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Verbände geben Leitlinien für Werbung heraus

Signal an die Politik oder echtes Engagement?

Soeben veröffentlichten die beiden deutschen Händlerverbände der E-Zigaretten Branche einen Werbekodex. Dieser soll bei den Händlern und Herstellern vor allem ein Bewusstsein für den Umgang mit Werbung wecken.
Doch er soll auch ein Zeichen an die Politik senden. Ob dies noch gelingen wird ist indes fraglich.
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Seit der Umsetzung der TPD in das deutsche Tabakgesetz ist die Werbung für nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten in Deutschland verboten. Zumindest im Netz, Printmedien und im Rundfunk.
Aus dieser Regulierung geht bereits deutlich hervor, dass die Macher vor allem Tabak im Sinn hatten.

Erlaubt ist hingegen weiterhin Werbung auf Plakaten und im Kino. Das gilt ebenfalls für die Tabakzigarette.
Genau deshalb soll es dieser Lücke nun an den Kragen gehen. Ein Umfassendes Werbeverbot ist seit einigen Wochen Dauerthema in den Parteien.

Die Mehrheit der Stimmen fordert, die E-Zigarette wie Tabakzigaretten zu behandeln.
Wie die Tabakzeitung gestern berichtet, war gerade erst die Landesgruppe der CDU in Nordrhein-Westfalen zusammengekommen und hatte hitzig darüber debattiert. Das Ergebnis war, dass zwei Drittel für ein Umfassendes Verbot stimmten.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gitta Connemann plädierte dafür, auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer in dieses Verbot mit einzuschließen. Offenbar herrscht darüber bereits ein Konsens mit der SPD.
Da die Landesgruppe im bevölkerungsstärksten Bundesland die Größte ist, gilt sie immer auch als Pegel, wie die Fraktion sich auf Bundesebene verhalten wird.

Leitlinien und Selbstverpflichtung

Heute veröffentlichten die beiden deutschen Händlerverbände BfTG (Bündnis für Tabakfreien Genuss) und VdeH (Verband des eZigarettenhandels) eine Leitlinie.
Darin geben sie Richtlinien heraus, wie ihre Mitglieder mit Werbung umgehen sollten. Auf zwei kurzen prägnanten Seiten stellen sie gemeinsame Forderungen auf.

So sollen in der Werbung keine Personen mehr als Werbeträger fungieren, die jünger als 30 Jahre sind. Es soll auch auf Werbung verzichtet werden, die durch Zeichentrickfiguren oder fiktionale Charaktere an Jugendliche adressiert.
Es sollen keine Werbeträger genutzt werden, die das Gesundheitswesen repräsentieren oder den Eindruck erwecken, die Produkte hätten eine medizinische Wirkung.

Die Gratwanderung wird dabei an zwei Forderungen sehr erkennbar.
Einerseits soll die Werbung nach dem Willen der Verbände deutlich machen, dass die E-Zigarette weniger schädlich als die Tabakzigarette ist. Andererseits soll vermieden werden, dass der Eindruck vermittelt wird, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich.
Obwohl sie das, nach bisherigem Stand der Wissenschaft, offenbar sind.



Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG, sieht einerseits eine Selbstverantwortung. Andererseits aber auch ein Mittel um Raucher zu informieren. „Die Branche ist sich der Verantwortung bewusst, die sie beim Verbraucher- und Jugendschutz trägt. Der Werbekodex ist ein wichtiges Instrument zur Regulierung von Händlern und Herstellern. Werbung für E-Zigaretten sollte in diesem klar gesteckten Rahmen erlaubt sein, damit erwachsene Raucher gezielt erreicht und zum Umstieg motiviert werden können.”

Dass dies als klares Zeichen an die Politik zu werten ist, lässt sich auch an der Forderung nach einem unabhängigen Kontrollgremium erahnen.
Wer darin Mitglied sein soll und welche Befugnisse es erhalten soll, ist derzeit noch offen.

Diese Leitlinien sind bis zu den jeweiligen Jahreshauptversammlungen als Handlungsempfehlung zu verstehen.

„E-Zigaretten sind ein potenziell lebensrettendes Produkt für erwachsene Raucher – Werbung ist notwendig, um Raucher über diese Tatsache aufzuklären und zum Umstieg auf diese weniger schädliche Alternative zu animieren. Dies muss jedoch verantwortungsbewusst geschehen und ich freue mich darüber, dass beide deutschen Fachverbände sich gemeinsam auf vernünftige Leitlinien dafür geeinigt haben.“
Michal Dobrajc, Vorsitzender VdeH, 15.05.2019

Medien auf der Jagd nach Klicks

Obwohl diese Leitlinien heute erst erscheinen, veröffentlichte die Welt gestern bereits einen langen Artikel dazu.
Der Wirtschaftsredakteur Birger Nicolai unterstellte der Branche Angst vor dem drohenden Werbeverbot.

Der Text selber zeigt jedoch die Suche nach der Anklage. Denn Nicolai setzt die E-Zigarette durchgehend mit der Tabakzigarette gleich.
Natürlich dürfen auch die Hinweise auf die Horrorszenarien aus den USA und einen „besorgniserregenden Hintergrund“ nicht fehlen. So bezeichnet er die Juul als das „iPhone“ unter den E-Zigaretten und als Statussymbol bei Jugendlichen.
Einen Beleg für diese Behauptungen liefert er nicht.

