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Freie Radikale in E-Zigaretten

Bemerkenswerter Artikel in der Süddeutschen

Gestern erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel über eine Studie, die freie Radikale im Dampf von E-Zigaretten gefunden hat. Die Konjunktive und Zitate machen jedoch schnell klar: Hier wurde wieder ein ungenauer Befund zum Anlass für Stimmungsmache genutzt. Mit recht eindeutigem Absender.
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„E-Zigaretten: Manche Aromen können gefährlich sein“ titelte die eigentlich seriöse Süddeutsche Zeitung gestern Nachmittag. Die URL weißt noch den Titel „E-Zigaretten: Der Geschmack der Gefahr“ aus.

Anlass für den Artikel war eine Untersuchung der Pennsylvania State University, die den Dampf von E-Zigaretten auf freie Radikale hin untersucht hat.
Diese Ergebnisse wurden zwar bereits im März dieses Jahres veröffentlicht. Erschienen ist der Artikel der SZ jedoch nun erst zwei Monate später. Was bemerkenswert ist.

Die offen einsehbaren Fakten sind eher spärlich. Umso schwerer ist der tatsächliche Gehalt des Artikels zu bewerten, da in der Süddeutschen Zitate und Aussagen eines der Forscher angegeben werden, die gar nicht in dem offen einsehbaren Artikel in dem medizinischen Fachmagazin zu finden sind.
Auch dieser Umstand ist durchaus bemerkenswert.

Es ist eine Häufung von bemerkenswerten Umständen.

Freie Radikale eine Theorie

Zumal der Artikel suggeriert, dass es sich bei freien Radikalen um Schadstoffe handelt. Das an sich ist jedoch bereits eine Ungenauigkeit, die eher an eine Werbung für Hautcremes erinnert. Freie Radikale, oxidativer Stress, man kennt die Verkaufsargumente.

Die Süddeutsche und die E-Zigaretten
Screenshot des Artikels (Link unten)

Tatsächlich ist es aber so, dass es sich streng wissenschaftlich um eine Theorie handelt. Um ein Modell, das einige Vorgänge erklären könnte.

Sehr vereinfacht beschrieben besagt das Modell, dass Molekülfragmente im Stoffwechsel – also in der Nahrung oder der Atemluft – dafür sorgen, dass Zellen schneller altern. Da molekularer Sauerstoff eine große Rolle spielt, spricht man auch von oxidativem Stress, dem die Zellen ausgesetzt sind.
Diesen freien Radikalen sind wir also ständig ausgeliefert, sobald wir etwas zu uns nehmen. Oder auch nur atmen.

Diese Theorie wurde anfangs sogar als parawissenschaftlich eingeschätzt. Was für eine wissenschaftliche Theorie eine Ohrfeige ist, denn auch Geisterjagden oder Verschwörungstheorien sind parawissenschaftlich.
Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass an dem Modell etwas dran ist. Es geht dabei aber eher um den Alterungsprozess, weniger um einen Nachweis einer direkten Gesundheitsschädlichkeit, wie man sie allgemein versteht.

Könnten. Beteiligt sein.

In der Süddeutschen heißt es dazu „Die aggressiven Verbindungen könnten an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, Parkinson, Diabetes, Lungen- und Darmkrebs beteiligt sein.“
Diese Formulierung ist beachtenswert korrekt. Diese Verbindungen könnten etwas bewirken. Sie bewirken es nicht. Sie „können“ nicht einmal, sie „könnten“. Und sie verursachen nichts, sie „könnten beteiligt sein“. Eine dreifache Abschwächung in nur einem Satz. Bemerkenswert.
Alleine durch das genaue Lesen wird schnell klar, dass hier keineswegs knallharte Fakten gefunden wurden.




Hinzu kommt, dass es keine sichtbaren Informationen dazu gibt, wie diese Untersuchungen durchgeführt wurden. Es gibt dazu zwei Möglichkeiten, die beide bemerkenswerte Rückschlüsse bedingen.

Wie wurde überhaupt untersucht?

Entweder die Samples wurden durch das Verdampfen durch eine E-Zigarette gewonnen. Dann müsste aber genau angegeben werden, wie. Bei welcher Leistung in welchem Gerät.
Denn wie jeder Dampfer weiß, ist die mögliche Belastung und Menge stark von Faktoren wie dem Material der Heizspirale, der Menge des Liquids, der Leistung, der Temperatur etc. abhängig.

Wurden die Samples aber ohne E-Zigarette gewonnen, handelt es sich um ganz normale Lebensmittelaromen. Mehr nicht.
Die Ergebnisse würden dann eben nicht nur für E-Zigaretten gelten. Sondern für alle Produkte, in denen diese Aromen verwendet werden. Vom Parfüm bis zum Erdbeer Joghurt.

Bedenkliche Mengen gefunden

Ein weiteres Zitat reiht sich ein in die bemerkenswerte Liste bemerkenswerter Schlussfolgerungen.

„Wie jedoch konkret die Mengen der freien Radikale mit Gesundheitsrisiken zusammenhängen, kann John Richie derzeit nicht erklären.
„Wir wissen es nicht. Wir wissen aber, dass sie sehr reaktionsfreudig sind, für oxidativen Stress sorgen und Bestandteile der Zelle angreifen.“ Deshalb seien die gefundenen Mengen bedenklich.“
Süddeutsche Zeitung, „E-Zigaretten: Manche Aromen können gefährlich sein“, 13.05.2018

Der zitierte John Richie ist einer von insgesamt acht Wissenschaftlern. Warum ausgerechnet er sich nach zwei Monaten gegenüber der Süddeutschen äußert, wird das Geheimnis der Zeitung bleiben.

