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Offener Brief an MdB Lothar Binding, SPD

Risiken des E-Zigaretten Konsums

Lothar Binding hat auf seiner Homepage am vergangenen Dienstag in der Kategorie „Nichtraucherschutz“ einen kurzen Artikel unter dem Titel „Risiken des E-Zigaretten Konsums“ veröffentlicht. In dem vergleicht er die Risiken der E-Zigarette mit der des Rauchens von Tabak und kommt zu dem Schluss, „Dampfen statt Rauchen“ sei eine vorschnelle Verharmlosung.
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Lothar Binding hat solide Starkstromelektriker gelernt, sein Abitur nachgeholt und Mathematik, Physik und Philosophie studiert. Er ist diplomierter Mathematiker.
Er ist seit 1966 Mitglied der SPD. Derzeit ist er Bundestagsabgeordneter und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion.
Über seine Funktionen hinaus engagiert er sich sehr stark für den Nichtraucherschutz.

Was das Ganze für Dampfer jedoch spannend macht ist, dass er aus Heidelberg stammt, hier lange in der kommunalen SPD tätig war und dort bis heute stark eingebunden ist. In Heidelberg ist auch das DKFZ ansässig, das die E-Zigarette vehement bekämpft und erschreckend ähnlich argumentiert wie Lothar Binding in seinem Artikel.

Verästelungen lassen Informationswege erkennen

Diese kommunalen Verästelungen scheinen auch eine inhaltliche Nähe geschaffen zu haben. Im Dezember 2015 empfing Lothar Binding nicht nur eine Abordnung des DKFZ. Sondern die Stabsstelle Krebsprävention des DKFZ (und Kollaborationsstelle der WHO) hatte unter ihrer bekannten Leiterin Frau Dr. Martina Pötschke-Langer sogar einen Informationsstand auf dem Bundesparteitag der SPD.

Seit mindestens 2015 lädt Lothar Binding regelmäßig zu einem Nichtraucherfrühstück ein. Mit dabei waren unter anderem die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Marlene Mortler, Frau Dr. Schaller vom DKFZ und Frau Dr. Flachsbarth vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das inzwischen auch beispielsweise für die Inhaltsstoffe von Liquids zuständig ist.

An dieser Vernetzung kann man recht schön erkennen, wie Lobbyismus und Einflussnahme tatsächlich hinter den Türen funktionieren.
Nun veröffentlichte Lothar Binding also den Artikel, den Ihr hier gesichert per wayback finden könnt:
https://web.archive.org/web/20170323031534/http://lothar-binding.de/kurz-informiert-e-zigaretten/

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

am 21. März haben Sie auf Ihrer Homepage einen kurzen Artikel zu den Risiken des E-Zigaretten Konsums veröffentlicht.
Da ich selber in diesem Bereich als Autor eines Online Magazins tätig bin, möchte ich mich zu Ihrem Artikel äußern. Denn ich habe die Befürchtung, die von ihnen getroffenen Aussagen könnten von weniger informierten Rezipienten leicht falsch interpretiert werden.

Im Eingangssatz stellen Sie die Behauptung auf, die E-Zigarette fände bei Rauchern Zustimmung. Diese Formulierung scheint den Befürwortern der E-Zigarette eine vereinfachte und egozentrische Motivation zu unterstellen. Oder dass alle Befürworter Raucher oder Konsumenten von E-Zigaretten (richtiger: Dampfer) wären.
Richtig ist jedoch, dass es inzwischen sehr viele Menschen gibt, die die E-Zigarette als vielversprechendes Mittel im Sinne einer Nicotine Replacement Therapie für die öffentliche Gesundheit sehen.

Zu erwähnen wären hier im wissenschaftlichen Bereich sicher Herr Prof. Dr. Mayer, Leiter der Pharmakologie und Toxikologie der Universität Graz, oder Dr. med. Farsalinos von der Universität Patras, der am Onassis Cardiac Surgery Center in Athen forschend tätig ist.
Darüber hinaus hat die Forschungsabteilung von Public Health England unlängst der E-Zigarette ein mindestens 95% geringeres Risiko als der Tabakzigarette bescheinigt. Das international hoch angesehene Royal College of Physicians hat sich im vergangenen Jahr dieser Einschätzung angeschlossen und die britische Regierung aufgefordert die E-Zigarette intensiv zu fördern.
Stellt man die Fachkompetenz dieser Menschen nicht in Frage, muss man folgern, dass es viele Befürworter der E-Zigarette gibt, die nicht selber rauchen oder dampfen.

