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Tabaklobby: Die Geschenke des Herrn Scholz

„…ist eine Einflussnahme der Tabaklobby kaum von der Hand zu weisen.“

Die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage offenbart eine ganze Kette von kleinen Skandalen. Klein genug, um an der öffentlichen Wahrnehmung vorbei zu gehen. Nachhaltig genug, um eine ganze Branche, tausende Arbeitsplätze und eine weit weniger schädliche Alternative zu gefährden.

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Alles erschien ruhig in der Gerüchteküche um eine Besteuerung der E-Zigaretten. Die EU hatte sie für das letzte Quartal dieses Jahrs auf die Agenda gesetzt. Und da im September Bundestagswahlen sein würden, rechnete niemand damit, dass die scheidende Regierung sich dieses Themas auf den letzten Metern noch annehmen würde.

Doch dann veröffentlichte die eGarage am 5. Februar, dass die Steuer nun doch kommen soll. Ein geleakter Referentenentwurf aus dem Finanzministerium zeigte: Man arbeitete bereits seit mindestens Oktober 2020 daran.
Geschnürt war das Paket in einem Tabaksteuermodernisierungsgesetz (TabStMoG).

Es erschien unfassbar, war der Entwurf doch völlig an jedem Gesundheitsaspekt und wissenschaftlichen Erkenntnissen vorbei geschrieben. Die Steuererhöhung für die Tabakzigarette sollte nur sehr moderat ausfallen. Die erstmalige Besteuerung auf Liquids für E-Zigaretten hatte es allerdings in sich.

Ein handelsübliche 10ml Fläschchen Liquid sollte bei einem derzeitigen Preis von etwa 5,- Euro dann etwa 14,- Euro kosten. Ein Preisanstieg von über 140 Prozent.
Doch das war harmlos im Vergleich zu dem, was später verabschiedet werden sollte.

„Erhöhung liegt nicht vor“

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion der Linken auf Initiative des Abgeordneten Niema Movassat vom 21. Dezember 2020 antwortete die Bundesregierung erst am 20. Januar dieses Jahres. (Drucksache 19/26014)
Eine Initiative zur Erhöhung der Tabaksteuer liege derzeit nicht vor.
Doch der zwei Wochen später geleakte Referentenentwurf zeigt, dass zu dem Zeitpunkt seit mindestens einem Viertel Jahr sehr konkret daran gearbeitet wurde. Die Bundesregierung hat also zumindest die Unwahrheit gesagt.

Die Frage nach Kontakten zur Tabakindustrie beantwortete die Regierung mit einer Liste.
Laut dieser Liste hatten im Zeitraum von Februar 2018 bis November 2020 elf Gespräche mit Vertretern von Unternehmen und Interessenverbänden stattgefunden.

Geführt wurden diese Gespräche mit dem verantwortlichen Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, dem Ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), dem Ministerium für Umwelt (BMU), dem Bundeskanzleramt und auch dem Finanzministerium (BMF).

Die Regierung wies darauf hin, dass keine Verpflichtung zur Erfassung solcher Gespräche bestehe. „Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig.“

Eine neue Liste

Die Linken bohrten nach, auch in Fragestunden.
Am 28. April stellten sie dann erneut eine kleine Anfrage. Dieses Mal mit dem Titel „Einflussnahme von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung“.
Beantwortet wurde die Anfrage am 21. Mai. (Drucksache 19/30104)

Inzwischen hatte die Bundesregierung bzw. die Koalition den Gesetzentwurf offiziell eingebracht und zu Stellungnahmen der Verbände eingeladen. Auch Händlerverbände und der Konsumentenverband BVRA gaben eine Einschätzung ab.

Danach gefragt gab die Regierung nun an, dass der Gesetzentwurf infolge der Stellungnahmen „keine inhaltlichen Änderungen erfahren“ hätte. Obwohl alle vom Bereich der E-Zigarette betroffenen den Entwurf ablehnten, inklusive dem Zoll. Der eine Zunahme des Schmuggels befürchtete und in einer anderen Veröffentlichung sogar von einem „Startup für Kriminelle“ sprach.
Da die relevanten Produkte in europäischen Nachbarländern bereits ohne Steuer weit preiswerter zu haben sind, muss mit einer starken Ausweichbewegung der Konsumenten gerechnet werden. Also Schmuggel und Steuerhinterziehung.

