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Kampagne Desinfomation: Blei im Urin

Die Geschichte einer gezielten Kampagne

In den letzten Tagen ist eine Welle der negativen Meldungen über E-Zigaretten durch die Medien gerollt. Auffällige Gemeinsamkeiten lassen auf eine gemeinsame Quelle schließen. Sucht man jedoch nach den Ursprüngen, landet man nicht bei neuen Forschungsergebnissen. Sondern bei alten Erkenntnissen, Verdrehungen und Falschmeldungen.
Die Geschichte einer Kampagne der Desinformation.
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Bereits am 14. September titelte das Boulevard Blättchen Bunte „Neue Studien zeigen, wie ungesund die E-Zigarette wirklich ist“. In einem eher ungewöhnlich langen Artikel zählt sie einige Argumente gegen die E-Zigarette auf, die so eigentlich auch schon bekannt sind.

Gemäß einer Studie der California University in L.A. hätten Forscher nachweisen können, dass Dampfen „die Wahrscheinlichkeit für Gefäßerkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht“. Hinzu kam der Hinweis, dass der Dampf auch Potenzstörungen fördert.

„Denn wie Ergebnisse der Medizinischen Universität Wien zeigen, lassen sich im Urin von E-Dampfern Nitrosamine, Formaldehyd und Schwermetalle wie Blei nachweisen. Auch diese Stoffe wirklich allesamt karzinogen.“
bunte.de, 14.09.2017 (Fehler im Original)

Und zum Abschluss wird eine Studie des schwedischen Danderyd Universitätshospitals bemüht, die zeigen konnte, dass nach dem Dampfen von Liquids mit Nicotin eine Versteifung der Arterien und ein Anstieg des Blutdrucks zu verzeichnen war.

Bewegte Bilder dauern länger

Bewegte Bilder dauern etwas länger. Und so ging eine ganze Woche ins Land, bis Focus Online mit einem etwa 80 sekündigen Trailer aufmachte. Das ist ein Richtwert, der der Aufmerksamkeitsspanne eines durchschnittlichen Konsumenten entspricht.

Hier waren bereits erste Anzeichen der argumentativen Eskalation zu bemerken. So hielten Bluthochdruck und Gefäßversteifung in der schwedischen Studie angeblich über mehrere Stunden an. Das wurde an Probanden getestet „die bisher keine E-Zigaretten geraucht hatten“. Eine Gruppe habe Liquids mit Nicotin konsumiert und eine Gruppe ohne Nicotin. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass dies der gleiche Effekt wie bei normalen Zigaretten sei, „wie die Forscher betonen“.

Wortlaut seltsam ähnlich

Diese Ähnlichkeit der Berichterstattung mag hier noch nachvollziehbar erscheinen. Denn sowohl Bunte wie auch der Focus gehören zur Hubert Burda Media Kg. in Offenburg.

Der Pro7 Clip auf der Palttform von taff

Entscheidend für die Beweisführung dürfte aber sein, dass Pro7 in seinem Boulevardmagazin taff bereits einen Tag zuvor einen kurzen Trailer veröffentlichte. Mit annähernd gleichem Inhalt, aber anderem Bildmaterial (Footage).
Auffällig ist, dass hier nicht nur die wörtlich gleichen Formulierungen genutzt wurden. („Gefäßerkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall“) Sondern dass auch die gleiche Abfolge der Argumente (…und Potenzstörungen) und die gleichen Quellen genannt wurden.
Würde ein Redakteur von einem anderen Magazin abschreiben, wär er bemüht, das zu vermeiden. Oder zumindest umzuformulieren.

Gleicher Trailer, andere Sender

Da Pro7 zur gleichen Mediengruppe wie Sat1 gehört, verwundert es auch nicht, dass im Sat1 Morgenmagazin des nächsten Tages genau der gleiche Beitrag veröffentlicht wurde.
Daran haben sich dann wiederum andere Medien gehängt. Entweder durch das Veröffentlichen des gleichen Beitrags, oder durch die schriftliche Umformulierung des gleichen Textes.

