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Fachtagung zur E-Zigarette in Frankfurt

Potential der Dampfe unter Wissenschaftlern unbestritten

  • Suchtforscher lud zum Austausch ein
  • Das Potential der E-Zigarette zur Schadensminimierung und das geringere Risiko sind akzeptierter Konsens
  • Ein faktenbasierter und offener Austausch offenbar von einigen unerwünscht

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Am Donnerstag fand die zweite Fachtagung zur E-Zigarette an der University of Applied Sciences in Frankfurt statt.
Erschienen waren nicht nur einige YouTuber, die Vertreter der beiden Händlerverbände VdeH und BfTG, Vertreter von British American Tobacco und Philip Morris International sowie einige Ärzte und Fachleute zum Thema Süchte. Auch einige unabhängige Interessierte hatten sich eingefunden. Sogar einige Händler und Hersteller Waren vertreten.

Eingeladen hatte der Soziologe und Suchtforscher Prof. Dr. Heino Stöver, der bereits 2016 mit „Die E-Zigarette“ das erste deutschsprachige Buch zum Thema herausgegeben hatte. Neben anderen Veröffentlichungen ist gerade auch die zweite Auflage des „Ratgeber E-Zigarette“ erschienen, an dem er ebenfalls maßgeblich mitgewirkt hat. (Empfehlung, Link unten.)

Als Vortragende waren namenhafte Vertreter aus verschiedenen Bereichen zum Thema E-Zigarette erschienen. Sie nutzten die Möglichkeit um ihre jeweiligen Arbeitsbereiche und Ergebnisse in jeweils halbstündigen Vorträgen vorzustellen.

Eines darf man sicher vorweg nehmen:
Alle Vortragenden waren sich an diesem Tag einig, dass die E-Zigarette eine große Chance für die Schadensminimierung darstellt.

So stellte Dietmar Jazbinsek während einer kurzen Verzögerung spaßeshalber die Frage, wer von den Anwesenden glaube, die E-Zigarette berge mehr Gefahren als sie Nutzen bringen könnte.
Eine Mutige meldete sich. Von etwa 50 Zuhörern.

Prof. Dr. Heino Stöver, Suchtforscher an der University of Applied Sciences in Frankfurt

Das Konzept der Harm Reduction hatte vor allem in den 1980ern seine Zeit im Rampenlicht. Mit dem Aufkommen der AIDS Welle wurden nicht nur Kondome verteilt, es wurden auch Drückerstuben eingerichtet. Zum ersten mal gab es eine offene und geförderte Beratung für Suchtkranke, die Soziale Arbeit wurde gestärkt und in weiten Teilen überhaupt erst eingeführt.
Die Abgabe von Ersatzstoffen für Heroin (später Methadon) wurde vor allem von dem Suchtmediziner Gorm Grimm vorangetrieben, wodurch er damals bereits Probleme mit der Ärztekammer bekam.

Es scheint ein natürlicher Mechanismus zu sein, dass einige Interessenvertreter sich gegen das Konzept der Harm Reduction sperren. Und so ist es, trotz seiner Erfolge, wieder in Vergessenheit geraten.
Darauf wies Prof. Dr. Stöver in seiner Begrüßung hin. „Wir fangen in der Schadensminimierung bei Tabak und Alkohol wieder bei Null an.“

Dass dies nicht im Sinne der Forschenden ist, wurde an diesem Tag sehr deutlich.

„Es geht eher um Qualitätskontrolle“

Den Anfang machte Dr. Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung.

Das BfR hat unter Dampfern nicht den besten Ruf, da es in seinen ersten Äußerungen zum Thema E-Zigarette als mindestens skeptisch bezeichnet werden kann.
Diesen Eindruck konnte Henkler-Stephani in seinen langen und offenen Ausführungen ausräumen.

Kurz schilderte er die Arbeit der zuständigen Stelle beim BfR. „Die Grundlagen sind klar: keine Verbrennung. Uns geht es eher um Qualitätskontrolle.“
Beispielsweise sagte er, dass er keine Hinweise für einen Gateway Effekt bei der E-Zigarette sehe.

