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Big Tobacco hat den E-Zigaretten Markt längst übernommen

Grassroot war gestern

  • Die Filterblase lässt viele Dampfer die Realitäten nicht erkennen
  • British American Tobacco ist fast dreimal so groß am Markt der E-Zigarette wie Joyetech
  • Tabakmultis werden von außen als Erfinder der E-Zigarette wahrgenommen, weil sie mehr Menschen erreichen
  • Die Dampfer überlassen den Tabakkonzernen das Feld

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Die Filterblase ist in aller Munde. Jeder spricht von Filterblase, der Begriff wird inflationär gehandelt.
Die Filterblase ist nur eines von vielen Vokabeln, die gerade Einzug in die Gemeinsprache nehmen. Gewachsen aus Social Media und Netz 2.0.
Bots, Trolling, Meme und Filterblase werden jedoch häufig verwendet, ohne genau zu wissen was dahinter steckt.

Ein gutes Beispiel für die Filterblase ist sicher Facebook. Denn Facebook verwendet am erkennbarsten psychologische Mittel, um seine Nutzer zu beeinflussen.
Das Interesse von Facebook liegt dabei nicht darin, seine Nutzer in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Interesse des Konzerns besteht lediglich darin, seine Nutzer möglichst lange online zu halten.

Ein Beispiel dafür ist das endlose Scrollen. Das Facebook erst vor einigen Jahren in einer breiten Umstellung der Timeline eingeführt hat. Seit dem kann der Nutzer scrollen, bis der Handy Akku leer ist.
Ein unterschwelliges Mittel ist auch die inzwischen etablierte Auszeichnung von häufigen Kommentatoren, die als „Top Fans“ auf Seiten ausgewiesen werden. Das mag bei dem Einzelnen nicht verfangen. Doch umgelegt auf 2,3 Milliarden Nutzer führt auch das natürlich zu einer signifikanten Erhöhung der Nutzungsdauer. Weil der ein oder andere sich doch herausgefordert fühlt zu kommentieren.

Autoplay, getrennte Videoplattform auf mobilen Geräten, Einbindung des Messengers, jedes Detail ist kommunikationspsychologisch durchdacht.

Die Algorithmen der Dampferblase

Entscheidend für die Filterblase ist, dass der Nutzer nicht mehr auf die Seiten der einzelnen Betreiber geht. Sondern nur noch seine Timeline anschaut.
Der Algorithmus von Facebook erkennt, wenn jemand bestimmte Themen bevorzugt. Beispielsweise Mode oder Autos. Und so spielt Facebook dann auch dem einzelnen Nutzer Beiträge zu solchen Themen eher auf seiner Startseite aus.

Die Analyse dessen wird immer weiter verfeinert. Facebook weiß über den Messenger und GPS nicht nur, wo wir uns bewegen. Es weiß auch mit wem wir Nachrichten austauschen und welche Themen unsere Kontakte bevorzugen.
Facebook erkennt wer wir sind und was uns interessiert.
Doch Facebook ist lediglich ein Beispiel. Jede Plattform von Social Media arbeitet mit solchen Algorithmen.

Interessiert sich jemand nur für E-Zigaretten, wird er auch verstärkt Beiträge zu E-Zigaretten ausgespielt bekommen.
Er wird weniger über Politik erfahren, über die Tabakindustrie oder über Gesundheitsthemen.
Mit seinem Online Verhalten trennt er sich selber davon ab.

Bevorzugt ein Dampfer eher die Interaktion in Gruppen und mit anderen Dampfern, wird er vor allem solche Beiträge auf seiner Timeline finden. Interagiert er häufig mit Seiten von Shops, wird er auch Beiträge von anderen Shops leichter finden.

Die Beiträge des Nutzers werden gefiltert. Was dazu führt, dass andere Informationen ihn nicht mehr erreichen und er sich in einer Blase bewegt, in der kaum etwas von außen eindringen kann.
Das ist die Filterblase. Auch Informationsblase genannt.