Wenn der Konsument nun also den Eindruck hat, hier seien neue wissenschaftliche Erkenntnisse durch alle Medien aufgegriffen worden, ist das verständlich. Aber falsch.
Durch die Gleichheit der Argumentationsfolge, der Quellen, der Dramaturgie (Kommentar am Ende: „Besser erst gar nicht rauchen.“) und den wörtlich gleichen Formulierungen darf man davon ausgehen, dass diese angeblich neuen Erkenntnisse eine identische Quelle hatten.

Gleiche Inhalte, eine Quelle

Die offensichtlich erste Veröffentlichung in deutschsprachigen Medien stammt von der Bunte. Da die Bunte aber sicher keine Wissenschaftsredakteure unterhält, die den ganzen Tag wissenschaftliche Fachjournale durchsuchen, kann man davon ausgehen, dass diese Information von Dritten kam.

Es muss sich hier keineswegs um gekaufte Journalisten handeln. Oder eine Verschwörung. Es gibt Agenturen, die so etwas machen. Und so etwas kann man mit ausreichend Vitamin B und Händeschütteln selber initiieren. Es kostet nur Zeit und Arbeit.
Man muss es lediglich schaffen, sich als Quelle für solche Informationen anzubieten. Das geht auch mit einer entsprechenden Visitenkarte und einem entsprechenden Leumund.

Die Brutkastenlüge

Nayirah vor dem Ausschuss 1990

Um zu verdeutlichen, wie weit so etwas gehen kann, sei noch einmal auf die Brutkastenlüge verwiesen.

Eine junge Frau namens Nayirah hielt 1990 unter Tränen vor einem Komitee des US Kongresses eine Rede. In dieser beschrieb sie, wie irakische Soldaten bei der Invasion Kuwaits Frühchen aus ihren Brutkästen gerissen hätten.
Später kam nicht nur heraus, dass Nayirah die Tochter des kuwaitischen Botschafters und seit Jahren nicht in Kuwait war. Geschweige denn, dass sie in einem Krankenhaus gearbeitet hätte. Sondern auch, dass die kuwaitische Regierung die Scheinorganisation „Bürger für ein freies Kuwait“ gegründet hatte. Und diese Scheinorganisation hatte wiederum die New Yorker PR-Agentur Hill & Knowlton beauftragt, eine Kampagne zu lancieren, um die Bereitschaft der amerikanischen Öffentlichkeit zum Eingreifen in Kuwait zu erhöhen.

Funktion der Medien ausnutzen

Die Medien folgen so einer Story wie ein Bluthund. Nicht auf der Suche nach einer Wahrheit, sondern auf der Suche nach Lesern und Zuschauern.
Und sie hinterfragen nicht mehr. Zumindest der weit überwiegende Teil der Medien. Auch die Brutkastenlüge wurde zwar später von den Medien aufgedeckt. Aber nicht von Boulevardmagazinen.

Da in dieser Kampagne – und man muss es als solche bezeichnen – auf die jeweils gleichen Quellen verwiesen wird, müsste es möglich sein, diese nachzuprüfen.
Zumindest scheint es so. Denn für einen Abgleich auf wissenschaftlichen Niveau sind die Quellenangaben doch etwas dünn. Auch das ist ein Merkmal von Boulevardmagazinen. Es gestaltet sich überraschend schwierig. Eine Anfrage bei zwei Sendern blieb unbeantwortet.

Erste Quelle: Los Angeles

Die erste zitierte Quelle ist eine Studie der „California University in L.A.“ Gemeint sein kann damit nur die University of California in L.A., kurz UCLA.
Das ist durchaus keine Wortklauberei. Denn es macht auch einen Unterschied, ob die University of California in L.A. oder die University of California in Berkeley gemeint ist. Eine solche Wortverdrehung ist schon fahrlässig und einem guten Journalisten unwürdig, eine „California University“ gibt es nicht. Auch dieser markante Fehler findet sich in verschiedenen Beiträgen wieder.