Diese Befürworter sind aber keineswegs der Meinung, dass die E-Zigarette weniger gefährlich ist, nur weil sie keine Teerprodukte enthält. So wie Sie es dargestellt haben. Denn das würde bedeuten, dass die Tabakzigarette außer Teer und Nikotin keine anderen Stoffe enthält.
Wie Sie aber sicherlich selber wissen sind die Gefahren des Tabaks sehr vielfältig und die Inhaltsstoffe kaum überschaubar. Ein großer Risikofaktor ist hierbei auch, dass der Tabak mit sehr hohen Temperaturen verglimmt wird. Was wiederum zu anderen, chemischen Verbindungen führt, die inhaliert werden. Dieser Vorgang, ebenso wie die anderen Verbindungen wie Formaldehyd und Acrolein, entfallen bei sachgemäßem Gebrauch der E-Zigarette als Risikofaktor ebenfalls.

Im Folgenden sprechen Sie in ihrem Artikel die Suchtproblematik des Nicotins an. Die Schwierigkeit hier beruht aber auf der Tatsache, dass in der Wissenschaft Nicotin traditionell immer nur im Tabak beforscht wurde.
Es ist aber beispielsweise bekannt, dass Tabak auch Monoaminooxidase-Hemmer enthält, die das Abhängigkeitspotential von Nicotin exponentiell steigern. Unabhängig davon, dass die Abhängigkeit immer auch aus anderen Komponenten wie der psychischen Verhaltensabhängigkeit besteht, halte ich es daher für sehr ungenau auf ein Abhängigkeitspotential des Nicotin abzustellen.

Der oben erwähnte Prof. Dr. Mayer hat mehrfach gesagt, dass seiner Meinung nach Nicotin in Abwesenheit von Tabak bisher kein Abhängigkeitspotential nachgewiesen werden konnte. Er war es auch, der die Toxizität von Nicotin beforscht und hier eine Korrektur beispielsweise der letalen Dosis vorgenommen hat. Da diese Attribute von Nicotin offenbar aus der Forschung seit dem 19. Jahrhundert stammten und seither einfach nur ungeprüft wiederholt und übernommen wurden.
Weshalb er im vergangenen Jahr auch als Sachverständiger vor der Verabschiedung des Tabakerzeugnisgesetzes vom zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages gehört wurde.

Das im nächsten Absatz von ihnen erwähnte Anals of Internal Medicine hat erst Ende Januar eine Arbeit des University College London im Auftrag von Cancer Research UK veröffentlicht, die in einer Langzeitstudie in verschiedenen Gruppen nachgewiesen hat, dass Menschen die eine E-Zigarette konsumieren deutlich weniger krebserregende Stoffe im Körper hatten als die Vergleichsgruppe der Tabakraucher.

Eine kurzfristige Wirkung durch eine Nicotin haltige E-Zigarette auf das cardiovaskuläre System ist unstrittig. Dass dies jedoch langfristig der Fall ist, kann zum derzeitigen Forschungsstand nicht geschlussfolgert werden. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein Untersuchungsergebnis des Fachjournal Anals of Internal Medicine hier etwas anderes gezeigt haben könnte. Denn es existiert de facto keine Gruppe von Menschen in einer relevanten Größenordnung, die langfristig Nicotin aus einer E-Zigarette konsumiert haben, ohne zuvor geraucht zu haben. Hat jemand jahrelang Tabak konsumiert und konsumiert nun eine E-Zigarette, können die Folgen nicht eindeutig der E-Zigarette zugeordnet werden.
Ihre Behauptung muss man daher als fragwürdig bezeichnen.