Verschiedene Schätzungen aus dem Handel gehen davon aus, dass diejenigen, die sich in dieser Online-Dampfer-Blase bewegen, höchstens 20% des Marktes ausmachen. Höchstens ein Fünftel aller Dampfer bewegt sich also innerhalb dieser Informationsblase. Und viele halten das bereits für zu viel geschätzt. Was zwangsläufig zu einer Verzerrung der Wahrnehmung führen muss.
Denn wenn jemand sich auf Instagram, YouTube oder Twitch vor allem in Dampferkreisen bewegt, muss er zwangsläufig den Eindruck erhalten, dass das die Realität des Marktes der E-Zigarette abbildet.

Konzerne verhalten sich anders

Reviewer besprechen hauptsächlich Geräte, die ihnen von chinesischen Firmen bereitgestellt werden. Und da gibt es ja genug. Denn solche Geräte werden in immer höherer Frequenz auf den Markt geworfen. Worunter häufig nicht nur die Qualität, sondern auch die Innovation leiden.

Ein großer Konzern verfolgt jedoch eine gänzlich andere Strategie. Ein Konzern mit entsprechenden Mitteln ist bemüht ein Produkt auf den Markt zu bringen und das viel breiter zu platzieren. Er versucht seine E-Zigarette an den Markt zu bringen, an möglichst vielen Verkaufsstellen zu positionieren und damit eine Markenbindung zu erreichen.

Es ist zu vergleichen mit den Vape Messen. Auf denen vor allem Händler und Liquid Hersteller sich versuchen mit großen und auffälligen Ständen zu präsentieren. Über den tatsächlichen Marktanteil und Umsatz sagt das wenig aus.
Doch dem unbedarften Besucher muss es so erscheinen, dass Unternehmen wie Dinner Lady und Niko Liquids, 510 Cloudpark und Dr. Frost riesig sind. Während die großen Deals in Sitzecken von kleinen und unscheinbaren Ständen gemacht werden.

Gestern veröffentlichte der YouTuber Markus Ense ein Video, in dem er einen CNN Bericht über die Kongressanhörung zur Juul kommentierte. Darin räumte er ein, dass die Wahrnehmung in Europa und vor allem innerhalb der sich online bewegenden Dampfer wohl etwas verzerrt ist.
Diese Dampferblase bewegt sich in einer Welt der offenen Systeme, der kleinen Liquid Küchen und der Grassroot Bewegung.

Die Tabakindustrie wird breit abgelehnt. Selbstdienlich verzerrend, dass das Nikotin in Liquids aus den gleichen Quellen stammt wie der Tabak in den Zigaretten.
Es wird ignoriert, dass auch bei den chinesischen Herstellern tausende Beschäftigte an Fließbändern zum Niedriglohn ihre Akkuträger zusammenschrauben. Und es wird überhaupt nicht erkannt, wie der Markt sich derzeit entwickelt.



BAT fast dreimal so groß wie Joyetech

Einen Eindruck geben die Zahlen der Foundation for a Smoke-Free World, die im Oktober des vergangenen Jahres zum ersten mal umfassende Zahlen veröffentlicht hat.
Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2017.

Bereits damals hielt British American Tobacco 11% des gesamten Marktes. Der Hersteller von Lucky Strike, Pall Mall und HB ist auf dem Markt der E-Zigarette vor allem mit Vuze und Vype vertreten.
Und da geschlossene Systeme mit vorbefüllten Pods in den USA sehr viel beliebter sind als in Europa, kann man abschätzen, wie groß der Marktanteil dort ist.
Zum Vergleich kam einer der größten und ältesten reinen E-Zigaretten Hersteller, Joye Technology (Joyetech, Wismec, etc.), auf lediglich 4%.
Dass BAT inzwischen mit Highendsmoke die größte deutsche Ladenkette im Dampferbreich übernommen hat ist nur ein Nebenkriegsschauplatz.

