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Kleine Anfrage: Regierung hat keine Ahnung von der Umsetzung der TPD

Antwort an die FDP bestätigt das BfTG

Anfang des Monats hatte die FDP Fraktion im Bundestag eine Kleine Anfrage bezüglich der Umsetzung der TPD gestellt. Nun liegt die Antwort vor, mit erschreckend klarem Ergebnis.
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Eine Kleine Anfrage ist ein politisches Kontrollinstrument der Parlamentarier gegenüber der Regierung.

Sie dient weniger dazu, tatsächliche Informationen zu bekommen. Sondern die jeweilige Regierung auf eventuelle Missstände aufmerksam zu machen.
Durch eine solche Kleine Anfrage ist die Regierung gezwungen bei den zuständigen Stellen nachzufragen und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Unter der Initiative des Abgeordneten Dr. Gero Hocker von der FDP, seines Zeichens Wirtschaftswissenschaftler und Fachsprecher für Umwelt und Energie, stellte die FDP Fraktion am 04. Januar eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung bezüglich der Regulierung der E-Zigarette. (Drucksache 19/6833)

Der Händlerverband Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) hatte hierzu den fachlichen Hintergrund geliefert und sicherlich auch auf einige Missstände aufmerksam gemacht.

Die EU hatte 2014 die so genannte TPD 2, die Tabakproduktrichtlinie, beschlossen. (2014/40/EU)
In ihr enthalten sind die Regulierungen der so genannten sechsmonatigen Stillhaltefrist, der Begrenzung von nikotinhaltigen Liquids auf 10ml und 20mg, die Pflicht zur Anmeldung neuer Produkte, etc.
Die Bundesregierung hatte dann in einer eiligen Aktion im Februar 2015 daraus das Tabakerzeugnisgesetz und die Tabakerzeugnisverordnung gegossen.

Die Kleine Anfrage

Nun kam überraschend schnell die Antwort auf die kleine Anfrage. Die wiederum dem BfTG nun vorliegt.
Zusammenfassend und vereinfachend hatte die Fraktion der FDP folgende Fragen gestellt:

  • Wie oft wurden Hersteller und Händler von E-Zigaretten bisher kontrolliert?
  • Wie oft wurden deutsche Importeure bisher kontrolliert?
  • Wurde schon einmal der Verkauf einer E-Zigarette untersagt, weil die sechsmonatige Stillhaltefrist nicht eingehalten wurde?
  • Wie viele der Anmeldungen von neuen Produkten wurden bisher geprüft?
  • Sind die zuständigen Behörden personell und finanziell ausreichend ausgestattet?
  • Werden E-Zigaretten an den Regulierungen vorbei aus Drittstaaten eingeführt und aus welchen Ländern geschieht das?
  • Welche Erkenntnisse gibt es über den Verstoß gegen den Jugendschutz bei illegalen Importen?
  • Wie hoch ist der Schaden, der durch den Direktimport entsteht?
  • Was unternimmt die Bundesregierung, um illegale Importe zu verhindern?
  • Wie oft werden Kontrollen in den anderen Mitgliedsstaaten der EU durchgeführt?
  • Wurden bereits E-Zigaretten in mindestens drei Mitgliedsstaaten verboten?
  • Hat die sechsmonatige Stillhaltefrist bisher zu Verbesserungen des Verbraucherschutzes und der Produktqualität beigetragen?
  • Gibt es einen Erfahrungsaustausch mit anderen Mitgliedsstaaten?

Die Antworten waren zu erwarten und sind doch erschütternd.
Man kann sie nicht anders zusammenfassen als mit einem deutlichen „Wir haben keine Ahnung.“

Nicht zuständig

Bei den Fragen zur innerdeutschen Regulierung verwies die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Länder.
Das ist formal richtig. Da die Durchsetzung der Regulierungen, also beispielsweise der Kontrollen in Vape Shops, Sache der Bundesländer ist. Doch die Ahnungslosigkeit macht trotzdem deutlich, dass es auch keine Stelle auf Bundesebene gibt, welche die Rückmeldungen aus den einzelnen Ländern kontrolliert oder zumindest sammelt.