Über diese Studie hatte vapers.guru bereits Anfang Februar dieses Jahres berichtet. Sie stammt aus dem vergangenen Jahr und ist von unabhängigen Wissenschaftlern stark kritisiert, geradezu zerlegt worden. Auch damals wurde sie schon von den deutschsprachigen Medien durchs Dorf getrieben.

Die durchführende David Geffen School der UCLA

Die Kritik bezog sich vor allem auf das völlig unzureichende Design dieser Studie. Beispielsweise gab es dabei überhaupt keine Kontrollgruppe. Man hatte also gar keinen Vergleich um behaupten zu können, der Blutdruck sei „erhöht“. Zudem wurden nur Dampfer getestet, es wurde aber nicht sichergestellt, ob diese eventuell auch Tabak geraucht hätten. Auch Umwelteinflüsse spielten keinerlei Rolle. Weder wurde angegeben, wann die Messungen stattgefunden haben, also ob es sich damit um eine dauerhafte Erhöhung des Blutdrucks handelt, noch wurde eine Dosierung angegeben.
Letztendlich wurde hier also eine alte Studie wieder aufgewärmt, die bereits vor einem dreiviertel Jahr von den Medien aufgebauscht wurde.

Zweite Quelle: Wien

Als zweite Quelle wurde ein Studie der Medizinischen Universität Wien herangezogen. Diese soll bewiesen haben, dass sich im Urin von Dampfern „Nitrosamine, Formaldehyd und Schwermetalle wie Blei nachweisen“ lassen. Auch diese Formulierung findet sich in wörtlicher Form in fast allen Berichten der vergangenen Woche wieder.

Ein Artikel ist keine Studie

Prof. Dr. Shahrokh Shariat bei einem Vortrag 2015

Das Problem dabei ist, dass es diese Studie gar nicht gibt. Auch intensive Recherchen und Nachfragen bei Fachleuten ergaben kein Ergebnis.

Was es allerdings gibt, ist ein Artikel eines Arztes der Medizinischen Universität Wien. Ein Prof. Dr. Shahrokh Shariat, Vorstand der Universitätsklinik für Urologie, lässt sich darin über die angeblichen Gefahren der E-Zigarette aus. Doch dem Artikel unter dem schmissigen Namen „E-Zigarette: Ein Wolf im Schafspelz“ liegt keine eigene Studie zu Grunde. Und auch dieser Artikel ist bereits im Januar dieses Jahres erschienen.
Symptomatisch für seine Stellungnahme ist sicher die Aussage, die E-Zigarette würde die letzten 20 bis 30 Jahre Kampf gegen die Tabaksucht unterminieren.

Beführworterin zitiert

E-Zigaretten Befürworterin Prof. Dr. Linda Bauld (Foto: Universität Stirling)

Als Referenz für diesen Artikel gibt Shariat selber eine Studie unter der Leitung von Liam Burke von der Sheffield Hallam University an. Mitunterzeichnerin ist Prof. Dr. Linda Bauld, über die bereits mehrfach berichtet wurde. Sie ist eine große Verfechterin der E-Zigarette und hat gerade in einer großen Meta Analyse der Universität Stirling nachgewiesen, dass es keinen Gateway Effect gibt.

Und genau hier findet sich die erwähnte Aufzählung der Schadstoffe im Urin wieder, allerdings in leicht abgewandelter Form. Im Original sind es nicht mehr „Nitrosamine, Formaldehyd und Schwermetalle wie Blei“, sondern Nitrosamine, Kohlenwasserstoffe und Schwermetalle. Ohne die Erwähnung von Blei.

Mit Fachkenntnis verdreht

Die Übereinstimmung der Formulierung ist augenscheinlich. Aber hier muss wohl jemand mit etwas Fachkenntnis nachgeholfen haben. Die Kohlenwasserstoffe wurden durch Formaldehyd ersetzt und bei den Schwermetallen wurde extra auf das Blei verwiesen. So kann man alle Stoffe als karzinogen bezeichnen und es hört sich gefährlicher an.
Dass diese Erkenntnis jedoch weder aus Wien stammt, noch in der Studie eine ablehnende Haltung zum Ausdruck kommt, wird unterschlagen.

