FDA

Die Food and Drug Administration in Silver Spring, Maryland

Die FDA ist die Food and Drug Administration der Vereinigten Staaten. Diese Behörde ist für die Regulierung aller Produkte zuständig, welche die Gesundheit der Bevölkerung betreffen könnten. Nicht nur Medizin und Lebensmittel, sondern auch Tabak stehen damit auf ihrer Agenda.
Sie erließ die Regulierung, die in ihrer beschlossenen Form weite Teile des Marktes der E-Zigarette schlicht zerstört hätten. Seriöse Prognosen gingen vom Sterben von 99% aller Hersteller und Händler in den USA aus.

Der sicher entscheidende Faktor dieser so genannten Deeming Rule war die Vorschrift der Premarket Applications. Nach dieser hätte ein Hersteller eines neuen Dampf Produktes dieses weiten Untersuchungen unterziehen müssen, und mit den Ergebnissen dann eine Lizenz bei der FDA beantragen müssen.

Keine Vorgaben für die Lizenz

Gottlieb als Comissioner der FDA bei seiner Rede am vergangenen Freitag

Ein fataler Punkt war dabei aber, dass die FDA überhaupt keine Standards dazu erlassen hat, unter welchen Voraussetzungen ein Produkt diese Lizenz dann erhält. Sie hätte also ohne weitere Begründung einem Hersteller die Lizenz verweigern können.
Dass diese geforderten Untersuchungen dabei sehr teuer gewesen wären, kommt erschwerend hinzu. Fachleute sprachen hier von sechs bis siebenstelligen Kosten pro Produkt. Was wiederum bedeutet hätte, dass der Hersteller eines Liquids dies nicht nur für ein Liquid hätte gewährleisten müssen. Sondern für ein Liquid in allen jeweiligen Nikotinstärken.

Die Rede vor der Presse

Am Freitagmorgen um zehn Uhr trat der neue Commisioner mit einer etwa halbstündigen Rede vor die Presse.

Es gab auch einen enormen Wandel auf dem Markt der Tabakprodukte, seit ich bei der FDA war. Alleine in den wenigen vergangenen Jahren sahen wir das Aufkommen und die Annahme von neuen Produkt Kategorien, die im Stande sein können, Nicotin zu liefern ohne Tabak verbrennen zu müssen.
Scott Gottlieb, Comissioner FDA, 28.07.2017

Das deutete bereits zu Beginn der Rede ein Umdenken an. Denn die FDA hatte in ihrer bisherigen Politik ganz einfach ignoriert, dass Nicotin zur Tabaksucht beiträgt, die oft tödlichen Folgen aber durch die Chemikalien und den Verbrennungsvorgang verursacht werden.
Ein Fakt, auf den der inzwischen verstorbene Suchtforscher Prof. Michael Russel bereits 1976 hingewiesen hatte.

Es gibt zwei Schlüsselfaktoren, die Kern unseres Denkens sein müssen, wenn wir der Entwicklung der abwendbaren Tode durch Tabak begegnen wollen.
Fakt eins: Der überwältigende Anteil von Tod und Krankheit durch Tabak wird verursacht durch die Abhängigkeit von Zigaretten. Abhängigkeit verursacht langfristigen, anhaltenden Gebrauch. Aber die Aussetzung von schädlichen Chemikalien verursacht Krankheit. Zigaretten sind das einzige, legale Konsumprodukt, das bei seinem Gebrauch die Hälfte aller Langzeitkonsumenten tötet.

[…]

Aber das Nicotin in Zigaretten ist nicht direkt verantwortlich für den Krebs, Lungenkrankheiten und Herzerkrankungen, die jedes Jahr hunderttausende Amerikaner töten.
Ja, es hat sie abhängig gemacht und lässt sie langfristig abhängig bleiben. Und es hat die meisten abhängig gemacht, als sie Teenager waren. Aber es sind die anderen chemischen Inhaltsstoffe im Tabak und durch das Anzünden des Tabaks im Rauch, die direkt und primär Krankheit und Tod verursachen. Nicht das Nicotin.

Scott Gottlieb, Comissioner FDA, 28.07.2017

Diese Aussage ist bereits ein deutliches Zeichen, dies wäre ein völliger Paradigmenwechsel.
Scott Gottlieb ist auch der erste Offizielle, der im Rahmen einer solchen öffentlichen Erklärung in den USA sehr deutlich von „Combustible Tobacco Products“, also von „verbrennbaren Tabak Produkten“ spricht.

Alternativen für Erwachsene, die diese wollen

Wir müssen das Potential von Innovationen erkennen, welche zu weniger schädlichen Produkten führt. Welche nach Ansicht der FDA ein Teil der Lösung sein könnten.
Während noch viel Forschungsarbeit bei diesen Produkten und den Risiken die sie darstellen könnten geleistet werden muss, können sie auch Vorteile repräsentieren, die wir erwägen müssen. Die behördliche Forschung wird wahrscheinlich viele dieser Vorteils- und Risiko-Fragen klären.