Wie zu erwarten erwähnt er auch, dass der Tabakriese BAT Mitglied im Verband sei. Dass das BfTG keine Mitglieder mit Tabakhintergrund zulässt, ließ er unerwähnt.
Doch es finden sich auch klare Falschaussagen in seinem Bericht. Altria hat sich lediglich bei Juul eingekauft. Ob Juul dadurch zum Konzern gehört ist mindestens fraglich.

Folgen schwer abzuschätzen

Kaum ein Unternehmen der jungen und von klein- und mittelständischen Unternehmen geprägten Branche wird überhaupt Plakatwerbung und Werbespots im Kino nutzen.

E-Zigarette
Gitta Connemann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, will die E-Zigarette in das Werbeverbot einschließen.

Interessant ist ein weiterer Faktor, der von der Politik und den Regulierungen schlicht ignoriert wird.
Es geht nicht um Zigarettenmarken, die Jahrzehnte am Markt sind. Sondern um eine breite Palette von zunehmend kurzlebigen Produkten, die in immer höherer Frequenz auf den Markt geworfen werden.
Daran zeigt sich, dass die Regulierenden den Markt bis heute nicht verstanden haben.
Aufwendige Werbemaßnahmen sind kaum das richtige Mittel, um Liquids zu bewerben, die nach einem Jahr wieder vom Markt verschwunden sein werden.

Es ist noch gar nicht so klar, wie ein solches Verbot formuliert würde.
So ist es durchaus möglich, dass weiterhin lediglich die Werbung für Produkte, nicht aber für Unternehmen verboten sein wird. Denn das entspricht offenbar der Denkweise der Politiker.
Werbung für nikotinfreie Liquids dürfte nur sehr schwer zu verbieten sein. Bestehen sie doch lediglich aus Stoffen, die auch für Lebensmittel zugelassen sind.
Es ist daher nur schwer abzuschätzen, wie weit ein wahrscheinlich kommendes Werbeverbot Auswirkungen auf den Markt haben wird.

Das Life Style Image der E-Zigarette

Umso enttäuschender ist es, dass die Verbände offenbar nicht bereit waren, das Social Media Marketing zu thematisieren. Dazu reicht der Willen zum Einlenken offenbar doch nicht.

Die Branche hat sich seit den letzten Jahren stark verändert.
Wurden zuvor noch hauptsächlich Argumente der Harm Reduction, der Nachhaltigkeit oder des Geschmacks kommuniziert, wandelt sich die Selbstdarstellung der E-Zigarette gerade rasant zu einem Live Style Produkt.

Ein großer Schub erhielt diese Entwicklung durch die Verabschiedung des Tabakerzeugnisgesetzes selber. Es scheint fast so, als würde genau das eintreten, was dadurch eigentlich verhindert werden sollte.
Immer mehr Aromen und E-Zigaretten werden auf den Markt geworfen. Im Kampf um Marktanteile sehen viele Hersteller ihr Heil in der Vermarktung über das Produktimage. Das weit geringere Gesundheitsrisiko wird kaum noch kommuniziert. Kaum eine Werbung adressiert an Raucher, um potentielle Neukunden zu gewinnen.
Konsumenten werden zu Werbeträgern gemacht und vermarkten die Produkte jugendaffin auf Social Media.

Für die Hersteller und Händler ist das nicht nur eine sehr preiswerte Webeplattform. Sondern auf dem durch das Werbeverbot regulierten Markt eine der letzten und damit vielversprechendsten.
Deshalb nutzen vor allem kleine Start-Ups diese Werbemöglichkeit. Da sie aber nicht in den Verbänden organisiert sind, werden Selbstverpflichtungen und Bekundungen des guten Willens wenig bewirken können.

Wird ein Werbeverbot in Deutschland erst einmal verankert, wird es auch über die EU kaum wieder rückgängig zu machen sein. Dafür werden sich keine Mehrheiten finden lassen. Kein Politiker wird öffentlich dafür plädieren, ein Gesetz zum Jugendschutz wieder abzuschaffen. Das wäre politischer Suizid.
Daran tragen die Unternehmen, die sich jetzt selber verpflichten wollen, einen Anteil.
Denn wie bereits die Macher der Juul in den USA, die in ihrer ersten Kampagne als Life Style Produkt an junge Leute adressiert haben, liefern sie der Politik und der Gesundheitslobby selber das schlagkräftigste Argument.
Hält diese Entwicklung an, sind auch weitere Regulierungen denkbar.

Den Schaden hat die E-Zigarette an sich.
Sie wird wieder einmal mit der Tabakzigarette auf eine Stufe gestellt. Und das ist letztendlich das, was in der Öffentlichkeit verhaften bleiben wird.


Die Leitlinien im Original: https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2019/05/werbekodex_bftg-vdeh_05-2019_final_web.pdf
Europäische Bürgerinitiative gegen die Regulierungen: https://www.vapers.guru/2019/04/30/europaeische-buergerinitiative-gegen-die-ueberregulierung/

Profiteure der Angst – Teil 1: Die Konspiration gegen die E-Zigarette

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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