Mehr noch, es ist eine gezielte Falschaussage. Denn in der Studie steht eindeutig geschrieben:

„Wir fanden zum jetzigen Zeitpunkt keine Studien, die speziell dafür gemacht sind, eine potentielle urologische Schädigung bewerten zu können, auch nicht auf Grundlage von Beobachtungen.“
E-cigarettes and Urologic Health: A Collaborative Review of Toxicology, Epidemiology, and Potential Risks, Liam Bourke et. al., Eropean Urology, 07.01.2017

Geht man also den Quellenangaben der Kampagne nach, so findet man nicht nur klare Falschaussagen. Sondern dass zitierte Quellen sogar das genaue Gegenteil von dem sagen, was in den Beiträgen behauptet wird. Studien, die so etwas beweisen würden, gibt es nicht.

Dritte Quelle: Stockholm

Als dritte Quelle wird ein Studienergebnis von Dr. Magnus Lundbäck vom Danderyd University Hospital, Karolinska Institute, in Stockholm, Schweden benannt. In dem Beitrag des Focus wird die Pressemitteilung dazu auf der Plattform EurekAlert! im Bild gezeigt. Und das ist die einzige Quelle, die aktuell zu sein scheint. Die Erkenntnisse sind es nicht.

Clip auf Focus Online

Für diese Studie wurden 15 Probanden genommen. Diese haben eine halbe Stunde lang E-Zigaretten gedampft.
Im Gegensatz zu einigen Behauptungen in den Medienberichten ist das aber anders durchgeführt worden. Zum einen handelte es sich keineswegs um Nichtraucher. Das wäre ethisch gar nicht vertretbar. Sondern es handelte sich um Raucher, die lediglich noch nie eine E-Zigarette ausprobiert hatten. Und zum zweiten gab es keine Kontrollgruppen. Weder eine Gruppe, die gar nicht gedampft hatte. Noch eine Gruppe, die Liquids ohne Nicotin gedampft hat. Auch das ist eine Falschaussage der Medien. Dieselben Probanden haben an einem Tag Liquids mit Nicotin konsumiert, und am nächsten Tag ohne. Ungenauer geht es wissenschaftlich kaum.

Erwartete Auswirkungen von Nicotin

Dieses Ergebnis ist also gar nicht verwunderlich. Denn die Auswirkungen von Nicotin sind seit Jahren gut dokumentiert. Und erwünscht, denn dafür rauchen und dampfen Konsumenten Nicotin. Dazu hätte es keine neue Studie aus Schweden geben müssen.

Auch hier wird in den Berichten teilweise die Unwahrheit gesagt. Denn angeblich sollen diese Symptome über Stunden angedauert haben (Focus Online). Das ist falsch. Der Autor selber verweist darauf, dass die Symptome völlig identisch mit den Symptomen nach dem Rauchen sind und somit nicht lange andauern. Von einer größeren Gefahr kann also gar nicht gesprochen werden.
Das Nicotin und diese Symptome sind bekanntermaßen das kleinste Übel des Rauchens. Und da sind sich alle Wissenschaftler einig.

Peer-to-peer

EurekAlert! ist kein wissenschaftliches Fachjournal. Sondern eine Plattform, auf der alle möglichen Autoren selber Pressemitteilunge und ähnliches veröffentlichen können. Und diese Pressemitteilung wurde veröffentlicht von der European Lung Foundation.

Pressemitteilung der European Lung Foundation auf EurekAlert!

Spannend ist aber, dass dieser Artikel eingeleitet wird mit „Mailand, Italien“. Auch handelt es sich um eine Pressemitteilung mit Zitaten, nicht um eine wissenschaftliche Studie in einem Fachmagazin.
Was bedeutet, dass diese Studie mit 15 Probanden und alten Erkenntnissen vielleicht durchgeführt wurde. Aber nicht in einem gemäß Wissenschaftsbetrieb ordnungsgemäßen Verfahren in einem peer-to-peer veröffentlicht wurde.