Gewappnet mit dem Bewusstsein des kontinuierlichen Risikos und der Realität dass alle Straßen wieder zur Zigarette als primäre Ursache der momentanen Probleme zurückführen, müssen wir eine Welt anstreben, in der Zigaretten ihr Abhängigkeitspotential durch reduzierte Nicotin Mengen verliert. Und eine Welt, in der weniger schädliche Alternativen, welche effizient befriedigende Mengen Nicotin liefern, für die Erwachsenen erhältlich sind, die sie benötigen oder wollen.

Daher habe ich heute unser Center for Tobacco Products [Zuständige Abteilung innerhalb der FDA, Anm. d. Red.] angewiesen, einen umfassenden Plan zur Nicotin Regulierung zu entwickeln, basierend auf der Bekämpfung von Zigaretten Abhängigkeit.

[…]

Ich habe das CTP ebenfalls angewiesen, die möglichen zusätzlichen Folgen einer Nicotin Reduzierung zu untersuchen, besonders die Möglichkeiten eines Schwarzmarktes für Produkte mit höheren Nicotin Dosen. Und wir müssen verstehen, welche Rolle neue Formen von Nicotin dabei spielen könnten, diese Nebeneffekte zu reduzieren.

[…]

Unter anderen werden wir Bestimmungen entwickeln, die vorgeben was für eine Zulassung für Ersatzprodukte nötig sein wird, für Tabakprodukte mit geringerem Risiko und den Marktzulassungen für Tabakprodukte. Ob und wie wir Premium Zigarren von Regulationen ausschließen, wie wir möglicherweise Aromen regulieren die in Produkten wie ENDS [Electronic Nicotin Delivery Systems, „Elektronische Nicotin Liefer Geräte“, politischer Fachausdruck für E-Zigaretten] vor allem Jugendliche ansprechen, und ob wir Menthol in Zigaretten und Aromen in Zigarillos verbieten – Faktoren von denen wir wissen, dass sie vor allem die Jugend zum Rauchen bringt.

[…]

Aber, während wir mit diesem Ansatz weiter gehen, müssen wir uns auch die nicht brennbare Seite anschauen. Und deshalb ist es Teil der Aufgabe des CTP Aspekte der Deeming Rule neu zu überdenken. Mit einem Auge auf die Förderung von Innovationen, wo Innovationen einen echten Unterschied in der öffentlichen Gesundheit machen können. Und sicherzustellen, dass wir die grundlegenden Regularien haben, welche wir benötigen, um das ganze Programm langfristig transparent, berechenbar und tragbar zu machen.

Ein Schwerpunkt wird sein, sicherzustellen dass wir eine vernünftige Ansicht zu den ENDS haben. Diese vernünftige Grundlage wird eine Reihe von angemessenen Regeln etablieren. Ein Teil wird die Entwicklung von Regularien sein, die wir bisher nicht haben, da dieses Tabak Programm der Behörde so neu ist.

[…]

Durch dieses Vorgehen hoffe ich auch, dass wir die möglichen Vorteile für Tabak Raucher erkennen, in einem sinnvoll regulierten Markt von Produkten, die es ermöglichen Nicotin bereitzustellen ohne Tabak anzünden zu müssen. Diese voraussichtlichen Vorteil könnte größer für diejenigen Zigarettenraucher sein, die nicht aufhören können oder wollen.

[…]

In einer Welt ohne vorgeschriebene Reduzierung von Nicotin Dosen in Nicht-Verbrennungs-Produkten [„noncombustible products“] sollte unsere lernfähige Vorgehensweise einen Wechsel verursachen, bei dem abhängige Raucher den Pfad des Risikos verlassen und zu diesen weniger schädlichen Produkten wechseln.

Wir müssen sicherstellen, dass wir das Gleichgewicht finden, in dem die FDA ihre Rolle des Konsumentenschutzes erfüllt, während sie Innovationen fördert, die zu potentiell weniger schädlichen Formen von Nicotin Versorgung führt.

[…]

Und drittens, selbst mit unbeantworteten Fragen zu Nutzen und Risiko, gibt es nun verschiedene Technologien Nicotin zu liefern – für jene die es benötigen – die nicht die tödlichen Konsequenzen des Verbrennens von Tabak und dem Inhalieren des entstehenden Rauchs mit sich bringen.

