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Sat1 Nachrichten: 100 Sekunden zur E-Zigarette

Wie man aus heißer Luft eine Hauptnachricht macht

In den Hauptnachrichten sendete Sat1 gestern Abend einen Beitrag zur E-Zigarette. Die Regierung wolle angeblich die E-Zigarette vom Werbeverbot ausnehmen.
Diese Aussage ist nicht nur falsch. Sie spricht für die Qualität der Nachrichten auf Privatsendern.
Eine Nachricht ohne Nachricht. Inklusive nicht existenter Quellen.
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Zur Hauptsendezeit brachte die Nachrichtensendung von Sat1 gestern die Meldung, die Regierung wolle angeblich die E-Zigaretten vom Werbeverbot ausnehmen.
Der 100 Sekunden Einspieler verriet dem aufmerksamen Zuschauer dabei nicht nur, wie solche Beiträge gemacht werden. Sondern auch, wie man 100 Sekunden einer Nachrichtensendung füllt, wenn man keine Nachrichten hat.

Nicht nur, dass erwartungsgemäß altes Filmmaterial neu zusammengeschnitten wurde. Nicht nur, dass Tabakerhitzer mit der E-Zigarette gezeigt wurden.
Die angebliche Nachricht ist überhauptkeine. Es sind 100 Sekunden heiße Luft ohne wirklichen Informationsgehalt.

Werbung ist längst verboten

Seit 2016 gilt in Deutschland das Tabakerzeugnisgesetz.
Das ist das Derivat aus der Vorgabe der EU, die in ihrer Produktregulierung TPD 2 die Übernahme für alle Mitgliedsstaaten festgelegt hat. In diesen Regulierungen ist auch ein Werbeverbot vorgesehen.
Beispielsweise ist es verboten, für E-Zigaretten oder Tabak-Zigaretten Werbespots im Fernsehen zu schalten.

Sportliche Menschen, die nichts mit der Dampfe zu tun haben: Die Sat1 Nachrichten vom 07.04.2018. (Foto: Sceenshot)

Die wenigen nicht regulierten Werbemöglichkeiten sind unter anderem die Außenwerbung und die Kinowerbung.
Es gibt derzeit Vorhaben in den Fraktionen des Bundestages auch das zu unterbinden.
Daher ist es sicherlich verständlich, dass in der öffentlichen Kommunikation dies auf die Umschreibung „Werbeverbot“ verkürzt wird. Doch eine solche Vereinfachung ist für eine Hauptnachrichtensendung doch eher unangemessen.

Entscheidend ist jedoch ein anderer Faktor. Die Regierung hat gar nicht vor, die E-Zigarette von einem Werbeverbot auszunehmen. Das ganze Werbeverbot ist überhaupt fraglich.
Sowohl die Grünen als auch die Linken haben einen entsprechenden Entwurf eingebracht. Nur der Entwurf der Linken sieht die Ausnahme vor. Der Entwurf der Grünen unter der Federführung der Drogenpolitischen Sprecherin Dr. Kappert-Gonther sieht diese Ausnahme jedoch nicht vor.

Diese Entwürfe müssen erst den entsprechenden Ausschüssen vorgelegt werden. Und dann muss im Bundestag abgestimmt werden. Und dann muss das Gesetz durch den Bundesrat bestätigt werden. Und dann muss der Bundespräsident unterzeichnen.
Die Regierungskoalition aus SPD und CDU hat sich mit ihrer entscheidenden Mehrheit bisher nicht eindeutig dazu positioniert. Und die AfD hat sich als stärkste Oppositionskraft noch nie zu E-Zigaretten geäußert.
Ob die Vorschläge also überhaupt angenommen werden, ist mehr als fraglich. Völlig egal ob mit oder ohne E-Zigarette. Denn Grüne und Linke haben lediglich 136 von 709 Sitzen.

Das in einer Nachrichtensendung auf die Aussage zu verkürzen, die gesamte Regierung wolle die Werbung für E-Zigaretten von einem Werbeverbot ausnehmen, ist falsch.
(Bitte Edit unten beachten)

Alte Aufnahmen, alte Bekannte

Um die hundert Sekunden mit Bildmaterial zu füllen, hat man auf altes Material zurückgegriffen.

Unter anderem ist ein Dampfer mit Brille zu sehen, der genüsslich an seiner E-Zigarette zieht.
Diese Aufnahmen stammen vom Oktober des vergangenen Jahres.
Der betreffende Dampfer ist „Thomas Appelhoff“ (Rechtschreibfehler im Original), Verkäufer in einem Vape Shop der Ladenkette Highendsmoke in Hamburg. Er hatte vapers.guru kontaktiert, nachdem die Aufnahmen von ihm gemacht wurden. Und etwas völlig anderes gesendet wurde, als vorher zugesagt war.
Aber nicht von Sat1, sondern von der Welt.

