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Drogenbeauftragte warnt vor E-Zigarette

Man kann auch alles schlecht reden

Gestern wurde der Drogenbericht der Bundesregierung veröffentlich. Die mediale Reaktion spiegelte nicht wirklich das, was dort drin steht.
Denn der Bericht ist für die Dampfe sogar überraschend positiv.
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Jedes Jahr im Herbst wird der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung veröffentlicht.
Genauer der Drogenbeauftragten.
Die derzeitige Beauftragte ist Marlene Mortler. Ursprünglich ist die CSU Abgeordnete gelernte Bäuerin, was sie nicht unbedingt als Drogenbeauftragte qualifiziert.

Doch die Drogenbeauftragte ist sicher nur in kleinen Teilen für den Inhalt des Drogenberichts verantwortlich.
Immer spiegelt er zusammengetragene Fakten, aber auch eine gesellschaftliche Diskussion und letztendlich einen politischen Kurs wieder.
Und unter diesem Gesichtspunkt sollte man ihn auch lesen können.

Viele Medien griffen das Thema E-Zigaretten im Anschluss an die Bundespressekonferenz auf.
Was bemerkenswert ist, denn lediglich eine halbe Seite und ein Absatz des Berichtes beschäftigen sich mit dem Dampfen, untermauert von einer Doppelseite Grafiken. Und das in einem Bericht der immerhin 221 Seiten umfasst.

Einige Medien titelten, die Drogenbeauftragte würde vor E-Zigaretten warnen.
Dabei steht das so eindeutig gar nicht in dem Bericht.
Um diese Diskrepanz aufzuzeigen ist es vielleicht hilfreich, die positiven und negativen Aussagen des Berichts gegenüber zu stellen. Es sind nicht viele.

Der Drogen- und Suchtbericht 2018

Contra

Das Aerosol von E-Zigaretten besteht aus feinen und ultrafeinen Flüssigkeitspartikeln aus Propylenglykol und/oder Glyzerin, Aromen und zumeist dem Suchtstoff Nikotin.
Daneben kann es in Abhängigkeit von der Art der E-Zigarette, deren Leistung, dem verwendeten Liquid sowie dem Nutzerverhalten weitere schädliche Substanzen wie Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein, reaktive Sauerstoffverbindungen und Metalle enthalten.

Pro

Während die Nikotinaufnahme der der klassischen Zigarette entsprechen kann, liegt die Konzentration der weiteren Schadstoffe im E-Zigarettenaerosol bei sachgemäßem Gebrauch allerdings deutlich unter dem Rauch der konventionellen Zigarette.

Contra

In Einzelfällen kann sie unter bestimmten Nutzungsbedingungen allerdings auch gleich oder sogar höher ausfallen.

Pro

Weniger Tabak zu rauchen oder ganz damit aufzuhören sind wichtige Gründe für den Konsum von E-Zigaretten. Auch wenn noch keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung vorliegt, ist sie in der Praxis die am häufigsten eingesetzte Methode zur Unterstützung der Tabakentwöhnung.

Pro

Der Anteil der ehemaligen Raucher, die erklären, mit dem Einsatz von E-Zigaretten mit dem Rauchen aufgehört haben, stieg von 0,2 % im Jahr 2014 auf 1,8 % im Jahr 2017 an (DKFZ, 2018).

Contra

Erste Beobachtungen am Menschen sowie Tier- und Zellversuche deuten darauf hin, dass E-Zigarettenaerosol im Körper oxidativen Stress erhöht, entzündliche Reaktionen in der Lunge hervorrufen und für Zellen giftig sein kann. Außerdem kann es die Zellvermehrung, die Zellfunktion und die Immunabwehr beeinträchtigen und das Erbgut schädigen.

Pro

All diese Wirkungen sind in der Regel im Vergleich zu Zigarettenrauch allerdings weniger stark ausgeprägt.

Pro

Mögliche langfristige gesundheitliche Auswirkungen des E-Zigarettenkonsums wurden bislang nicht untersucht. Es ist aber davon auszugehen, dass E-Zigaretten aufgrund der deutlich geringeren Schadstoffmenge im Aerosol im Vergleich zu Rauchtabak weniger schädlich sind.

Das war schon alles. Es wurden lediglich allgemeine Feststellungen weggelassen.
Der volle Bericht ist unten verlinkt, der kurze Abschnitt zur E-Zigarette findet sich auf den Seiten 45 bis 50.

Eher durchwachsen bis positiv

Natürlich sind in den Sätzen wieder die ewig gleichen Legenden eingewebt, die in der Diskussion um die E-Zigarette immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt werden.

Drogenbericht
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung auf der Pressekonferenz.

Zunächst ist er da wieder, der „Suchtstoff Nikotin“. Obwohl die Suchtwirkung in Abwesenheit von Tabak nie wissenschaftlich nachgewiesen wurde.
Und da ist es auch wieder, das Dreigestirn der Dampfgegner. Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein.
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn klar gestellt würde, dass diese eigentlich nur im relevanten Maß auftreten, wenn eine E-Zigarette falsch genutzt wird und ein so genanntes Kokeln (der Abriss des Liquid Nachflusses) vorliegt. Aber vielleicht sollte man nicht zu viel auf einmal erwarten.