„Ich freue mich über jeden, der mit Hilfe der E-Zigarette entwöhnen kann.“
Dr. Henkler-Stephani, BfR, Frankfurt, 10.10.2019

Natürlich ging auch er, wie viele der Vortragenden nach ihm, auf die Vorfälle in den USA ein.
Er sah noch keinen Hinweis auf eine einzelne Ursache, wie das im Verdacht stehende Tocopherylacetat (Vitamin-E-Acetat).
Doch er setzte dies in den entsprechenden wissenschaftlichen Kontext. So hielt er eine Mischung aus verschiedenen Ursachen für die dramatischen Todesfälle und inzwischen über 1000 Erkrankten für wahrscheinlicher. (Vorerkrankungen, Leistung des Akkuträgers, etc.) Er betonte jedoch, dass dies nichts mit der „normalen“ E-Zigarette zu tun habe.
Anhand der inzwischen veröffentlichten Zahlen erscheint unbestreitbar, dass diese Vorfälle durch illegal erworbene Liquids mit THC, dem Wirkstoff des Cannabis, ausgelöst wurden.

„Die Todesfälle in den USA sind bestürzend. Gleichwohl beobachten wir in der deutschen Öffentlichkeit eine sehr undifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Denn Schuld tragen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen spezielle Substanzen, mit denen die THC-Öle der ‚E-Joints‘ gestreckt wurden. Die herkömmliche E-Zigarette hat damit gar nichts zu tun. E-Zigaretten-Liquids unterliegen in Deutschland einer strengen Regulierung. Gefahr geht dagegen vor allem von Flüssigkeiten und Geräten aus, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.“
Prof. Dr. Stöver, University of Applied Sciences, Frankfurt, 10.10.2019

Wichtig war ihm hingegen darzulegen, dass es eine sehr große Spanne eines möglichen (Rest-)Risikos bei E-Zigaretten gäbe. Da die Belastung durch Schadstoffe im Dampf vor allem auch von der Temperatur und der Dosis abhängig ist.

Hinsichtlich der derzeit wieder aufgeflammten Debatte um Sucralose blieb Henkler-Stephani zurückhaltend. Diese war vor allem durch eine Warnung des BfR vor Sucralose in Lebensmitteln ausgelöst worden.
Der Süßstoff zerfällt bei Temperaturen über 120°C in Abbauprodukte, die für sich als krebserregend gelten. Wieviel davon ein Dampfer überhaupt aufnimmt ist unklar.
Das BfR befindet sich bereits in der Forschungsarbeit. Letztendlich müsse man sicher auch andere Aromastoffe auf ihre Stabilität prüfen.
Eine Warnung sprach Henkler-Stephani jedoch nicht aus.

Nach seinem ausführlichen Vortrag wurde die Psychologin Dr. Leonie Brose aus London per Skype zugeschaltet. Die Deutsche arbeitet am King’s College London im Center for Smoking and Alkohol Studies.

Sie erläuterte die Situation in England. Die Förderung der E-Zigarette und strenge Regulierung der klassischen Tabakprodukte hat dort inzwischen zu den niedrigsten Raucherzahlen geführt, seit diese überhaupt erhoben werden.
Dabei stellte sie jedoch auch schmunzelnd klar, dass die Politik in Großbritannien gar nicht so viel unterschiedlicher als in Deutschland sei. Die E-Zigarette genießt gegenüber der Tabakzigarette nur einige Freiheiten mehr und das Rauchen und der Handel mit Tabak seien weit strenger reguliert.
Den Unterschied scheint vor allem die klare Kommunikation der Gesundheitsbehörde Public Health England und Organisationen wie dem renommierten Royal College of Physicians zu machen.

Die kostenlose Abgabe von E-Zigaretten

Mit Spannung erwartet wurde der Beitrag von Frau Dr. Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Sie war mit schwerem Gepäck angereist, denn sie ist die Nachfolgerin der berüchtigten Frau Dr. Martina Pötschke-Langer.
Sie hatte in ihrer Amtszeit als Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention diese zur Kollaborationsstelle der WHO gemacht, welche inzwischen gar das Verbot der E-Zigarette fordert. Nach ihrem Weggang hat sie inzwischen die Leitung des Aktionsbündnis Nichtrauchen übernommen.

Einige öffentliche Äußerungen von Mons deuteten jedoch bereits an, was sie dann auch voll bestätigen konnte. Einen sehr viel entspannteren und vor allem auf das Potential für die Schadensminimierung ausgerichteten Umgang mit dem Thema.