Das Problem der von Ihnen hier bemühten Argumentation ist in meinen Augen aber ein anderes.
Wie sie als Mathematiker wahrscheinlich wissen sagt eine Verhältnisgröße alleine recht wenig über eine reale Risikobewertung aus.
Wenn von eintausend E-Zigaretten Konsumenten nur einer ein über dem Durchschnitt erhöhtes Risiko für eine cardiovaskuläre Erkrankung aufweist, kann man das als eine Erhöhung des Risikos von E-Zigaretten interpretieren. Diese Formulierung lässt für einen unaufmerksamen Leser keinen Rückschluss auf ein tatsächliches Risiko zu. Es ist ihm damit unmöglich eine eigene Risikobewertung anzustellen, legt ihm aber nahe die E-Zigarette als gefährlicher anzunehmen.

Daher halte ich es auch für mindesten fahrlässig, wenn Sie in diesem Argumentationsweg dann Konsumenten von E-Zigaretten auf die gleiche Risikostufe wie Raucher stellen. Obwohl viele wissenschaftliche Untersuchungen inzwischen vollkommen andere Ergebnisse erbracht haben.
Das Risiko mag sich erhöhen. Aber im Verhältnis zu was sagen Sie nicht. Zu Bergluft vielleicht.

Sie fordern die Risiken, welche die E-Zigarette beinhaltet, offen auszusprechen. Da bin ich gerne mit Ihnen einer Meinung.
Noch sinnvoller wäre es allerdings, diese Risiken in ein Verhältnis zu den Risiken des Tabak Konsums zu setzen. Denn nur so ergibt sich ein Bild, dass es den Konsumenten und auch den Entscheidungsträgern ermöglicht, eine sinnvollere Risikoabwägung zu treffen. Nur so wird es möglich sein, einen Nutzen für die öffentliche Gesundheit einschätzen zu können. Und ich denke, genau das ist der Prozess, der gerade in der britischen Wissenschaft, Gesundheitsfürsorge und Politik eingesetzt hat.

Ich hoffe sehr, dass Ihre soziale und kommunale Einbindung in Heidelberg nicht gleichbedeutend mit einer inhaltlichen Nähe zum Deutschen Krebsforschungszentrum bedeutet. Obwohl Ihr Artikel dazu geeignet ist diesen Schluss nahe zu legen. Denn leider hält die dortige Kollaborationsstelle der WHO an der Argumentationsweise fest, dass nur Nichtrauchen besser wäre als zu rauchen.
Wie aber die von der WHO selber geschätzten eine Milliarde Tabaktote in diesem Jahrhundert zeigen, ist es durchaus illusorisch das Nichtrauchen als vielversprechende Alternative für Raucher zu erkennen. (Was ja nicht gleichbedeutend mit einer Einstellung der Bemühungen und des Jugendschutzes sein muss.)
Deshalb ist es auch nicht sehr valide die Risiken des Konsums von E-Zigaretten mit dem Nichtrauchen zu vergleichen. Sondern die realistische Abwägung im Sinne der öffentlichen Gesundheit muss in der Relation zur Tabakzigarette liegen.

Ihre Formulierung, die E-Zigarette sei trotz weniger Schädlichkeit keine vernünftige Alternative, ist vor diesem Hintergrund also mindestens verstörend.
Sicher ist sie keine Alternative für einen Nichtraucher. Noch weniger für einen Jugendlichen. Das wird sowohl von den Konsumenten wie auch aus dem Handel niemand anders bewerten.
Aber bei über fünf Millionen Toten pro Jahr durch die Folgen des Tabaks kann ein vermindertes Risiko durchaus eine um ein vielfaches vernünftigere Alternative sein.

Bei einer Umfrage der Universität Hamburg zum Beginn des vergangenen Jahres gab von über 3200 befragten Konsumenten von E-Zigaretten ein einziger an vorher nicht geraucht zu haben. Die Gateway Drug Theorie, die von vielen völlig unwissenschaftlich ins Feld geführt wird, wird alleine durch begleitende Faktoren wie Geschmack und Preis bereits ad absurdum geführt. Niemand der E-Zigaretten konsumiert wird freiwillig auf teurere und schlechter schmeckende Zigaretten umsteigen. Zumal der daraus abgeleitete Gateway Effekt insgesamt höchstens als populärwissenschaftlich zu bezeichnen ist, da zur Entwicklung einer Abhängigkeit sehr viel mehr Faktoren als der Konsum einer Substanz gehören.