Um diese Aussage einmal verständlich zu machen, sollte man sich verdeutlichen, was John Richie und die Süddeutsche da eigentlich sagen.
„Wir wissen nicht, ab welcher Menge freie Radikale gesundheitsbedenklich sind. Aber die gefundenen Mengen sind bedenklich.“

Wiederholungen der Argumentation

Das ist die gleiche Aussage, die so gerne in Artikeln über die E-Zigarette in anderen Variationen kolportiert wird. Man weiß nicht, ob die gefundene Menge schädlich ist. Aber sie ist schädlich.

Gerne verwendet beispielsweise beim Fund von Formaldehyd in E-Zigaretten: Das in einem Kilogramm Bananen vorhandene Formaldehyd entspricht 40.750 Zügen aus einer E-Zigarette. Wie der Pharmakologe Prof. Dr. Bernd Mayer einmal vorgerechnet hatte.
Aber immerhin: Formaldehyd ist schädlich. Was natürlich auch im Artikel der Süddeutschen nicht unerwähnt bleibt.

„Katrin Schaller sieht darin keinesfalls eine Entwarnung für E-Zigaretten, die zwar wahrscheinlich deutlich weniger schädlich seien als Tabakzigaretten, aber auch „keine harmlosen Lifestyleprodukte“. Die Arbeit von Richies Team lege den Schluss nahe, „dass es sinnvoll sein kann, bestimmte Aromen zu verbieten, weil sie das Gefahrenpotenzial von E-Zigaretten unnötig erhöhen.“ Harmlos würden die Dampfgeräte aber auch dadurch noch lange nicht.“
Süddeutsche Zeitung, „E-Zigaretten: Manche Aromen können gefährlich sein“, 13.05.2018

Bemerkenswerte Zusammenhänge

Die hier zitierte Katrin Schaller ist Mitarbeiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Und gehört damit zum Kollaborationszentrum der WHO.
Sie ist ehemalige Mitarbeiterin der in Dampferkreisen geradezu berüchtigten Dr. Martina Pötschke-Langer. Die in Medien gerne als Krebsforscherin bezeichnet wurde, aber nie eine Forschungsarbeit veröffentlicht hat. Sie hatte die Stelle mit dem sperrigen Namen lange geleitet und zu einer Kollaborationsstelle der WHO gemacht.

Nichtraucherfrühstück
Nichtraucherfrühstück 2016: Vorne Marlene Mortler, hinten Lothar Binding, rechts Katrin Schaller (Foto: Lothar Binding)

Auch an diesem Punkt setzt sich die Liste der bemerkenswerten Zufälle fort.
Denn ausgerechnet die Süddeutsche war es, die in einem Artikel im Mai 2016 aufgedeckt hatte, dass das DKFZ enge Verbindungen zu Pharmakonzernen unterhält.
Die inzwischen nicht mehr beim DKFZ tätige Pötschke-Langer war oder ist auch Mitglied im WAT, dem Wissenschaftliche Aktionskreis Tabakentwöhnung e. V.
Dieser wurde über die PR Agentur Klinksiek im Auftrag der Pharmafirma Novartis Consumer Health gegründet. Und Novartis macht – welch bemerkenswerter Zufall – Milliardenumsätze mit Nikotinersatzprodukten der Nicotinell Serie.

Frau Dr. Schaller war indes auch gern gesehener Gast der alten Bundesregierung. Regelmäßig traf man sich zu einem Nichtraucherfrühstück mit dem Abgeordneten und erklärten Nichtraucherschützer Lothar Bindig. Wobei auch die Speerspitze der gesundheitlichen Aufklärung, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler nicht fehlen durfte.

Heidelberg am Apparat

Natürlich kann man die genauen Vorgänge der redaktionellen Arbeit nur schwer beurteilen.
Doch ein Artikel mit einer solchen Häufung bemerkenswerter Zufälle legt ein Bild nahe.

Das Bild von einer Schaller, die als Nachfolgerin Pötschke-Langers mal wieder PR gegen die E-Zigarette betreiben will. Und weil die Argumente immer dünner werden auf die Gefahr durch (wohlgemerkt zugelassene) Lebensmittelaromen zurückgreift.
Also kontaktiert man einen Redakteur und kramt eine zwei Monate alte, eigentlich nichtssagende wissenschaftliche Arbeit raus.

Hanno Charisius, übrigens freier Redakteur und Schreiber, ist natürlich für etwas Content dankbar und macht einen Artikel daraus. In dem Schaller dann auch ganz nebenbei mal wieder die Forderung nach einem Verbot von Aromen auffrischen kann.

Wie gesagt, man kann es nur mutmaßen.
Die Zusammenhänge bleiben aber mindestens bemerkenswert.


Artikel der Süddeutschen: http://www.sueddeutsche.de/wissen/e-zigarretten-der-geschmack-der-gefahr-1.3975469
Artikel zur Vernetzung des DKFZ und Novartis: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/tabakentwoehnung-wie-die-e-zigarette-ausgebremst-wird-1.2988462
Offener Brief an Lothar Binding: https://www.vapers.guru/2017/03/23/offener-brief-an-mdb-lothar-binding-spd/

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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