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Menthol Verbot vor dem Aus

Ausschuss rät ab

Das geplante Menthol Verbot in nicotinhaltigen Liquids ist durch den aktuellen Entwurf auf 2020 verschoben worden. Es regt sich aber Widerstand im Bundesrat gegen dieses Verbot. Gestern veröffentlichte der Bundesrat eine entsprechende Empfehlung auf seiner Website.
Um zu verstehen, was da aber tatsächlich abgeht, sollte man sich die Zeit nehmen und sich das ganze einmal in Ruhe anschauen.
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Wenn wir an die Regierung denken, und mal gerade nicht „Danke Merkel“ schreien, denken wir vor allem an den Plenarsaal des Bundestages. Das alleine ist aber eigentlich nicht „die Regierung“. Der Bundestag ist auch viel größer, denn es gibt Ausschüsse und jeder Abgeordnete hat ein Büro mit Mitarbeitern. Das gehört alles dazu.

Wir haben in der Bundesrepublik verschiedene „Verfassungsorgane“, die alle irgendwie irgendetwas zu sagen haben.
Unter anderem haben wir den Bundesrat. Im Grundgesetz (also unserer Verfassung) steht zu seinen Aufgaben:

„Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit.“

Willkommen in der föderalen Republik.

Der Bundesrat

Tagung des Bundesrates

Der Bundestag wird in ganz Deutschland gewählt. Er bestimmt dann die Bundesregierung.
Der Bundesrat setzt sich aber aus den Abgeordneten der Länder zusammen. Und das ist etwas völlig anderes.
Derzeit sitzt für Bayern beispielsweise die CSU im Bundesrat. Nur die CSU. Für Rheinland-Pfalz sitzt auch noch die FDP im Bundesrat, auch wenn sie derzeit gar nicht im Bundestag vertreten ist.

Noch kurioser wird es für Schleswig-Holstein. Für die sitzt der SSW im Bundesrat. Den wird kaum jemand kennen der südlich von Kiel lebt. Denn der spielt auf Bundesebene überhaupt keine Rolle. Hat nie, wird nie.
Das ist nämlich der Südschleswigsche Wählerverband, die Vertretung der kleinen und liebenswerten dänischen Minderheit im hohen Norden unserer Republik. Und der hat im Landtag dort keine prozentuale Hürde zu nehmen. Es sitzen also irgendwie immer ein paar Dänen im Landtag. Und deshalb sitzen sie auch im Bundesrat.
Schleswig-Holstein ist übrigens das Land, wo die weißen Tauben Möwen sind, Regen von der Seite kommt, „Moin Moin“ eine lange Unterhaltung ist und auch mal Kühe oder Scheunentore auf der Autobahn liegen. Nicht wundern. Alles erlebt.

Foto: Bundesrat

Gesetz und Verordnung

Der Bundestag hat nun im vergangenen Jahr das Tabakerzeugnisgesetz erlassen. Da er aber keinen Bock hat, jede kleine Änderung selber zu beschließen, hat er das BMEL damit beauftragt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Und wenn sich jetzt einer fragt, was Ernährung und Bauern mit E-Zigaretten zu tun haben: Das Ding heißt offiziell Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Das BMEL(V) ist zuständig für die Tabakerzeugnisverordnung. Und in der stehen dann auch die verbotenen Inhaltsstoffe.
Damit das BMEL da jetzt aber nicht völlig machtbesoffen rumeskaliert, muss es Änderungen dieser Tabakerzeugnisverordnung durch den Bundesrat absegnen lassen.

Das geplante Menthol Verbot

Prof. Dr. Bernd Mayer, Uni Graz

In der zweiten Änderung dieser Verordnung wollte das BMEL nun Menthol in Liquids verbieten. Daraufhin haben im vergangenen Oktober auch Gespräche mit dem BfTG und anderen Vertretern von Händlern und Konsumenten stattgefunden. [Bericht hier…]
Das BfTG ist zu erwähnen, weil es den bekannten Prof. Dr. Mayer damit beauftragt hatte, eine Stellungnahme zu dem geplanten Verbot zu verfassen.
Hat er auch getan. Er hat dem Ministerium sehr geduldig erläutert, warum dieses geplante Verbot galaktisch dämlich ist.

Das Ministerium hat daraufhin zumindest soweit eingelenkt, und die Frist für dieses geplante Verbot auf 2020 verschoben. Ganz einfach weil Tabakhersteller ebenfalls bis dahin Zeit haben, Menthol Zigaretten vom Markt zu nehmen.