„§ 28 Absatz 3 Satz 3 TabakerzG sieht zum Zwecke der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben unter anderem vor, dass zwischen den Marktüberwachungsbehörden auf nationaler wie auch europäischer Ebene ein wirksamer Informationsaustausch stattfindet. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Länder zur Information der Bundesregierung über Art und Anzahl der durchgeführten Kontrollen bzw. Beanstandungen gegenüber der Bundesregierung besteht nicht.“
Antwort auf die kleine Anfrage der FDP, Drucksache 19/6833, 17.01.2019

Da drängt sich die Frage auf, wie auf nationaler oder EU Ebene ein „wirksamer Informationsaustausch“ stattfinden soll, wenn die Bundesregierung keine Informationen hat.
Das Gesetz wurde also durch die EU vorgegeben, auf Bundesebene beschlossen, und die Verantwortung für die Umsetzung weitergereicht. Und so wurden auch mehrere Fragen zusammenfassen in einem Aufwisch abgebügelt.

Auch im Verantwortungsbereich Ahnungslosigkeit

Noch deutlicher wird das jedoch bei den Punkten, die tatsächlich die Bundesebene betreffen. Auch dort kam lediglich bürokratisch verklausuliertes Schweigen.

So wurde beispielsweise die Frage nach der Missachtung der Stillhaltepflicht durch Importe ebenfalls damit beantwortet, dass keine statistischen Informationen vorliegen würden.
Doch eben dieses sind zollrechtliche Fragen, und die liegen ausschließlich in der Verantwortung des Bundes. Ein Bundesland könnte das gar nicht kontrollieren, selbst wenn man ihm eine Verantwortlichkeit zuweisen würde.
Der Zoll untersteht dem Bundesministerium der Finanzen.

Gero Hocker
Dr. Gero Hocker (FDP), Initiator der Kleinen Anfrage

Die Frage nach der Missachtung des Jugendschutzes beim grenzüberschreitenden Fernabsatz wurde gar nicht beantwortet, sondern auf die Antwort der ersten vier Fragen verwiesen.
Obwohl auch dafür der Bund und nicht die Länder verantwortlich wären.

So war es der Bundesregierung auch nicht möglich, einen Schaden durch illegale Importe zu beziffern.

Völlig überfordert zeigte man sich dann bei der Beantwortung nach den getroffenen Maßnahmen.
Einerseits verwies man auf die Zuständigkeit der Länder. Andererseits aber auf den Zoll. Dieser müsse mit den Ländern zusammenarbeiten.

Abschließend verwies die Bundesregierung auf die EU, die nach fünf Jahren eine Einschätzung über die Marktentwicklung vorlegen soll.
Auch da bleibt abzuwarten, was die EU vorlegen will, wenn die Mitgliedsstaaten keine Ahnung haben, was bei ihnen passiert.
Immerhin ist Deutschland derzeit der zweitgrößte Markt für Elektronische Zigaretten im Wirtschaftsraum der EU und wird nach dem Brexit der größte sein.

Völliges Debakel erkennbar

Betrachtet man das ganze einmal aus einigem Abstand, wird das tatsächliche Debakel erkennbar, das diese Antwort offenbart.

Es kommt ein neues Produkt auf den Markt, die E-Zigarette. Diese macht es möglich, dass viele Menschen dem Tabakkonsum abschwören können. Es ist also maßgeblich geeignet, Millionen von Menschenleben zu retten.
Eine Auswertung der EU eigenen Zahlen von Dr. Konstaninos Farsalinos hatte bereits 2016 ergeben, dass mit der E-Zigarette bis zum damaligen Zeitpunkt über 6 Millionen Menschen in der EU aufgehört hatten zu rauchen.