Natürlich darf auch der oxidative Stress nicht fehlen, die DNA Veränderung und die entzündlichen Reaktionen. Es wäre wünschenswert, auch das einmal in den richtigen Relationen erwähnt zu sehen.

Positives wird leicht überlesen

Aber der aufmerksame Leser wird genau diese Relationen finden. Denn tatsächlich wird ganze dreimal darauf hingewiesen, dass diese möglichen Schädlichkeiten „deutlich“ unter denen der Tabakzigarette liegen.

Mehr noch. Die E-Zigarette wird als die „in der Praxis die am häufigsten eingesetzte Methode zur Unterstützung der Tabakentwöhnung“ bezeichnet. Eine Formulierung von der Dampfbefürworter noch im letzten Jahr nur hätten träumen können.

Es wird gar der ehemalige Erzfeind des Dampfens, das DKFZ zitiert. Mit der Feststellung, dass die Anzahl der Raucher, die mit der E-Zigarette mit dem Rauchen aufgehört haben von 0,2 % im Jahr 2014 auf 1,8 % im Jahr 2017 angestiegen ist. Was einem Anstieg um das Neunfache entspricht.
Davon hätte niemand auch nur gewagt zu träumen.

Drogenbeauftragte warnt vor E-Zigarette?

Aber woher kommt dann tatsächlich die Warnung vor E-Zigaretten?
Die Antwort ist sehr einfach: Aus den Köpfen der Redakteure einiger Medien.
Weder in der Pressemitteilung noch im Drogenbericht ist von einer solchen Warnung so eindeutig die Rede, dass es eine Schlagzeile rechtfertigen würde.
Doch selbst die Tagesschau geht damit auf Jagd nach Klicks.

Die Überschriften der eher seriös zu nennenden Medien (Tagesspiegel, Deutsche Welle, Deutschlandfunk) werden eher davon bestimmt, dass Mortler sich negativ zur Freigabe von Cannabis in Kanada geäußert hat.




Bemerkenswert dabei ist, dass diese Berichte kurz nach der Pressekonferenz veröffentlicht wurden.
Niemand ist in der Lage in dieser Zeit einen 221 Seiten Bericht tatsächlich zu lesen. Geschweige denn Quellen zu prüfen.
Zwar ist das normale Pressearbeit. Man sollte sich das aber vergegenwärtigen. Jede Meldung, die gestern dazu veröffentlicht wurde, beruht mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Pressemitteilung, der Konferenz und maximal einem schnellen Querlesen mittels Stichwortregister.

„Das Gesetz wird umgangen“

Nun kann auch die konservative, bayrische Bäuerin nicht aus ihrer Haut. Um 15:00 Uhr war Mortler für ein Interview bei der Tagesschau zu Gast.
Zunächst machte sie die „Aufklärungs- und Präventionsarbeit“ der Drogenbeauftragten alleine dafür verantwortlich, dass weniger Jugendliche rauchen und trinken. Was an sich schon diskutabel sein dürfte.

Gleich die zweite Frage zielte auf die E-Zigaretten und Shishas, die ja „mehr geraucht“ würden.

„Die Bewertung… zum Beispiel das Bundesinstitut für Risikobewertung sagt uns es ist weniger schädlich E-Zigaretten zu rauchen. Ich sehe aber eine Tendenz, dass das Gesetz… das bestehende Tabakerzeugnisgesetz… umgangen wird. Nämlich nikotinhaltige Flüssigkeiten sind ja in diesem Gesetz geregelt, nun kommen neuerdings nikotinfreie Flüssigkeiten auf den Markt, zusammen mit den nikotinhaltigen, diese sind ungeregelt, gehen am Gesetz vorbei, werden toll… äh… beworben, mit pfiffiger, farbiger Aufmachung und unterliegen keinerlei Gesundheits-, Verbraucher oder Jugendschutz. Das heißt wir haben eine Entwicklung die wir auch im Zusammenhang mit dem Konsum im Blick behalten müssen.“
Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Tagesschau, 18.10.2018

Dabei ist es genau das, wovor viele gewarnt haben.
Versucht man etwas zu verbieten, werden Menschen einen Weg finden, es trotzdem zu bekommen. Und andere damit Geld zu verdienen. Die amerikanische Alkoholprohibition hat das nachdrücklich bewiesen.

Allerdings muss man in diesem Fall davon ausgehen, dass Frau Mortler und andere Politiker nicht verstanden haben, dass in den Liquids lediglich Grundsubstanzen enthalten sind, die jeder zusammenschütten kann. Da wird nix „umgangen“.