Erneut nach den Kontakten zur Tabaklobby gefragt, antwortete die Bundesregierung erneut mit einer Liste. In der jedoch plötzlich nur noch neun Gespräche auftauchten. Davon aber wiederum fünf, die in der Antwort zuvor gar nicht genannt wurden.
Darüber hinaus wurden keine Angaben mehr gemacht, ob eine Erhöhung der Tabaksteuer Thema des Gesprächs war.

Es musste seit 2018 also mindestens 16 Gespräche gegeben habe. Was man aber nur herausfinden konnte, wenn man die Listen beider Antworten miteinander abglich.
Alles nur auf der „Führungsebene“. Wie viele sonstige Gespräche geführt wurden, wird sich nie ermitteln lassen.
Erneut stand darüber: „Diesbezügliche Daten sind somit möglicherweise nicht vollständig.“

Angeblich zähes Ringen um Entwurf

Inzwischen hatte am 17. Mai eine Anhörung des Finanzausschuss stattgefunden. Vier Tage, bevor die zweite Anfrage beantwortet wurde. (Link unten)

Als Sachverständige waren unter anderem Prof. Dr. Storck, ein hoch angesehener Gefäßchirurg, Dr. Tobias Rüther, Leiter der Tabakambulanz der Uni München, Jan Mücke für den Deutschen Zigarettenverband und Dustin Dahlmann für das Bündnis Tabakfreier Genuss eingeladen.

Einzig die von der SPD eingeladene Dr. Ulrike Helbig von der Stiftung Deutsche Krebshilfe, die für das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR) argumentierte, verteidigte den Gesetzentwurf. Selbst die andere Expertin der SPD, Frau Dr. Katrin Schaller vom DKFZ, bemängelte die geplante Steuererhöhung auf Tabakzigaretten als zu gering.

Dazu muss man verstehen, dass die Tabakindustrie große Steuererhöhungen fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Denn dadurch werden die Raucher buchstäblich vor den Kopf gestoßen, eine höhere Absprungrate ist zu erwarten. Bei moderaten Erhöhungen ist dieser psychologische Effekt weniger ausgeprägt. Sogar so viel geringer, dass die Zigarettenhersteller dahinter auch gerne Preiserhöhungen verstecken.
Politiker stellen das dann gerne so dar, dass die Tabakindustrie auch eine Steuer wolle. Tatsächlich wollen sie aber eine möglichst verträgliche Steuer.

In der Folge kam es dann scheinbar zu einem zähen Ringen zwischen den Koalitionspartnern.
Die SPD musste den Entwurf verteidigen, da er aus dem vom Kanzlerkandidaten Olaf Scholz geführten Finanzamt stammte. Diese Rolle übernahmen öffentlich der Abgeordnete Michael Schrodi und der Anti-Tabak-Hardliner Lothar Binding.
Letzterer sieht die E-Zigarette als Produkt der Tabakindustrie und war selber mindestens einmal Vorsitzender des von der Drogenbeauftragten veranstalteten Nichtraucherfrühstücks.

Nach Wochen der Diskussion hinter verschlossenen Türen kam der Entwurf heraus, der dann am 11. Juni beschlossen wurde.



Zwei Arten von E-Zigaretten

Um die Konsequenzen dieses Gesetzes in seiner endgültigen Fassung zu verstehen, muss man sich ein wenig mit der Marktrealität der E-Zigarette auseinandersetzen. Was die Entscheider offenbar nur unzureichend getan haben. Wenn man nicht sogar Absicht unterstellen will.

Der Markt der E-Zigarette besteht zu weiten Teilen aus dem Fachhandel und aus so genannten offenen Systemen. Das zu verdampfende und zu besteuernde Liquid kann nachgefüllt werden.
Diese Produkte werden von kleinen und mittelständigen Unternehmen hergestellt. Die Mehrzahl der E-Zigaretten in China, die Liquids in Deutschland.