In völliger Unkenntnis der wissenschaftlichen Erkenntnisse wurde eher auf Moralapostel und auf Lobbyisten der Pharma Industrie gehört, die das neue Produkt vor allem als Gefahr in die Ohren der EU Beamten geflüstert haben.
Also wurde es strenger Reguliert als es überhaupt Sinn macht.



Diese Regulierung wurde an die Mitgliedsstaaten weitergereicht und die Bundesregierung zementierte es in ein Gesetz. Und obwohl in Deutschland inzwischen etwa drei Millionen Menschen die E-Zigarette nutzen, interessiert es niemanden mehr.

Die Verantwortung für die Durchführung des Gesetzes wird an die Bundesländer weitergereicht. Obwohl diese wohlmöglich noch weniger Fachwissen, geschweige denn Kapazitäten zur Durchsetzung, haben.

Da sich aber die deutschen Händler aus Angst um ihr Gewerbe und vor den kaum zu überblickenden Regulierungen sich natürlich an das Gesetz halten, wird dadurch ein Nachteil für den eigenen Markt geschaffen.
Händler aus Drittländern verkaufen nach Deutschland und scheren sich weder um unsinnige Stillhaltefristen noch um Verbraucher- oder Jugendschutz.
Und die Regierung, die ja genau dieses Gesetz geschaffen hat, hat überhaupt keine Ahnung was vor sich geht.

Was dort passiert ist exakt das Possenspiel, das 1906 um den so genannten Hauptmann von Köpenick abgelaufen ist. Nur dass die Obrigkeitshörigkeit gegenüber dem Militär ersetzt wurde durch eine Obrigkeitshörigkeit gegenüber der EU.
Der Psychologe spricht gerne von Verantwortungsdiffusion und Bystander Effect.

Zeit für klare Worte

Der Händlerverband BfTG geht nun offenbar in die Offensive. Sicher auch bestärkt durch die stattgefundene Gründung eines europäischen Händlerverbandes.

Gab man sich bisher eher diplomatisch zurückhaltend, so hatte man offenbar einen gewissen Einfluss auf diese kleine Anfrage. Und die macht deutlich, dass man mit „diplomatisch zurückhaltend“ nicht weiter kommt.
Es ist nicht möglich die Regierung zu erreichen. Nicht nur, dass sie sich sachlichen Argumenten verschließt. Gefangen im Wahn des vorrauseilenden Jugendschutzes.
Sie weiß von den tatsächlichen Missständen und Schäden gar nichts.

Ein Händler, der erst nach sechs Monaten seine neuen Produkte verkaufen kann, wenn der Markt bereits durch Verbraucherimporte gedeckt ist, der zahlt nun einmal weniger Steuern.
Von Regularien wie Verbraucher- und Jugendschutz, für die die TPD ja angeblich gemacht wurde, ganz zu schweigen.
Die Bundesregierung und die EU hinken nicht nur der Marktentwicklung, sondern dem durch die Globalisierung befeuerten weltweiten Einzelhandel, Jahre – wenn nicht Jahrzehnte – hinterher.

Deshalb veröffentlichte das BfTG heute auf seiner Facebook Seite die klare Forderung nach der Abschaffung der Stillhaltefrist.
Ein deutliches Zeichen, wo die Reise hingehen soll. Es ist ein Fanal.

Nun sind die Händler gefragt, die Sache zu unterstützen. Nun sind die Dampfer gefragt, Ihre Händler darauf hinzuweisen.
Die Dampfer haben einen weiten Weg hinter sich. Doch inzwischen haben der Dampf und die Harm Reduction es bis in den Bundestag geschafft. Der richtige Weg, sich Gehör zu verschaffen.

Die Zeit der Passivität und des Stillhaltens ist vorbei.


Anfrage der FDP: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/068/1906833.pdf
Antwort auf die Anfrage: https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2019/01/223-Antwort-PStF-19_6833.pdf

Drogenbeauftragte will Obergrenze für Nikotin prüfen

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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