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Regulierer der E-Zigarette wechselt zu Pharmariesen

Chef der amerikanischen FDA neuer Direktor von Pfizer

  • FDA Chef wechselt zum Pharmariesen Pfizer
  • Progressive Einstellung zur E-Zigarette durch Realpolitik gewandelt
  • „Eine Epidemie von nikotinabhängigen Jugendlichen“

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Korruption ist nicht gleich Bestechlichkeit. Als Korruption bezeichnet man auch eine Vorteilnahme oder Vorteilgabe, unangemessene Bevorzugung oder tendenziöse Interessenvertretung.
Man kann nicht nur von Geld korrumpiert werden. Auch durch Macht, Aufmerksamkeit und Ruhm.

Bekannt geworden ist die derzeit noch amtierende und ins Europaparlament wechselnde Drogenpolitische Sprecherin Marlene Mortler.
Sie machte vor allem durch eine erzkonservative Einstellung zum Cannabis auf sich aufmerksam. Cannabis sei verboten, so sagte sie, weil es illegal sei.
Dass Sie selber gelernte Bäuerin ist, ihr von den Eltern übernommener Hof inzwischen vom Sohn geführt und vor allem Geld mit Hopfen zum Bierbrauen verdient wird, schien keine Kognitive Dissonanz oder tiefere Selbstzweifel hervorzurufen.
Kiffen doof, Bier gut. Ein Weltbild kann so einfach sein.

Von sich reden machte jüngst auch Julia Klöckner. Die Agrarministerin und CDU-Vizechefin stellte sich nach einem Gespräch mit dem Deutschland Chef von Nestlé Marc-Aurel Boersch vor die Kamera und erzählte, wie fruchtbar die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen doch sei.
Das ließ sie dann vom offiziellen Account des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft twittern. Übrigens das gleiche Ministerium, das in Deutschland für die Regulierung der E-Zigarette zuständig ist.

Doch es geht auch anders herum.
Der Professor am Universitätsklinikum Tübingen Dr. Anil Batra ist Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis Suchtentwöhnung, Leiter der Erstellung der so genannten S3 Richtlinien für Ärzte zum Tabakkonsum, und sah offenbar keinen Interessenkonflikt in einer Broschüre des Pharmariesen Novartis die Vorzüge der Nikotinersatztherapie zu loben.

Immer wieder geraten Politiker und hochrangige Behördenvertreter in den Verdacht korrumpierbar zu sein. Was ihnen dann schnell den Ruf der Bestechlichkeit einhandelt.
Nicht anders ist es zu erklären, dass sich vor allem auch in der Dampferszene der Vorwurf der Käuflichkeit der Gegner der E-Zigarette hält.

Ein solches Skandälchen spielte sich nun in den USA ab. Was, für sich genommen, sicher nicht dramatisch ist. Was jedoch einige Aussagekraft über die Vernetzung von Politik und Wirtschaft hat.

Amtsantritt mit Paukenschlag

Traditionell ernennt jeder neu gewählte Präsident der USA einen neuen Chef der Regulierungsbehörde FDA, der Food and Drug Agency.
Diese mächtige Behörde mit fast 15.000 Mitarbeitern und Milliarden Budget ist für die Zulassung von Lebensmitteln und Medikamenten zuständig. Mit dazu gehören auch Tabakerzeugnisse.

Die FDA war es, die 2016 die Regulierung für E-Zigaretten und Liquids beschlossen hatte. Die nach Einschätzung verschiedener Wirtschaftsexperten 99% der Unternehmen vom Markt gefegt hätte.
Denn die so genannte Deeming Rule sah vor, dass jedes Produkt umfangreiche Testergebnisse zu präsentieren hätte. Vereinfacht gesagt hätte jedes Produkt nachweisen müssen weniger schädlich als Zigaretten zu sein. Was in dem Zeitraum nicht nur annähernd unmöglich wäre, sondern auch enorm teuer. Denn eine Marke hätte nicht nur einmalig einen solchen Nachweis erbringen müssen. Sondern für jedes einzelne Produkt, also auch für jede Nikotinstärke.
Die Kosten wären pro Branding sehr leicht in die Millionen gegangen. Eine Investition die nur große Tabakkonzerne hätten wagen können.

Hinzu kam, dass die Deeming Rule keine eindeutigen Grenzen festsetzte. Es gab also keine Hürde, die zu überspringen gewesen wäre.
Hätte ein Unternehmen die erforderlichen Dokumentationen vorgelegt, hätte die FDA dennoch die Zulassung ohne Begründung verweigern können.

Donald Trump ernannte Scott Gottlieb, einen sehr konservativen Mediziner und professionellen Interessenvertreter, der auch schon für die FDA gearbeitet hatte. Gemäß eigener Aussage war er zuvor auch für etwa zwanzig pharmazeutische Firmen tätig.