Üblicherweise werden Studienergebnisse in Fachjournalen veröffentlicht und der Kritik anderer Wissenschaftler ausgesetzt. Es ist zwar üblich, das man auch Vorträge über Studien hält, die das nicht durchlaufen haben. Aber dieses peer-to-peer Verfahren ist eigentlich das Gesellenstück einer Studie, um wissenschaftlich überhaupt anerkannt zu werden.
Mit einer Teilnehmerzahl von 15 Probanden die vorher geraucht haben und ohne Kontrollgruppe würde diese Studie wissenschaftlich abgewatscht werden und Dr. Lundbäck würde kein Bein mehr auf den Boden bekommen.

Vortrag auf einem Kongress

ERS International Congress 2017 in Mailand

Der Verweis auf Mailand erklärt sich dadurch, dass Dr. Lundbäck diese Ergebnisse lediglich am 10. September auf dem ERS International Congress 2017 in Mailand vorgestellt hat. Das ist eine Art Messe von Ärzten und Pharma Mitarbeitern, bei der auch Vorträge gehalten werden.
Und die Pressemitteilung des Kongresses wurde für EurekAlert! von der Lung Foundation einfach abgeschrieben.

Betrachtet man einmal das Programmheft des Kongresses genauer, wird man schnell auf Interessantes stoßen. Als Hauptsponsoren dieser großen Veranstaltung sind GlaxoSmithKline und Novartis genannt. GlaxoSmithKline mit Sitz in London hat sogar einen Preis für Forschungsarbeiten ausgelobt. In Höhe von 50.000$.

Beide Pharmariesen gehören zu den großen drei Verdienern am Nicotin Ersatz. Dazu zählen Johnson & Johnson mit den Nicorette Produkten, Novartis mit Nicotinell und GlaxoSmithKline mit Niquitin.

Bilanz: Alte Erkenntnisse aufgewärmt und „gewürzt“

Entwirrt man diesen Knoten, dann bleibt als Bilanz wenig bis nichts.
Es bleibt eine alte Studie aus den USA, die bereits verrissen wurde und die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt.
Es bleibt eine Studie aus Wien, die es nie gegeben hat. Dafür aber einen älteren, tendenziösen und subjektiven Artikel, der sich wiederum auf Aussagen von Befürwortern der E-Zigarette beruft. Die noch dazu selektiv und verfälscht widergegeben werden.
Und dann gibt es einen Vortrag über Ergebnisse die so nie veröffentlicht wurden, gehalten auf einem Kongress der von Herstellern von Nikotinersatzprodukten gesponsert wurde.

Es muss eine Quelle geben

Die Formulierungen deuten sehr darauf hin, dass die Medien ihre Beiträge weder selber recherchiert noch die Quellen geprüft haben.
Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Boulevardmedien wissenschaftliche Redakteure beschäftigen, die sich durch eine wahre Flut von Informationen kämpfen, um dann für einen Beitrag die gleichen drei Quellen zu finden. In gleicher Abfolge mit teilweise gleichem Wortlaut.

Berichte zur Pressemeldung (hier: CTV News aus Kanada)

Ein Gegenbeweis findet sich in den englischsprachigen Medien. Auch dort wurde die aktuelle Pressemitteilung auf EurekAlert! und durch den Mailänder Kongress rezipiert. Das geschah aber eher unter „Ferner liefen“ und bereits Tage zuvor. In so bekannten Medien wie der The Economic Times, der West Sussex County Times oder der Quad City Times. Was dem Nachrichtenwert der Meldung durchaus angemessener erscheint. Und ohne Verweise auf die UCLA und die Uni Wien.
Auch das erhärtet die Vermutung, dass im deutschsprachigen Raum ganz gezielt eine Information gestreut worden sein muss.

Irgendjemand mit entsprechendem Fachwissen und einer Übersicht über die letzten angeblichen Studienergebnisse muss zwischen dem 10. und dem 14. September diese Meldung genommen und umgearbeitet haben. Und dies dann den Medien zugespielt haben.
Offenbar brauchten die Medien dann eine weitere Woche, um das ganze weiter aufzuarbeiten und breiter zu veröffentlichen.