Tommy bei N24/Welt 2018 und bei Sat1 2019. (Fotos: Screenshot)

Der Regionalleiter von Highendsmoke hatte einem Interview mit der Welt zugestimmt und Tommy hatte sich bereit erklärt das zu machen.
Es kamen jedoch kein Redakteur oder großes Filmteam, sondern lediglich ein selbstständiger, freier Kameramann. Der machte einige Aufnahmen, stellte genau drei Fragen und war wieder verschwunden. (Link zu Tommys Geschichte unten)

In dem Einspieler der Nachrichten ist auch ein Dr. Hering zu sehen, seines Zeichens Lungenfacharzt. Er plädiert in wenigen Sätzen für ein Werbeverbot.
Man kann zwar nicht erkennen, von wann die Aufnahmen überhaupt stammen. Am Mikrofon des Reporters erkennt man jedoch, dass auch diese vornehmlich für die Welt gemacht wurden.
Dr. Hering war bereits im Januar des vergangenen Jahres in Erscheinung getreten, als er sich in einem Social Media Live Stream für den Sender N24 sehr positiv zur E-Zigarette geäußert hatte.

N24 hat inzwischen mit der Welt fusioniert. Und diese geht offenbar häufiger Kooperationen mit der ProSiebenSat1 Mediengruppe ein. Zu der auch der Sender Kabel 1 gehört.
So ist erklärbar, wie auch Monate später Aufnahmen von anderen Sendern plötzlich in den Nachrichten zu sehen sind. Wahrscheinlich wurde keine einzige Sekunde Bildmaterial für diesen Beitrag von Sat1 aufgenommen. News aus der Konserve.



Quellen die es nicht gibt

Die einzigen tatsächlichen Fakten, die auf etwas Recherche schließen lassen, kamen von zwei Organisationen.

Zum einen von der Deutschen Krebsforschungsgesellschaft. Demzufolge hätten gemäß einer Umfrage 20% aller 19 bis 26 Jahre alten Deutschen im Jahr 2018 die E-Zigarette bereits ausprobiert. Doppelt so viele wie im Jahr zuvor.
Da stellt sich die Frage, ob die aus dem Jahr zuvor mitzählen. Denn sonst hätten weit mehr Menschen die Dampfe ausprobiert, als überhaupt rauchen. Würde der Trend sich entsprechend fortsetzen, hätten in weniger als drei Jahren alle Deutsche die E-Zigarette ausprobiert. Inklusive Kleinkinder, Rentner und Krebspatienten.

Das größte Problem daran ist allerdings: Es gibt überhaupt keine Deutsche Krebsforschungsgesellschaft.
Es gibt ein Deutsches Krebsforschungszentrum und eine Deutsche Krebsgesellschaft. Wahrscheinlich muss der Zuschauer hier einfach raten.

Die zweite Information kam vom Kieler Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung. Das hätte festgestellt, dass Jugendliche umso wahrscheinlicher anfangen zu dampfen, wenn sie der Werbung ausgesetzt seien.

Doch da muss erlaubt sein zu fragen, wie das Institut zu den Ergebnissen gekommen ist. Denn die Studie wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht. Und da war die Werbung ja bereits zwei Jahre verboten.
Die Antwort ist einfach: Den Jugendlichen wurden Screenshots von drei Fernsehwerbungen vorgelegt. Und dann wurden sie gefragt, ob sie die Werbung kennen. Dann wurde gefragt, ob die jeweiligen Jugendlichen rauchen. Daraus schloss das Institut dann, dass die Wahrscheinlichkeit um 142% höher liegt, dass diese Jugendlichen auch anfangen zu dampfen.
Ob sie bereits vorher gedampft oder geraucht haben war dafür ebenso unerheblich, wie die Tatsache, ob sie dauerhaft gedampft hätten. (Link zur ganzen Story unten)

Von den hundert Sekunden bleiben unterm Strich also eine Neuigkeit die nicht stimmt, altes Filmmaterial und zwei Angaben, von denen es eine Quelle nicht gibt und die andere fragwürdig ist.

Man kann mutmaßen, ob diese Nachricht nicht durch einen der erwähnten Interessensvertreter angestoßen wurde. Einen Anlass muss es ja gegeben haben. Irgendeinen Aufhänger braucht man eigentlich, um die obligatorischen Warnungen vor dem Teufelszeug verkaufen zu können.
Doch eine Nachricht enthielt die Nachricht nicht.

EDIT 09.04.2019: Wie kurz nach der Veröffentlichung dieses Artikels durch das BfTG auf deren Facebook Fanpage gestern veröffentlicht wurde, wurden die Gesetzesentwürfe bereits durch den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft geprüft.

Die Empfehlung an den Bundestag erging am 03.04. Der Ausschuss empfahl dem Bundestag, beide Entwürfe abzulehnen.
Der Bundestag folgt diesen Empfehlungen in fast allen Fällen.

Die Regierungskoalition hat sich noch nicht dazu geäußert. Es ist derzeit unklar, ob sie selber weitere Entwürfe einbringen wird. Also ob es überhaut ein Werbeverbot geben wird.

Damit war der Beitrag von Sat1 (und Pro7) vom 07.04. bei seiner Ausstrahlung bereits vier Tage überholt und gegenstandslos. Der Aufmacher, die Regierung wolle die E-Zigarette vom Werbeverbot ausnehmen, war also eine klare Falschaussage.

Link zur Beschlussempfehlung: https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2019/04/1909116.pdf


Tommys Geschichte im Blog: https://www.vapers.guru/2018/10/22/sprecht-nicht-mit-der-presse/
Kampagnen gegen die Dampfe: https://www.vapers.guru/2017/09/25/kampagne-desinfomation-blei-im-urin/

Werbeverbot für E-Zigaretten gefordert

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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