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Mit der E-Zigarette zur Milliardärin

Der Boom eines Start Up

Wie durch ein Vergrößerungsglas werden die Relationen eines globalisierenden Marktes im Mikrokosmos der E-Zigarette deutlich. In diesem kleinen Paralleluniversum, in dem Hersteller, Händler und Konsumenten sich eines sicher glauben: Die USA und einige Länder Europas sind der wichtigste Markt für Vape Produkte.

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Als größter Markt gelten die innovationsfreudigen Vereinigten Staaten. Gefolgt von Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Doch an der Stelle wird es bereits schwierig. Es gibt wenige Erhebungen zu den tatsächlichen Nutzerzahlen. Unternehmen müssen sich an Ihren Umsätzen orientieren, ein Vortasten im Dunkeln.

Das liegt auch daran, dass die Politik und die Gesundheits- und Pharmalobby gerne Zahlen nach ihren Wünschen auslegen. So gibt es nicht einmal eine einheitliche Definition, wer nun als Dampferin oder Dampfer zu gelten hat.

Soll ein möglichst dramatisches Szenario entworfen werden, spricht man von „ever users“. Also von allen, die jemals eine E-Zigarette ausprobiert haben. Hält man sich an diese Definition, kommt die Centers for Disease Control des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums auf 47 Millionen Nutzer. Zählt man nur diejenigen, die aktuell eine E-Zigarette nutzen, sind es laut letzter Erhebung nur 8,1 Millionen.

Wohl doch viel viel weniger…

Ein kleiner Schock ging Anfang September durch die Branche und die Online-Blase der Nutzer.
Die unabhängige DEBRA Studie (Deutsche Befragung zum Rauchverhalten) der Heinrich Heine Universität Düsseldorf unter der Leitung von Prof. Dr. Daniel Kotz veröffentlichte die neusten Zahlen.

Hatte man vorher gerne mit Nutzerzahlen zwischen einer und drei Millionen Dampfern argumentiert, zeigten diese Zahlen ein deutlicheres Bild. Nur 0,9% der Bevölkerung nutzen regelmäßig E-Zigaretten. Was gemessen an der Gesamtbevölkerung über 14 Jahren lediglich 650.000 Nutzer sind.

Jahrelang wurden exponentiell steigende Branchenumsätze von 400 Millionen bis 600 Millionen jährlich veranschlagt. Allerdings von der Branche selber. Woher diese Zahlen genau stammen und wie sie erhoben wurden, wurde nie dargelegt. Der Händlerverband VdeH verwies auf Statista, Statista verwies auf den VdeH.

Zwei Faktoren scheinen diesen Hype nun in die Schranken zu weisen.
Zum einen die immer genaueren Erhebungen von externen Quellen wie der CDC oder der Uni Düsseldorf. Zum anderen die immer massivere Gegenwehr der Politik, beeinflusst durch die Lobbys, denen die weit weniger schädliche Alternative zum Tabakrauch ein Dorn im Auge ist.
Die Zahlen stagnieren, mit Rückgang ist zu rechnen.

Dennoch sind und bleiben diese Alternativen ein vielversprechender Markt. Selbst wenn man die zum Teil selbstgenerierten Hypes herausrechnet.
Ein beeindruckendes Beispiel lieferte im Januar Kate Wang, die in den immer voller werdenden Olymp der chinesischen Selfmade-Milliardärinnen aufstieg. Mit der E-Zigarette.



Provinz mit 12 Millionen Einwohnern

Kate Wang wurde vor 39 Jahren als Wang Ying geboren. In China ist es inzwischen tradiert, sich im Kontakt mit westlichen Kulturen einen westlichen Vornamen zu geben und die Reihenfolge anzupassen. Aufgewachsen ist sie in Xi’an, der Stadt der weltberühmten Terracotta Armee mit 12 Millionen Einwohnern.

Dort machte sie 2005 auch ihren Bachelor an der Xi’an Jiaotong University, bevor sie dann für drei Jahre als Projekt Managerin zur Procter & Gamble Niederlassung in Guangzhou ging, 1600 Kilometer entfernt. Guangzhou gehört zur größten Megalopolen der Welt, zusammen mit u.a. Hongkong und Shenzhen leben dort über 60 Millionen Menschen. Mehr als in Italien.
Anschließend gründete sie eine Firma in Honkong mit.

Schon 2011 war sie dann an der Columbia Business School der gleichnamigen Universität in New York, um ihren Master zu machen. Sie beschreibt diese Zeit als einschneidend. „Ich war überwältigt von den Möglichkeiten“ sagte sie im März dem Forbes Magazin. „Es war so anders als Xi’an, das sehr bedächtig ist. In New York ist es sehr schwer abzubremsen. Es gab mir eine völlig andere Einstellung.“

Eine ihrer nächsten Stationen war Uber, wo sie eine Niederlassung in der Millionenmetropole Hangzhou aufbaute.

Der Weg zum Dampf

Inzwischen war Wang 36, zweifache Mutter und rauchte hin und wieder. Sie war angeekelt von dem Geruch in ihren Kleidern. Schlimmer war, dass ihr Vater zwei Schachteln am Tag rauchte.
Das war 2017, als Juul in den USA groß wurde und der Hype im Zenit stand.