Keine Pressemitteilung zu finden

Scheinbar hat es dazu aber keine entsprechende Pressemitteilung gegeben. Zumindest ist auf den offenen Kanälen nichts zu finden. Wahrscheinlicher ist, dass eine entsprechende Mail von einem den Medien als glaubwürdig erscheinenden Absender an einen Presseverteiler geschickt wurde. Da die Medien solche Quellen nicht preisgeben, ist das schwer nachzuweisen.

Schaut man aber unter einer Invers Suche, dann stellt man fest, dass genau an dem Tag der ersten Veröffentlichung durch die Bunte auch die bekannte Gegnerin der E-Zigaretten Martina Pötschke-Langer der gleichen Bunte ein Interview zu den Gefahren von E-Zigaretten und Heat-not-burn Produkten gegeben hat.
Dank der Zeitangaben der Bunte kann man sogar nachvollziehen: Keine drei Stunden nach der Veröffentlichung des oben erwähnten ersten Artikels wurde Martina Pötschke-Langer befragt. Oder zumindest der Artikel dazu veröffentlicht.

Die gleiche bemerkenswerte Pause

Genau wie sich einige Medien dann an die Veröffentlichung der L.A.-Wien-Stockholm Argumentation gehängt haben, haben sich andere an dieses Thema gehängt. Was in der Öffentlichkeit aber recht unbemerkt bliebt.
Auch zum zweiten Zeitpunkt der Veröffentlichung um den 21. September herum wurde diese wieder aufgegriffen. Unter anderem veröffentlichten die Stuttgarter Allgemeine und Die Rheinpfalz einen fast wortgetreuen Artikel mit identischen Zitaten. Was sehr nahelegt, dass hier auch beim ersten mal kein persönliches Interview stattgefunden hat, sondern eine E-Mail mit entsprechend zu veröffentlichendem Text gesendet wurde. Ein Abschreiben des ersten Artikels ist nach einer Woche kaum vorstellbar.

Dr. Martina Pötschke-Langer

Pötschke-Langer vor dem Bundestagsausschuss 2016

Frau Dr. Martina Pötschke-Langer ist vielen älteren Dampfern als die stärkste E-Zigaretten Gegnerin in Deutschland bekannt. Sie hat nicht nur vor der Verabschiedung des Tabakerzeugnisgesetzes vor dem Ausschuss des Bundestages nachweißlich Falschaussagen getätigt. Sondern sie war es auch, die bei der Nicotin Konferenz des DKFZ in Heidelberg die Universität von Hamburg der Falschaussage bezichtigt hat, indem sie etwas von Bezahlkommandos von Dampfern erzählte. Was sie anschließend bestritt, aber durch einen heimlichen Mitschnitt bewiesen werden konnte.

Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnis Nichtrauchen

Lange firmierte Pötschke-Langer als Leiterin der Kollaborationsstelle mit der WHO beim DKFZ in Heidelberg. Nach ihrer „Rente“ ist sie aber inzwischen Vorstandsvorsitzende des europaweit vernetzten Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR).
Sie ist auch „Wissenschaftliches Mitglied“ des WAT, des „Wissenschaftlichen Aktionskreis Tabakentwöhnung e. V.“ Obwohl sie nicht wissenschaftlich tätig ist. Auf Wikipedia wird sie inzwischen gar als „Gesundheitspolitikerin“ bezeichnet.

Nach umfassenden Recherchen der Süddeutschen Zeitung wurde der WAT durch die PR-Agentur Klinksiek initiiert, die wiederum durch Novartis Consumer Health beauftragt wurde. Und den Hersteller von Nicotinersatzprodukten Novartis findet man interessanterweise auch als einen der Hauptsponsoren des erwähnten Kongresses in Mailand wieder, auf dem die angeblich neuen Erkenntnisse aus Schweden vorgestellt wurden.