Dieser Entwurf zur Änderung ist nun beim Bundesrat angekommen. Und weil der Bundesrat nicht alles immer und sofort weiß, hat er diesen Entwurf in die Ausschüsse gegeben. Denn der Bundesrat hat genau wie der Bundestag auch noch zu allen möglichen Fachbereichen Ausschüsse, in denen vermeintliche Experten aus den Parteien sitzen.

Und jetzt sind wir beim Stand von gestern angekommen. Eigentlich ganz leicht.

Die Ausschüsse

Und die Ausschüsse so…

Wider Erwarten haben die zuständigen Ausschüsse diese Änderung aber gar nicht einfach abgenickt. Sondern tatsächlich ihren Job gemacht und sich das Ding einmal näher angeschaut. Namentlich waren es der Ausschuss für Wirtschaft und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz.
Und siehe da, sie sind auf das Menthol Verbot bei Liquids gestoßen. Was ja nur eine Änderung von mehreren wäre.
Aber irgendwie ist ihnen aufgefallen, dass das tatsächlich galaktisch dämlich ist.
Und deshalb haben sie dem Bundesrat empfohlen, dieses Verbot nicht umzusetzen.

Die Empfehlung

In der Begründung sind vor allem drei Punkte genannt.
Erstens geht dieses Verbot über die Forderungen der europäischen TPD hinaus. Kein anderes europäisches Land hat dieses Verbot auch nur in Betracht gezogen. Und schließlich hat die Bundesregierung ja gesagt, es werde nur das umgesetzt, was die TPD auch fordert.
Zum zweiten wird das Menthol als Zusatzstoff bei Tabakerzeugnissen verboten. In der TPD und den entsprechenden Regulierungen ist das aber ausdrücklich ausschließlich auf die Tabakprodukte anzuwenden. Deutlich erkennbar daran, dass in der entsprechenden Vorschrift von „Rauchtabakerzeugnissen“ gesprochen wird.
Und zum dritten sei die Begründung, dass Menthol die Inhalation erleichtern würde, ebenfalls galaktische dämlich. Denn es wurde in den Quellen des Ministeriums ausdrücklich davon gesprochen, dass die Inhalation bei einer Nikotinstärke von 24mg erleichtert würde. Die ist aber per Gesetz eh verboten. Bei geringerer Dosierung führt Menthol eher dazu, dass die sensorische Wahrnehmung verstärkt wird. Oder wie Vaper sagen: Das hat damit sogar noch mehr Bums.

„Darüber hinaus überzeugt das Verbot von Menthol in E-Zigaretten auch inhaltlich nicht. Laut Begründung [des BMEL, Anm. d. Red.] „mildert Menthol die reizenden sensorischen Wirkungen von Liquids, die hohe (24 mg/ml) Nikotingehalte aufweisen“. Die zitierten 24 mg/ml liegen über dem gesetzlich zulässigen Höchstwert.
[…] Studien legen nahe, dass bei niedrigeren Nikotinkonzentrationen ein gegenteiliger Effekt eintreten kann und Menthol die sensorischen Wirkungen nikotinhaltiger Liquids nicht abmildert, sondern verstärkt.“

Und da schließt sich auf wundersame Weise der Kreis. Denn vor allem genau diesen letzten Punkt hat Prof. Dr. Bernd Mayer in seiner Stellungnahme an das BMEL herausgestellt.
Der Weg, den das jetzt offenbar (!) in den Ausschuss des Bundesrates gemacht hat, ist nicht ganz nachvollziehbar. Aber die Ähnlichkeit der Argumentation ist so auffällig, dass man davon ausgehen muss, das Papier fand seinen Weg in die richtigen Hände.

So geht Lobby

Es ist verständlich, dass viele immer sehr schnell fragen wofür und warum. Aber Demokratie funktioniert leider nicht so geradlinig. Da muss man auch schon mal einen dicken Arsch haben und aussitzen können. So hat es Angela Merkel bis jetzt auf 12 Jahre Bundeskanzleramt gebracht. Souverän durchgerautet.
Und so funktioniert auch Lobbyarbeit. Viel Arbeit und viel Geduld.

Der Bundesrat tritt am 12. Mai zusammen, um darüber zu entscheiden.
Da es im Bundesrat nicht so sehr um Fraktionstreue wie im Bundestag geht, ist hier nicht zwangsläufig damit zu rechnen, dass die Entscheidung von vornherein fest steht. Mehr noch, es ist sehr wahrscheinlich, dass der Empfehlung der Ausschüsse gefolgt wird.
Und damit wäre das Menthol Verbot endgültig vom Tisch.

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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