Scott Gottlieb, Comissioner FDA, 28.07.2017

Die anschließende Pressemitteilung

Natürlich lassen politische Aussagen viel Raum für Spekulationen. Gerade Gottliebs Äußerungen zu Aromen können natürlich auch zu negativen Interpretationen verleiten.
Aber in diesem Kontext muss man auch sehr klar herausstellen, dass Gottlieb zwar politisch auftritt, jedoch kein gewählter Politiker ist.
Das wurde unmittelbar am gestrigen Samstag verdeutlicht. Die FDA gab eine Pressemitteilung heraus, welche die sofortige Umsetzungen dieses Politikwechsels bewiesen hat.

Frist sofort verschoben

Alle E-Zigaretten und Liquids hätten gemäß der bisherigen Deeming Rule bis 2018 durch die FDA zertifiziert werden müssen. Diese Frist ist mit sofortiger Wirkung verschoben worden.
Neue Tabak Produkte müssen nun erst bis zum August 2021 diese Lizenz haben.
Und auch hier wurde die Differenzierung direkt umgesetzt. E-Zigaretten haben sogar bis zum Jahr 2022 Zeit, um diese Lizenz zu beantragen. Da der Antrag aber eine eingeräumte Frist von einem Jahr hätte, müsste die Lizenz also erst bis August 2023 erteilt werden.

Heute wird gefeiert

Gregory Conley, Präsident der American Vaping Association

Wer ein wenig verfolgt hat, welche rasante Entwicklung der Markt in den vergangenen fünf Jahren gemacht hat, der wird auch verstehen, dass diese fünf Jahre mehr als eine Galgenfrist sind. Und sicher, vor dem Hintergrund der Äußerungen Gottliebs, auch nicht als Galgenfrist gemeint sind.

In diesen fünf Jahren wird die FDA Zeit haben, sich die Entwicklung und die Forschungsergebnisse genauer anzuschauen.
In der Presseerklärung weist die FDA explizit darauf hin, dass diese verlängerte Frist ausschließlich Zigarren und E-Zigaretten betrifft.

Dies ist in keinem Sinne eine perfekte Lösung. Die Deeming Rule der FDA verbannt nach wie vor jede Innovation vom Markt und kann – ohne umfassende Änderungen des Prozesses der Prüfung vor Veröffentlichung durch die Behörde – zu einem weitreichenden Verbot des Marktes in 2022 führen. Wenn Dr. Gottlieb tatsächlich langfristig Tod und Krankheit reduzieren will, darf diese heutige Erklärung nur der erste Schritt von vielen sein, den Prozess der Regulation der FDA zu reformieren.
Während wir besorgt sind, dass die FDA mit dem Focus auf den Aromen und nicotinreduzierter Zigaretten den falschen Weg beschreiten könnte, werden wir heute feiern und uns morgen daran machen weiter schlechte Politik zu bekämpfen.
Gregory Conley, Präsident der American Vaping Association

Ein unverhoffter Erfolg

Langfristig bleibt sicher abzuwarten, wie die Politik der FDA sich entwickelt. Kurzfristig ist dies jedoch ein unglaublicher Erfolg. Welcher sich zwar angekündigt hat. In dieser Radikalität aber sicher von niemandem erwartet wurde.
Dass E-Zigaretten nun anders bewertet werden ist das Wichtigste, das Befürworter bisher erhoffen konnten. Und die direkte Umsetzung durch die Verschiebung der Frist führt ganz unmittelbar dazu, dass viele Arbeitsplätze dadurch gesichert wurden.

Nicht mehr zu ignorieren

Dies könnte nicht nur Auswirkungen für den bilateralen Markt auch für Europa haben. Denn somit können auch Hersteller und Händler ungezwungener exportieren und importieren. Sehr viele beliebte Liquids im deutschsprachigen Raum stammen aus den USA, und viele Geräte aus dem deutschsprachigen Raum sind in den USA sehr beliebt. Sondern es könnte auch die Politik der WHO nachhaltig beeinflussen.
Die World Health Organisation ist der größte Gegner der E-Zigarette weltweit. Und sie ist zu großen Teilen von den Beiträgen aus den USA abhängig. Die mit ihrem Markt einen Großteil aller Beiträge ausmachen. Darüber hinaus sind die USA auch mit über der Hälfte der freiwilligen Abgaben der größte Geldgeber der WHO.
Den Einfluss durch die USA kann man hier also kaum hoch genug einschätzen.

Hinzu kommt, dass viele europäische Regierungen nach wie vor die E-Zigarette mit Tabak Produkten in einen Topf werfen. Würden die USA hier eine Vorreiterrolle einnehmen, können Politiker weltweit dies nicht mehr länger ignorieren.


Artikel zur beschlossenen Regulierung: https://www.vapers.guru/2016/05/16/99prozent/
Rede von Scott Gottlieb im Original: https://www.fda.gov/NewsEvents/Speeches/ucm569024.htm
Pressmitteilungd er FDA: https://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm568923.htm

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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