Auch Imperial Brands kam weltweit auf 4%. Als Zigarettenhersteller ist Imperial gar nicht so bekannt, trotzdem gehören Marken wie Gauloises, West und John Player in sein Portfolio.
Dem Mischkonzern gehört auch der deutsche Hersteller Reemtsma an. Er produziert über die genannten Marken hinaus u.a. auch Stuyvesand, Reval und Roth-Händle.

Zu diesem Konzern, der auch in der Logistik aktiv ist, gehört Fontem Ventures. Und die hatten bereits vor langer Zeit die E-Zigaretten Marke blu etabliert.
Im Jahr 2017 übernahm Fontem Ventures den kleinen Hersteller Von Erl aus Österreich, der mit seinem Pod System My einen überraschenden Erfolg erzielt hatte.
Bei der Übernahme erklärte Imperial bzw. Fontem Ventures, mit der My stark auf den amerikanischen Markt zu zielen und demnächst 80% seiner Umsätze dort generieren zu wollen.

Juul kam vor zwei Jahren bereits auf 4% weltweit. Dabei hatte es noch gar keine anderen Märkte erschlossen. Das dürfte heute anders aussehen.
Gemäß eigener Angaben bestimmt Juul mit über 80% in den USA den Markt.
Inzwischen hat sich Altria, der Konzern der in den USA auch über den Ableger Philip Morris USA Marlboro vertreibt, mit 12,8 Milliarden für 35% bei Juul eingekauft.

Vype und blu am Kiosk

Wer sich in der Dampferblase nun einredet, das alles hätte mit Europa nichts zu tun, der ist Opfer eben jener Dampferblase.
Die Tabakkonzerne lernen, dass die E-Zigarette ein vielversprechender Markt ist. Und sie reagieren entsprechend.
Allerdings sicher nicht so, wie der Dampfer es sich in seiner Blase vorstellt. Während er Reviews von Smok, Wismec oder Wotofo schaut. Die üblicherweise massiv von den Herstellern gefördert und bezahlt werden.

Einer der großen Player, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, ist Lekkerland.
Der Großhändler fusionierte bereits 1999 mit Tobaccoland und unterhält inzwischen 15 Logistikzentren in ganz Deutschland. Im Mai erklärte die Rewe Group Lekkerland übernehmen zu wollen. Einer der Großaktionäre von Lekkerland ist derzeit noch Japan Tobacco, der Hersteller von Camel und Benson & Hedges.

E-Zigarette
Die Zukunft des Dampfens: Im Zigarettenregal oder Shop in Shop zwischen Dosenbier und Lotto

Lekkerland ist der Vertriebsweg für Tabakwaren in Deutschland schlechthin. 2017 wiesen sie einen Umsatz von fast 13 Milliarden aus.
Sie beliefern auch Kioske und Tankstellen. Die genauen Zahlen sind schwer herauszufinden, denn bei über 60.000 Abnehmern findet eine ständige Bewegung statt.
Das tun sie aber nicht direkt, sondern schließen Rahmenverträge mit Anbietern und Abnehmern, beispielsweise Tankstellenketten.

Inzwischen hat Lekkerland einige E-Zigaretten im Portfolio. Selbstverständlich die Juul, aber auch die Vype von BAT und die blu von Reemtsma bzw. Imperial Brands.
Die einzige reine E-Zigarettenfirma, die es bisher ins Portfolio schaffen konnte, ist der Hamburger Großhändler InnoCigs.

Es dauert eine Zeit, bis sich diese Kooperation in den Regalen abbildet. Doch die Vype und die blu finden sich bereits in sehr vielen Kiosken. Häufig in kleinen Vitrinen, aber manchmal auch schon eingereiht in die üblichen Zigarettenregale.
Ebenso die IQOS von Philip Morris International. Die meisten dieser kleinen Einzelhändler haben inzwischen die Heets im Angebot, die auswechselbaren Nikotinlieferanten für den Tabakerhitzer.
Verfügbarkeit ist das neue Schwarz.

Wir sind eine Bande!