So begann sie, sich für die E-Zigarette zu interessieren. „Ich probierte einfach alle Produkte aus. Aber die meisten waren einfach grauenvoll.“
Sie kündigte und überredete fünf ihrer Kollegen im Januar 2018 ein Unternehmen zu gründen. Mit dabei einige Profis, die bereits Millionäre waren.

Dennoch starteten sie eine Crowdfunding Kampagne und suchten nach Investoren.
Das Ziel war einfach: Schnittige, kleine und einfach zu bedienende E-Zigaretten, geschlossene Systeme mit einer Handvoll Aromen. Zielgruppe: Die meist älteren, über 300 Millionen Raucher in China.

Der Name des Tech Start Up: RLX Technology.

Gegen das Monopol

Zu der Zeit war der chinesische Markt fast gänzlich unreguliert.
Der Zigarettenmarkt liegt bis heute ausschließlich in der Hand des Staates. Verantwortlich ist der staatseigene Zigarettenhersteller China National Tobacco Corporation (CNTC).

Dieser wird üblicherweise bei den sprichwörtlichen Big Five der Tabakkonzerne nicht mitgezählt. Zumal die spärlichen Zahlen Einschätzungen nur schwer möglich machen.
Zum Vergleich: der weltweit führende privatwirtschaftliche Konzern Philip Morris International setzte 2019 etwa 78 Milliarden Dollar um. CNTC schaffte es bereits 2012 auf 170 Milliarden. Und expandiert seither, inzwischen ist sind die Chinesen in 20 Ländern aktiv.

RLX wollte genau dort ansetzen. Als Konkurrenz zu dem einseitigen Angebot. Und beließ es damit erst einmal bei vorbefüllten Pods mit Tabak und Menthol Aromen.
Inzwischen hat das Unternehmen einige Pod Systeme, nach dem Prinzip von Kapseln für Kaffee Maschinen, unter dem Branding Relx („Relax“ = Entspannen) am Markt. Und so erweitert es auch sein Angebot. Beispielsweise mit dem Aroma „Loudou Ice“, das nach einem sehr beliebten Dessert aus grünen Mungo Bohnen schmeckt.

An die Börse in New York

Die Podsysteme von RLX Technology

Nun gehört dem Unternehmen eine 20.000 Quadratmeter große Fertigung in Shenzhen. Und es wurde eine Tochtergesellschaft gegründet, RLX International. Offenbar zielt man auch auf den internationalen Markt.
So verkauft man die eigenen Produkte auch als OEM Versionen unter fremden Branding ins Ausland.
Laut China Insights Consultancy in Shanghai gehören 60 Prozent des chinesischen Marktes RLX. Der Gewinn wurde 2020 mit 585 Millionen Dollar angegeben. (Also mehr, als der gesamte deutsche Markt an Umsatz erziehlt.)

Im Januar ging RLX Technology an die New Yorker Börse. Wang hält selber 20 Prozent der Aktien und war damit auf einen Schlag über neun Milliarden Dollar reicher.

Doch bereits im März kollabierte die Aktie, der Wert fiel um 54 Prozent. Verantwortlich dafür ist die Unsicherheit der Investoren. Denn China kündigte an, den Markt durch Standards regulieren zu wollen.
„Das stört mich nicht“ sagte Wang, die immer noch Milliardärin ist. „Ich konzentriere mich jeden Tag auf meinen Job. Und der ist: Probleme lösen.“

Aussichten der Extreme

Inzwischen erholt die Aktie sich vorsichtig. Vieles wird davon abhängen, wie die chinesische Regierung mit der neuen Technologie umgeht, ob sie die sehr kleine Konkurrenz zu ihrem Tabakmonopol akzeptiert und wie RLX reagiert. Beispielsweise mit dem privaten Ableger RLX International.
Zumal die US-amerikanische Politik derzeit durch die Aromenverbote weite Teile des eigenen Marktes schlicht hinwegfegt.

Ende März wurde durch die Behörden angekündigt, dass die Regierung E-Zigaretten als Tabakprodukte regulieren würde. Ob sie RLX dadurch unter das staatliche Monopol stellt, ist ungewiss. Zumal es ja nun ein börsennotiertes Unternehmen ist und in einem expandierenden Markt Devisen verspricht.
Und was für RLX gilt, würde auch für alle anderen Hersteller, wie Uwell, Vaporesso, GeekVape und viele andere, gelten.

„Dieser Sektor wird weiter wachsen, mindestens für die nächsten 20 Jahre“ sagte Tristan D’Aboville. Direktor und Analyst der Broker William O’Neil. „Betrachtet man die Bevölkerungszahlen, wird China der nächste große Markt.“

Die Anzahl der Dampferinnen und Dampfer hat sich 2020 in China verdoppelt und soll sich bis 2023 vervierfachen. Dann wäre der Markt mit 31 Millionen Konsumenten weit größer als in den USA und Europa zusammen.

„Es ist kein leichter Job“, sagt die 39-jährige Milliardärin. „Ich habe eine Menge zu lernen und eine Lücke zu schließen.“


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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