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E-Zigarette: Gezielte Desinformation durch die DHS

Alte Bekannte, altes Spiel

Am vergangenen Mittwoch veröffentlichte die Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen DHS eine Broschüre unter dem Titel „E-Zigaretten sind riskant“. Zeitgleich wurde eine Pressemitteilung herausgegeben, die inzwischen von vielen Medien aufgegriffen wurde.

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Der Vorgang hat drei Ebenen, die man näher betrachten sollte.

Zum ersten wird durch die Veröffentlichung der Narrativ der angeblichen Gateway-Hypothese und des Jugendschutzes bedient. Zudem werden Behauptungen aufgestellt, die alternativfaktisch oder einfach falsch sind.

Zum zweiten zeigt er sehr deutlich wie es gelingt, mit wenig Aufwand viele Menschen über die Medien zu erreichen und Falschinformationen zu verbreiten.

Und zum dritten wird der Eindruck erweckt, hier würden sich viele Wissenschaftler zu neuen Erkenntnissen äußern. Und diese würden den allgemeinen Konsens der Wissenschaft wiedergeben.
Schaut man genauer hin, merkt man schnell, dass dahinter die gleichen Menschen stehen, die seit Jahren im Sinne der Pharmaindustrie und mit staatlicher Förderung Lobbyarbeit gegen die Tobacco Harm Reduction betreiben.

36 Seiten Kompetenz in Leichter Sprache

Die Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist ein eingetragener Verein, der unter anderem Broschüren zu relevanten Themen in „Leichter Sprache“ veröffentlicht. Beispielsweise zu Rauchen, Alkohol oder Glücksspiel, jeweils versehen mit dem Zusatz „ist riskant“.
Diesmal sollten es die E-Zigaretten sein.

Die Fotos der Broschüre, die fast ausschließlich E-Zigaretten abbilden, die gar nicht mehr am Markt sind und in die Antike der E-Zigarette gehören, sprechen eine deutliche Sprache. Was Laien natürlich nicht erkennen.

Leichte Sprache, schwieriger Inhalt

Die eigentliche Aussage des Titels, das Risiko von E-Zigaretten, wird auf einer einzigen Seite wiedergegeben.
Darin wird eingeflochten, dass Zigaretten sehr schaden. Was aber nichts mit E-Zigaretten zu tun hat. Und nur ein einziger Absatz auf 36 Seiten sagt tatsächlich etwas zum Risiko.

Es stünde fest, dass E-Zigaretten krank machen.
Das dumme daran ist, dass es dafür keinen belastbaren wissenschaftlichen Nachweis gibt. Es wird ein Konjunktiv behauptet, E-Zigaretten „können“ krank machen. Was so aber für alles und jeden gilt.

Fakt ist, dass es längst wissenschaftlicher Konsens ist, dass E-Zigaretten deutlich weniger schädlich als Tabakzigaretten sind.
Die staatliche Gesundheitsbehörde Public Health England geht seit Jahren und in regelmäßigen Updates davon aus, dass E-Zigaretten mindestens 95 Prozent weniger schädlich als Tabakzigaretten sind. Das Krebsrisiko schätzt sie 99,5 Prozent geringer ein.

Das liegt schlicht daran, dass in der E-Zigarette keine Verbrennung stattfindet. Denn viele Menschen glauben nach wie vor, dass das Nikotin das Gefährliche sei. Obwohl viele Suchtforscher es inzwischen eher auf einer Stufe mit Coffein sehen.
Das Gefährliche an Tabakzigaretten sind die vielen Verbrennungsstoffe, die Raucher inhalieren.

Ein Beispiel

Ein konkretes Beispiel aus der Broschüre.

Es gab eine Studie, die gezeigt hat, dass die Blutgefäße sich nach dem Konsum von E-Zigaretten „versteifen“ und der Blutdruck sich erhöht. Das haben die Gegner der E-Zigarette bereits mehrfach für die Behauptung benutzt, die E-Zigarette würde die Blut-Gefäße schädigen. So auch in der Broschüre.

Tatsächlich ist genau das aber der durch Konsumenten erwünschte Effekt. Es sagt nichts über eine Schädlichkeit. Denn dieser Effekt klingt wenige Minuten nach dem Konsum wieder ab. Das Gleiche kann man beispielsweise auch nach dem Joggen beobachten.
Die Schädigung durch Tabakzigaretten geschieht aber durch den jahrelangen Missbrauch, weil sich Schadstoffe aus der Verbrennung ablagern. Und so zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen.

Wie man ein geringes Restrisiko aufbauscht

Besonderen Wert legt die Broschüre darauf, dass Jugendliche auf keinen Fall anfangen sollten zu dampfen. Was ja durchaus vernünftig ist. Insgesamt muss niemand dampfen, der vorher nicht geraucht hat.

Die Broschüre wurde unterstützt durch die BzgA, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit. Und die hatte selber in einer Erhebung festgestellt, dass nur 0,4 Prozent der Jugendlichen in Deutschland täglich E-Zigaretten nutzen. Und die meisten davon vorher bereits geraucht haben.

Man hat in dieser Broschüre 36 Seiten verwendet, um wenige falsche oder mindestens unbewiesenen Behauptungen auszurollen.

Welche neuen Erkenntnisse?

In der Pressemitteilung ist zu lesen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse die DHS bewogen hätte, Grundlagen und Fakten zur E-Zigarette erneut zu prüfen.
Es wird inzwischen laufend zur E-Zigarette geforscht, monatlich erscheinen neue Studien. Doch es sind in diesem Jahr keine relevanten Studien erschienen, welche die Aussagen dieser Broschüre stützen würden. Umso mehr geforscht wird, umso mehr Positives lässt sich über die Dampfe sagen.