So eröffnete sie auch gleich mit der Einsicht, dass ihr viele von der Teilnahme an der Fachtagung abgeraten hätten. Diese Erfahrung sei neu für sie gewesen.
Offenbar wird der offene Austausch von einigen Interessensvertretern als von „der Tabakindustrie“ initiiert angesehen, der man mit einer Teilnahme in die Hände spielen würde.

Frau Dr. Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am DKFZ in Heidelberg

Frau Dr. Mons war kurz zuvor interviewt worden, erzählte sie in einer Anekdote. Dabei wurde auch die Fachtagung thematisiert, interessanterweise von der Interviewenden. Schließlich würden dort ja sogar kostenlos E-Zigaretten verteilt werden.
Auf verwunderte Nachfrage von Mons verwies sie auf das Tagesprogramm, in dem der Punkt „Kostenlose Abgabe von E-Zigaretten“ aufgeführt sei.
Das führte zu allgemeinem Gelächter im Frankfurter Publikum. Der Tagespunkt war der Titel einer Arbeitsgruppe, die unter Leitung von Reno Sami von der schweizerischen Suchthilfe Ost über Sinn und Zweck von kostenfreier Abgabe an Raucher diskutieren wollte. („Kostenfreie Abgabe von E-Zigaretten – innovative Unterstützung von Aussteigewilligen in der Schweiz“)

In ihrem Vortrag beleuchtete Frau Dr. Mons Informationen zum Konsumverhalten, vor allem bei Jugendlichen. Auch sie sah keinen Gateway Effekt bei E-Zigaretten. Denn es gebe zwar einen sehr hohen Probierkonsum, dieser würde jedoch in den seltensten Fällen zu einem dauerhaften Konsum führen.
Die meisten Jugendlichen, die E-Zigaretten ausprobieren, haben bereits Erfahrungen mit Tabakzigaretten gemacht oder seien sogar Raucher.
Die Gesamtzahlen des Nikotinkonsums seien weiter rückläufig. Ein entscheidender Punkt, der von Gegnern der E-Zigarette gerne unterschlagen wird.

Auf einer Folie präsentierte sie dann auch mögliche Maßnahmen für weitere Regulierungen. Beispielsweise der Regulierung von nikotinfreien Liquids.
Auf der entsprechenden Folie war dann auch vermerkt, dass Aromen zu regulieren seien, die besonders für Kinder und Jugendliche attraktiv erscheinen könnten.



Bei den anschließenden Fragen hakte Simon Bauer vom YouTube Kanal Vape Scene Investigation nach.
Das Lächeln von Frau Dr. Mons verriet aber, dass sie sich des Problems sehr wohl bewusst ist: Es gibt keine Aromen, die ausschließlich für Jugendliche attraktiv sind und die Aromenvielfalt ist einer der häufigsten und wichtigsten Gründe für einen gelungenen Umstieg.
So beschwichtigte Dr. Mons, sie denke da auch eher an das Marketing. Vornehmlich die Gestaltung der Verpackungen.

„Jährlich sterben in Deutschland mehr als 100.000 Menschen an den Folgen des klassischen Rauchens. Das darf die Gesundheitspolitik nicht hinnehmen. Ziel muss sein, dass möglichst niemand mehr zur Tabakzigarette greift. Die E-Zigarette kann dabei helfen, da sie vielen Rauchern den Rauch-Stopp erleichtert und die Gesundheitsrisiken minimiert.“
Prof. Dr. Stöver, University of Applied Sciences, Frankfurt, 10.10.2019

Die Juul, die Ursünde

Der nächste Vortragende war der bereits erwähnte Dietmar Jazbinsek. Der Soziologe aus Berlin ist als freier Journalist vor allem im Gesundheitsbereich tätig. Er hatte zuvor bereits an dem von Prof. Dr. Stöver herausgegebenen Buch „Die E-Zigarette“ mitgearbeitet.

Sein Vortrag sollte sich mit der Juul und ihrer Bedeutung für den deutschen Markt auseinandersetzen. Was angesichts der jüngsten Vorfälle in den USA fast schon zu einer Verteidigungsrede wurde.

Denn die Juul, ein Produkt des Herstellers Juul Labs in San Francisco, ist eigentlich ein Produkt der ersten Generation. In ihm wurde die Technik aus der Anfangszeit der E-Zigarette perfektioniert und auf die Bedürfnisse der Raucher weiter abgestimmt.
Auch Dr. Henkler-Stephani erwähnte die Juul in seinem Vortrag als derzeit optimale Lösung.