Dr. Farsalinos hat im vergangenen Jahr die Zahlen des Eurobarometer von 2015 wissenschaftlich ausgewertet und festgestellt, dass bis 2014 über sechs Millionen Europäer durch die E-Zigarette aufgehört haben zu rauchen. Neun Millionen gaben an, ihren Tabak Konsum deutlich reduziert zu haben.

Die E-Zigarette gibt es nun seit etwa zehn Jahren. Inzwischen gibt es Millionen von Konsumenten weltweit. Das bedeutet, dass wir inzwischen auf hunderte von Millionen „Dampferjahre“ kommen. Trotzdem sind bisher weltweit keine gesundheitlichen Schäden nachgewiesen worden.
Mehr noch, tausende von Konsumenten berichten, dass ihre Ärzte ihnen eine bessere Gesundheit bescheinigen, seitdem sie zur E-Zigarette gewechselt haben.
Und trotzdem warnen Sie davor „Dampfen statt Rauchen“ zu sagen.

Und das ist die eigentliche Ursache, die mich motiviert hat dieses Schreiben zu verfassen. Denn in den Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens lernt jeder Student, dass es unmöglich ist, etwas zu beweisen was nicht da ist. Man kann keine „Unschädlichkeit“ beweisen. Zumal diese Forderung nach Unschädlichkeit bei andere Genussmittel wie Tabak oder Coffein ebenfalls nicht erhoben wird.
Das verwerfliche an dieser Argumentation ist also, dass sie nicht widerlegt werden kann. So lange, bis eine Schädlichkeit nachgewiesen worden ist. Auch in zwanzig Jahren können Menschen noch behaupten, die E-Zigarette sei nicht ausreichend erforscht. Die gleiche Argumentation könnte man sogar auf Wasser anwenden. Sie ist nicht falsifizierbar.
Und sie können weiterhin darauf beharren, die Risiken der E-Zigarette mit den Risiken von frischer Meeresluft zu vergleichen. Anstatt sie mit Tabakrauch und dessen Folgen in ein sinnstiftendes Verhältnis zu setzen.

Dieser Widerspruch ist jedoch so offensichtlich, dass es schwer fällt, dem so Argumentierenden keine ideologische Anschauung zu unterstellen. Es fällt schwer, Menschen die so argumentieren noch zu glauben, dass sie tatsächlich ein Interesse an einer nachhaltigen Verbesserung der Öffentlichen Gesundheit haben.

Ich muss gestehen, dass ich wenig Hoffnung hege Sie überzeugen zu können. Vor allem, da Sie gemäß anderer Artikel auf Ihrer Homepage mehrfach Mitarbeiterinnen der erwähnten Kollaborationsstelle der WHO vom DKFZ empfangen bzw. getroffen haben. Ihre wiedererkennbare Argumentation lässt erahnen, dass hier ein Informationstransfer stattgefunden hat.
Aber vielleicht konnte ich ja wenigstens Ihr Interesse wecken, für eine andere Argumentation und anderen Fakten zugänglich zu werden.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich dieses Anschreiben veröffentlichen werde. Sollte ich eine Antwort von Ihnen erhalten in der keine ausdrückliche Ablehnung formuliert ist, werde ich diese ebenfalls zur Veröffentlichung frei ansehen.

Mit freundlichen Grüßen

Joey Hoffmann

Das Anschreiben wurde per Email an das Berliner Büro von Lothar Binding übersandt.


Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass ich nichts von Shitstorms und Email Aktionen halte. Sie sind nicht sinnvoll, nerven die Empfänger und sind damit kontraproduktiv. Nicht nur beim Thema Dampfen. Viel hilft nicht viel.

So etwas ist ausdrücklich nicht meine Intention und meiner Meinung nach eher zum Nachteil aller Dampfer.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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