Bemerkenswerte Zufälle

Wir haben es hier mit einer sehr spannenden Verkettung von Zufällen zu tun.
Zunächst macht die Bunte mit einem Artikel auf, der mit diesem Fachwissen eigentlich nicht von der Bunte stammen kann. Denn nicht nur, dass es gar keinen aktuellen Grund zur Veröffentlichung gab. Immerhin stammten zwei von drei Quellen aus dem vergangenen Jahr und waren seit spätestens Januar öffentlich und zum Teil diskreditiert. Die dritte angebliche Studie war lediglich ein Vortrag in Mailand und nicht dem üblichen peer-to-peer Verfahren ausgesetzt.
Das ist nichts, was ein normaler Redakteur mal eben recherchiert. Und mehrere Redakteure von verschiedenen Medien noch weniger.

Am gleichen Tag veröffentlicht das gleiche Medium einen Artikel mit Zitaten von Frau Dr. Pötschke-Langer zu Heat-not-burn Produkten. Die zuvor sehr lange nichts von sich hat hören lassen.
Nach etwa einer Woche tauchen weitere Berichte in den Medien auf. Mit fast wortgleichem Inhalt, der Angabe der gleichen, unkorrekten Quellen und den oftmals identischem Wortlaut.
Und ganz zufällig tauchen auch am gleichen Tag wieder die gleichen Berichte mit Frau Dr. Pötschke-Langer in anderen Medien auf. Nachdem zwischenzeitlich sieben Tage nichts weiter passiert ist.

Der zeitliche Ablauf in der Übersicht. Volle Auflösung (PDF) bei Klick.

Ockhams Rasiermesser

Schon vor 700 Jahren formulierte der Mönch und Philosoph Wilhelm von Ockham seine als „Ockhams Rasiermesser“ bekannte These: Bei mehreren möglichen Erklärungen ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.

Was bleibt ist eine weitgestreute Kampagne, die dazu geeignet ist, die E-Zigarette zu schädigen und die öffentliche Meinung über das Dampfen zu beeinflussen.
Keine der beteiligten Medien wird einsehen, dass sie sich damit mitschuldig gemacht haben, wenn ein weiterer Mensch an den Folgen des Tabaks stirbt. Mitschuldig, weil er nicht wahrheitsgemäß über die weit geringeren Risiken des Dampfens aufgeklärt wurde.
Und denjenigen, der diese Meldung gestreut hat, wird kein schlechtes Gewissen plagen. Denn er vertritt die Auffassung. lieber Menschenleben zu gefährden als aufzuklären. Er glaubt daran.
Sei es eine selbsternannte Gesundheitsorganisation, die tatsächlich glaubt durch ihre moralisch eingegebene Quit-or-die-Mentalität mehr zu erreichen und das Leben von Menschen in Kauf zu nehmen. Oder weil diesen Menschen, genau wie den Mitarbeitern der Pharma Industrie, der eigene Benefit wichtiger ist.

Es gibt genug Leute, die lange Jahre in den Kampf gegen den Tabak investiert haben. Und denen bricht etwas weg, wenn es auf einmal eine weit günstigere, risikoärmere und effektivere Methode gibt. Die E-Zigarette.

Doch die Wahrheit wird kommen. Die kann niemand aufhalten.


Bericht der Süddeutschen (2016): http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/tabakentwoehnung-wie-die-e-zigarette-ausgebremst-wird-1.2988462
Artikel zum WAT: https://www.vapers.guru/2016/05/23/pressemitteilungzigarettenverband/
Artikel zur Falschaussage Pötschke-Langers (mit Audio Beweis): https://www.vapers.guru/2016/02/14/eiskalt-gelogen/
Artikel zur Studie der UCLA: https://www.vapers.guru/2017/02/05/neue-studie-weist-e-zigarette-angeblich-herzrisiko-nach/
Studie der UCLA (Abstract): https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/article-abstract/2600166
Artikel Shariat: http://www.europeanurology.com/article/S0302-2838(17)30021-0/fulltext
Abstract der Quelle: http://www.europeanurology.com/article/S0302-2838(16)30926-5/abstract
Pressemeldung auf ErekAlert!: https://www.eurekalert.org/pub_releases/2017-09/elf-elt090817.php

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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