Doch die Vorgänge und die geschürte Panik in den USA vor einem angeblichen Gateway Effekt unter Jugendlichen und das von der Pharmaindustrie verdeckt propagierte Aromenverbot fehlt es nicht nur an jeglicher Grundlage. Es wird inzwischen auch mit den Vorgängen um die Toten durch illegale THC Liquids vor allem in den Medien wüst vermengt.
Mit der Juul hat dies alles wenig zu tun, mit der Juul in Deutschland schlicht nichts.

Nach der Mittagspause beleuchteten Anna Dichtl vom Institut für Suchtforschung und Bernd Wiese vom Centre for Drug Research diese Gateway Hypothese intensiver. Auch ihre Zahlen zeigten schlussendlich, dass es keinen Gateway Effekt gibt.
Der dauerhafte Konsum unter Jugendlichen, die zuvor nicht geraucht hatten, sei sehr gering. Eine Bewegung von der E-Zigarette zur Tabakzigarette sei nicht feststellbar.

Als letzte Vortragende zeigte Daniela Jamin vom Institut für Suchtforschung und Mitherausgeberin des Buches „Ratgeber E-Zigarette“, wie die E-Zigarette von Konsumenten in der öffentlichen Kommunikation wahrgenommen wird.
Das Ergebnis war ernüchternd.
Die Medien stellen die E-Zigarette reißerisch bis falsch dar. Doch einen Raucher erreichen wenige Alternativen um sich zu informieren.

Ein Austausch, der sich hoffentlich etabliert

Es war eine gute und wichtige Tagung.
Solche Gelegenheiten sind nicht nur Möglichkeit sich kennenzulernen und zu vernetzen. Sondern auch gegenseitig Einblick in die Arbeit und damit die jeweilige Perspektive zu geben.

Leider fehlten die großen Medien. Was aber kein Grund für Verzweiflung sein muss. Denn die Pressemitteilung wurde häufig rezipiert, in den vergangenen Tagen sind einige Artikel dazu erschienen.

Ein Beigeschmack bleibt, auch wenn das sicher Jammern auf hohem Niveau ist.
Die Logik der Wissenschaft macht es unmöglich, einem Produkt eine Unbedenklichkeit zu bescheinigen. Es gehört zum Grundhandwerk eines Wissenschaftlers vorsichtig zu sein und zu seiner kaufmännischen Grundausstattung mehr Forschung zu fordern.

Doch die Darstellung einer solchen Chance wie der E-Zigarette in den Medien und in der öffentlichen Diskussion sollte inzwischen gezeigt haben, dass selbst kleinste Bedenken überspitzt, populistisch und klickgeil aufgebauscht werden.

Letztendlich war es auch der veranstaltende Prof. Dr. Stöver selber, der schon vor Jahren bemängelt hat, dass die Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum nicht vernünftig über die E-Zigarette aufgeklärt wird.
Doch das wird nur schwer möglich sein, wenn die akademischen Autoritäten nach jeder positiven Äußerung wieder darauf verweisen, dass die E-Zigarette ja „nicht unschädlich“ sei.
Die Relationen, in der diese weit geringere „Schädlichkeit“ unter Akademikern diskutiert wird, erreicht den Konsumenten nicht. Und damit verunsichert sie Raucher weiterhin.

Bei allem Verständnis wäre es schön, wenn das Potential und das weit geringere Risiko der E-Zigarette deutlicher kommuniziert würde. Ohne jedesmal ein wissenschaftliches „ja aber“ dahinter zu hängen.
Denn letztendlich sind es ja eben solche Autoritäten wie die Vortragenden, die für eine klare Kommunikation mitverantwortlich sind.

Trotzdem – oder gerade deshalb – ist der Fachtagung uneingeschränkt zu wünschen, dass damit ein offenes, faktenbasiertes und freies Forum etabliert wird.
Denn letztendlich geht es allen um eines. Die Schadenminimierung.

Kostenlose E-Zigaretten gab es übrigens wirklich nicht.


Ratgeber E-Zigarette: https://www.fhverlag.de/produkt/ratgeber-e-zigarette-2/

Geleakte Dokumente: Angriff der WHO auf die E-Zigarette

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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