Die Tabakproduktrichtline der EU hat die Abgabemenge für nikotinhaltige Liquids aber auf 10ml beschränkt. Seitdem hat sich ein großer Markt von Halbfertigprodukten entwickelt.
Die einzelnen Bestandteile von Liquids sind frei im Handel erhältlich. Es sind vor allem Propylenglykol und Glycerin, die als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen sind.

Die Tabakkonzerne British American Tobacco und Reemtsma bringen jedoch auch E-Zigaretten auf den Markt. Die zwar an jedem Kiosk zu finden sind, im Fachhandel aber keine Rolle spielen. Nach aktueller Marktumfrage höchstens 8 Prozent.

Tabakkonzerne streiten um Marktanteile. Sie wollen die Raucher an ihre Produkte binden. Nur wenige wechseln in ihrem Raucherleben die Marke. Dieses Prinzip versuchen sie auf die E-Zigarette zu übertragen. Mit vorbefüllten Pod Systemen, die nicht vom Konsumenten neu befüllt werden können. Ist das Liquid leer, muss er sich einen neuen Pod der gleichen Marke vom gleichen Hersteller kaufen.

Bereits der erste Entwurf der Steuererhöhung hätte diese Produkte der Tabakgiganten bevorzugt. Da sie im Vergleich weniger Nikotin enthalten, weil die handelsüblichen Größen einfach kleiner sind.
Konsumenten von offenen Systemen kaufen auch mal bis zu 120 Milliliter, in den Pods ist selten mehr als zwei Milliliter enthalten. Das bedeutet, die Handlungshürde zum Kauf der kleinen Pods an der Tankstelle ist niedriger. Und er würde durch eine nikotinbasierte Besteuerung noch niedriger werden.
Es ist zu vergleichen mit dem Unterschied eine Schachtel Zigaretten zu kaufen, oder eine Stange.

Es ist schwer vorstellbar, dass die zuständigen Schreiber des Referentenentwurfs ein solches Wissen um die Marktsituation und die verschiedenen Systeme besaßen. Sind es doch sehr dynamische Rechenvorgänge, die sich häufig nicht einmal eingefleischten Dampfern erschließen.
Nach Gutachten, Studien, Expertisen, Untersuchungen von externen Dritten gefragt, antwortete die Bundesregierung jedoch „Bei der Erarbeitung von Regelungsvorschlägen wird auf die in der Bundesregierung vorhandene Expertise zurückgegriffen.“

Das noch schlimmere Ergebnis

Was nun aber dabei nach angeblich zähem Ringen zwischen SPD und CDU/CSU herausgekommen ist, bedeutet voraussichtlich nichts weniger als das Todesurteil für viele der kleinen Händler und Hersteller. Denn ab dem 01. Juli 2022 sollen nun alle Flüssigkeiten besteuert werden, auch die nikotinfreien.

Dafür wurde der Begriff der „Substitute für Tabakwaren“ im Gesetz eingeführt. Und laut Finanzministerium sollen darunter dann auch die Halbfertigprodukte fallen. Entscheidend dafür sei die Zweckbestimmung, also ob eine Flüssigkeit zum Konsum mit einer E-Zigarette gedacht sei.

In der Praxis bedeutet das, dass ein Vape Shop, der einen Liter Glycerin verkauft, dafür in der letzten Stufe ab 2026 320,- Euro Steuer abzuführen hätte. Für ein Produkt, das es in einer Drogerie oder im Internet nach wie vor für 10 Euro gibt. Und die handelsüblichen 10 ml Fläschchen sollen nun mit 3,20 Euro besteuert werden. Fraglich, wie wenig man in der Materie stehen muss, um das als Verbesserung anzusehen.

Die Produkte der Tabakkonzerne sind erneut fein heraus. Da sie nur zwei Milliliter enthalten, werden sie dann am Kiosk für 64 Cent mehr zu haben sein. Das Prinzip der Kundenbindung und Handlungshürde der Tabakkonzerne greift erneut. Und sogar stärker als beim ersten Entwurf. Denn da voraussichtlich viele Fachhändler und Hersteller die Türen werden schließen müssen, wird somit die unliebsame Konkurrenz der flexiblen und im Vergleich preiswerteren offenen Systeme aus dem Weg geräumt.
Eine ganze Branche mit tausenden Einzelhändlern und Angestellten steht womöglich vor dem Aus.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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