In Deutschland raucht etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung. Die regelmäßigen Konsumenten der E-Zigarette sind lediglich ein Bruchteil dessen. Und ein weiterer Bruchteil dessen sind diejenigen, die ausschließlich dampfen. Ein noch geringerer Bruchteil dessen sind die, die sich online mit dem Thema auseinandersetzen.

Die Filterblase der Dampfer verleitet natürlich dazu, das anders wahrzunehmen. Wer sich nur unter Liquid Junkies und Dampfern offener Systeme bewegt, der ist dazu verleitet zu glauben, das stelle die Marktrealität dar.
Wenn ein Video eines bekannten Reviewers zehntausendmal gesehen wird, erscheint das viel. Weil viele Konsumenten Zugriffszahlen im höchstens vierstelligen Bereich gewohnt sind. Doch es wird ausgeblendet, dass diese zehntausend Views gerade einmal 0,3% der geschätzten Konsumenten in Deutschland ausmachen.

Das erklärt auch, dass viele Dampfer emotional und teilweise aggressiv reagieren, wenn man die Dampfer kritisiert. Denn sie sehen und erleben sich als soziale Gruppe, als Community. Und ein Angriff auf die eigene soziale Gruppe wird psychologisch genauso verarbeitet wie ein Angriff auf den Einzelnen persönlich.
Mehr noch. Wer eine andere Art des Dampfens oder andere Geräte bevorzugt wird ausgeschlossen. Er wird als Fremdkörper gesehen, der nicht zur Gruppe gehört. Während der Reviewer mit Street Credibility eine Mütze von blu trägt, die aus dem gleichen Hause kommt wie die West.

Dampfer überlassen Tabakmultis das Feld

Die tatsächliche Gefahr ist jedoch eine andere.
Das Engagement der Tabakmultis im Markt schadet der Glaubwürdigkeit der E-Zigarette massiv. Von außerhalb der Informationsblase wird die E-Zigarette als Erfindung der Zigarettenkonzerne gesehen.
Und diejenigen Dampfer, die sich innerhalb der Filterblase bewegen, verstehen das nicht einmal. Weil sie nicht erkennen, wie stark die Zigarettenindustrie bereits im Markt steckt.

Der Markt der offenen Systeme ist weitestgehend gedeckt. Wer eine Affinität zu Technik und Neuem, zu Do-It-Yourself und dieser Art des Dampfens hat, der wird längst umgestiegen sein. Was dort stattfindet ist lediglich ein Verteilungskampf innerhalb einer Nische. Und um den Nachschub, denn diese Zielgruppe kauft ständig neue Geräte und probieren neue Liquids.

Die Konzerne übernehmen es nun, wirkliche Neukunden zu gewinnen. Und Markenbindung zu betreiben. Sie holen die Konsumenten ab, die nur die Zigarette ersetzen und damit ansonsten nichts zu tun haben. Sie übernehmen es Raucher und Nichtraucher anzusprechen.
Damit wird es ihnen überlassen, die Vorzüge der E-Zigarette als unbestreitbares Mittel zur Harm Reduktion zu kommunizieren. Mit allen negativen Folgen, bei Politikern und Gesundheitsexperten.

Die Dampfer verpassen gerade den Absprung. Sie verpassen es, weil sie in ihrer Filterblase nicht merken, dass der Markt bereits massiven Veränderungen unterworfen ist.
In einer romantisierten und melancholischen Vorstellung sehen die engagierten Dampfer nicht, dass sie sich selber aufs Abstellgleis manövrieren lassen. Von Betreibern von Vape Shops bis zu Konsumentenvereinigungen.

Die Dampfer überlassen den Tabakmultis das Feld.
Grassroot war gestern.


Vapertus „Wie die Juul alles zerstört“: https://youtu.be/MnoPDvim_yI
Interview mit einem Lobbyisten: https://www.vapers.guru/2019/03/13/big-tobacco-will-dampferlobby-schlucken/

Tabak Multi übernimmt größte deutsche Dampferkette

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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