Die DHS bewerte die E-Zigarette als Suchtmittel. Was aber auch niemand so wirklich bestritten hat.
Denn sie ist eine Substitution, ein weniger schädlicher Ersatz für Raucher. Das ist der Sinn von Harm Reduction.

Weiter behauptet die DHS, es sei kein positiver Effekt für die Gesamtbevölkerung zu sehen. Und erwähnt dabei die etwa 75 Prozent Nichtraucher. Was schon albern ist. Denn auch die empfohlenen Therapien und Nikotinpflaster helfen Nichtrauchern nicht.

Man kann also davon ausgehen, dass der einzige Anlass für die Broschüre und Pressemitteilung war, erneut den Narrativ der Pharmalobby und der Quit-Or-die-Mentalität zu erzählen.



Die Klaviatur der Medien spielen

Und darauf verstehen die Lobbyisten sich besser, als die vielen Verfechter der Harm Reduction, die Wissenschaftler und die Branche.

Viele haben bis heute die Erwartungshaltung, was sie in Medien lesen, sei von diesen selber recherchiert, verfasst und überprüft. Doch das trifft in der heutigen Medienlandschaft nur noch auf einen geringen Bruchteil zu.
Viele Inhalte, die wir täglich konsumieren, wurden durch Agenturen gemacht. Die Pressemitteilungen werden häufig schon so verfasst, dass Redakteure sie schnell und einfach umformulieren können. Vor allem kleine Medien wie Lokalzeitungen übernehmen häufig ganze Meldungen wortwörtlich. Und durch das Agenturprivileg sind sie nicht verpflichtet, diese zu prüfen.

Und so hat es auch die Pressemitteilung der DHS in die Deutsche Presseagentur geschafft.
Gestern und heute wurden Artikel dazu in der Süddeutschen, der Zeit, dem Ärzteblatt, der Augsburger Allgemeinen und der Apotheken Umschau veröffentlicht. Und sicher in unzähligen kommunalen Blättern.

Schwer sichtbare Zusammenhänge

Durch Framing wird ein bestimmtes Bild beim Leser erzeugt. Beispielsweise wird von „Fachleuten aus dem Gesundheitswesen und der Wissenschaft“ gesprochen, wobei die meisten an nerdige Forscher in weißen Kitteln denken werden. Tatsächlich sind die allermeisten der Absender dieser Broschüre gar nicht forschend tätig.

In der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind Vereine zusammengeschlossen. Beispielsweise die Caritas Suchthilfe, der paritätische Wohlfahrtsverband und das Deutsche Rote Kreuz. Die DHS ist wiederum Mitglied im Aktionsbündnis Nichtrauchen ABNR.

Einer der wenigen öffentlichen Auftritte der grauen Eminenz der Dampfgegner: Dr. Martina Pötschke-Langer vorm Bundestagsausschuss 2016

Laut einem Spiegel Artikel von 2019 wurde das ABNR 2005 beim Aufbau eines Büros in Berlin durch den Pharmakonzern Pfizer mit 180.000 Euro unterstützt. Damals gab es noch keine E-Zigarette. Inzwischen verdient Pfizer mit seiner Rauchentwöhnungstablette Chantix (Champix, Varenicilin) doppelt so viel wie mit Viagra.
Laut Spiegel „strichen ABNR-Mitglieder alleine von Pfizer und GlaxoSmithKline (GSK) weit über 360.000 Euro ein.” In einem Jahr.
Das sind wenige Eindrücke, die man nur aufwendig herausfinden kann.

Vorstandsvorsitzende des ABNR ist die bekannte Martina Pötschke-Langer. Die praktischerweise auch stellvertretende Sprecherin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist.
Redaktionell gestaltet hat die Broschüre Christina Rummel, die als Ansprechpartnerin des DHS wiederum auch im ABNR angegeben wird.

Konzeptionell beraten wurde bei dieser Broschüre u.a. durch Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Dort war auch Martina Pötschke-Langer lange tätig, als Leiterin eben jener Stabsstelle, die Schaller derzeit leitet. Und deren Vorgesetzte sie war.
Ein weiterer Berater war Prof. Dr. Robert Loddenkemper, Vorstandsmitglied des ABNR. Er war auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie DGP. Deren Jahreskongress 2018 beispielsweise mit 185.956 Euro durch den Londoner Konzern GlaxoSmithKline gesponsort wurde. Dem Hersteller der Nikotinersatztherapien Nicotinell und NiQuitin.

So wird Meinung gemacht

Bei der Broschüre und der Pressemitteilung handelt es sich keineswegs um neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Es gab keinen konkreten Anlass.
Und die getroffenen Aussagen spiegeln keinen wissenschaftlichen Konsens wider. Es sind die Aussagen einer überschaubaren Gruppe von Lobbyisten.

Es ist ein erneutes Beispiel aus dem Lehrbuch, wie eine kleine Klientel im Sinne der Pharma- und Gesundheitsindustrie sehr geschickt die unbestrittenen Vorteile der E-Zigarette verzerrt. (Link unten)

Leider wird diese Form der Lobbyarbeit durch die heutige Medienlandschaft überhaupt erst möglich. In der eine gute Schlagzeile bereits ausreicht, Inhalte häufig nicht geprüft werden müssen und der Stempel eines vermeintlich gemeinnützigen Vereins ausreicht.

Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit.


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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