Das Boulevard Fernsehen

Ein Video veröffentlichte die Zeitung Welt.
Darin ist der Drogenbericht nur ein Aufhänger. In dem 90 Sekunden Beitrag werden wieder die Versatzstücke aus dem Keller geholt, allgemeines Bildmaterial wurde zusammengeschnitten. Ein Satz von einem Mitarbeiter eines Vape Shops, einige Bilder von Menschen die an Dampfen ziehen (die schon nicht mehr am Markt sind), durchmischt mit Aufnahmen des Tabakerhitzers IQOS.

Drogenbericht
Dr. Uta Liebers, Pneumologin an der Charité, im Gespräch mit Sat1/Pro7, Welt/N24. (Foto: Screenshot)

Mit dabei war auch wieder die „Lungenärztin“ Uta Liebers, die ihre phantasievolle Meinung in die Kamera sprach.
Frau Liebers ist offenbar von den Sendern als nette Ansprechpartnerin erkannt worden, wenn man irgendetwas zum Jugendschutz und zu gefährlichen E-Zigaretten braucht. Denn erst im November stand Liebers bereits für Pro7 vor der Kamera.

Dr. Liebers ist übrigens Ärztin an der Charité. Und die erhält jährlich Zuwendungen im sechsstelligen Bereich von Unternehmen wie Pfizer, Novartis und GlaxoSmithKline. Alle drei Pharmakonzerne produzieren Nikotinersatztherapien wie Medikamente, Pflaster, Kaugummis und Sprays.

Überall das Gleiche

Nach einem kurzen Einspieler einer Äußerung, die Mortler wohl im Anschluss an die Pressekonferenz gemacht hat, ist es auch schon wieder vorbei.
Um einen dramatischen Abschluss zu finden wird im letzten Satz kommentiert, die amerikanische FDA wolle wegen der genannten Gefahren die „elektrische Fluppe verbieten lassen“.
Was schlicht und ergreifend falsch ist. Nicht die E-Zigarette an und für sich soll verboten werden. Und wenn, dann könnte die FDA das selber. Sie müsste nichts verbieten „lassen“.
An solchen Nebenkriegsschauplätzen wird ersichtlich, dass die Redakteure nicht nur keine Ahnung haben, sondern nicht einmal Zeit zum Recherchieren.

Drogenbericht
Leider begab auch die Tagesschau sich auf die Jagd nach Klicks: Facebook

Offenbar ist das Filmmaterial zwischen den Sendern ausgetauscht worden.
Denn diese Versatzstücke fanden sich bis zu den Spätnachrichten auf Pro7, N24, Sat1, Kabel 1, etc.
Das liegt daran, dass all diese Sender zu lediglich zwei Medienkonzernen gehören. Man sieht also eigentlich auf allen Sendern das Gleiche, nur neu aufgemacht und zusammengeschnitten.

Eine kleine Ausnahme bot das RTL Nachtjournal, das zumindest Befürworter wie Dac Sprengel, den Vorsitzenden des Händlerverbandes VdeH, und Dr. Thomas Hering, einem mehrfach medial in Erscheinung getretenen Lungenarzt und ausdrücklichen Befürworter, zu Wort kommen ließ.
Und so kam RTL auch zu einem anderen Resümee. Nicht die große Gefahr blieb unterm Strich, sondern lediglich das abgemilderte „Wer nicht raucht soll mit E-Zigaretten gar nicht erst anfangen.“

Ein Lehrstück

Diese mediale Aufarbeitung zeigt erneut, wie Medien heutzutage funktionieren.
Nachrichten sind eine Ware, die heiß serviert werden muss. Zeit für Recherche bleibt nicht.

Die Nachrichten werden verkauft, vervielfältigt, aufgearbeitet, und der gleiche Eintopf wird dann als Sechs-Gänge-Menü serviert.
Die Zuschauer sind leider so gestrickt, dass dieses unterhaltsam aufgearbeitete Infotainment konsumiert wird.

Liest man den Drogenbericht selber, findet man wieder den gleichen Unfug.
Aber in diesem Jahr scheint etwas passiert zu sein. Die wissenschaftliche Aufarbeitung, die Lobbyarbeit, die zunehmende öffentliche Wahrnehmung scheinen so langsam ihr Ziel zu erreichen.

Zwischen den Zeilen liest man auf einmal die Situation in Großbritannien heraus. Man glaubt Frau Mons zu hören, die Nachfolgerin der Dampfgegnerin Pötschke-Langer beim DKFZ, die überraschend sachlich und offen mit dem Thema umgeht.
Man bekommt den Hinweis, dass E-Zigaretten ja doch beim Umstieg helfen können. Und man liest sogar dreimal, dass sie „deutlich“ weniger Risiko mit sich bringen.

Es ist ungewohnt. Es fühlt sich merkwürdig an. Schuhe, die noch nicht eingelaufen sind.
Aber unterm Strich fällt es einfach schwer, das nicht irgendwie positiv zu finden.


Der Drogen- und Suchtbericht 2018 (Guru Server): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2018/10/DSB2018.pdf
Regierungskampagne empfielt die E-Zigarette: https://www.vapers.guru/2018/10/16/regierung-empfiehlt-e-zigarette/

WHO fordert Verbot von E-Zigaretten

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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