Dieser begann seine Amtszeit im Juli 2017 mit einem Paukenschlag.
In seiner Antrittsrede, über die in vielen Medien berichtet wurde, wählte er tatsächlich die E-Zigarette als Kernthema.
Er stellte mit überraschender Deutlichkeit klar, dass der Teer Menschen tötet und nicht das Nikotin. Daher forderte er, dass eine weniger schädliche Alternative wie die E-Zigarette für erwachsene Raucher frei erhältlich sein müsse.
Und so setzte er die erwähnte Deeming Rule, die im letzten Quartal des gleichen Jahres hätte in Kraft treten sollen, aus. Zunächst bis 2020, dann mit Abstufungen bis 2022.

Das dampfende Amerika atmete auf.

Eine Generation Nikotinabhängiger

Nur ein Jahr später hatte man den Eindruck, Scott Gottlieb sei von der Realpolitik eingeholt worden.

In der Zwischenzeit feierte die Juul, das kleine Kartuschengerät aus San Francisco, weite Erfolge. Und hielt damit nicht hinter dem Berg.
Moralapostel, Verbraucher- und Jugendschützer schlugen Alarm. Das ging so weit, dass eine öffentliche Konsultation der FDA zu dem Thema im Juli 2018 durch 255.000 gefakte Kommentare gegen die Dampfe systematisch „gebombt“ wurde.



Inzwischen weiß man, dass die Meinungsmache mittelbar aus dem Bereich der Pharmaindustrie kommt. Die prominentesten Vertreter sind neben der American Lung Association und der American Cancer Society auch die Kampaign for Tobacco Free Kids. Alle drei Organisationen erhalten jährlich Spenden in zweistelliger Millionenhöhe durch die Johnson & Johnson’s Robert Wood Johnson Foundation, einem Derivat des Pharmariesen Johnson & Johnson. Tobacco Free Kids wurde sogar von dieser Stiftung gegründet.
Johnson & Johnson gehört zu den weltweit größten Herstellern von Nikotinersatztherapien wie Nicorette.

Medienwirksam wurde das Bild einer heranwachsenden Generation von Nikotinabhängigen propagiert.
Die Panik ging um und wird bis heute befeuert. Es wurden an einzelnen High Schools gar die Toilettentüren ausgehängt, damit die Schüler nicht in der Pause heimlich zur E-Zigarette greifen können. Das „juuling“ fand Eingang in den Sprachgebrauch.

Es folgten die zunächst unveröffentlichten Zahlen der CDC (Centers for Disease Control and Prevention). Sie zeigten angeblich, dass ein sehr hoher Anteil der Schüler plötzlich dampft.
Doch wer sich die Zahlen genauer anschaut und sie gegebenenfalls mit den Zahlen beispielsweise aus Großbritannien vergleicht, sieht sehr schnell, dass nicht zwischen einmaligem Gebrauch und dauerndem Konsum unterschieden wurde. Da Schüler sehr viel ausprobieren müssten gemäß der Logik in Deutschland etwa die Hälfte aller Menschen Cannabis abhängig sein.
Hinzu kommt, dass die Zahl der dampfenden Schüler recht genau um den Anteil gestiegen ist, um den er beim Rauchen gefallen ist. Was nichts anderes bedeutet, als dass rauchende Schüler die sehr viel gefährlichere Zigarette durch die E-Zigarette ersetzt haben.

E-Zigarette
Scott Gottlieb verkündet in einer Live Schaltung die Epedimie in den Hauptnachrichten.

Doch solche Feinheiten spielen offenbar keine Rolle, wenn es um Interessen und Gemengelage in der hohen Politik geht.
Im September 2019 verkündete Gottlieb in einem Interview der Hauptnachrichten des öffentlichen Senders PBS, man stünde vor – so wörtlich – einer Epidemie von nikotinabhängigen Jugendlichen.
Die FDA werde ein Verbot von Aromen prüfen. Womit in den USA immer andere Geschmäcker außer Tabak und Menthol gemeint sind.

Anschließend lenkten die E-Zigaretten herstellenden Tabakkonzerne sehr schnell ein. Wohl im Bewusstsein, dass ihre Zielgruppe wenig Interesse an Fruchtaromen hat. Doch auch der Hersteller der Juul gab sich überraschend reumütig und veröffentlichte gar ein Video, in dem ein hochrangiger Mitarbeiter den Schutz der Jugend zur obersten Priorität erklärte.
Inzwischen ist der Verkauf von Liquids mit solchen Aromen in Supermärkten und an Tankstellen bundesweit verboten.

Der Wechsel zu Pfizer

Ende des ersten Quartals gab Gottlieb dann bekannt, als Chef der FDA zurückzutreten. Um mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu können, so die gern genommene Begründung in solchen Fällen.

Kurz nach seinem Rücktritt kehrte er zum Think Tank American Enterprise Institute, einem Vordenker des Neokonservativismus in den USA, zurück.
Mit dazu gehören illustre Personen wie Newt Gingrich, Unterstützer von Donald Trump, der bereits öffentlich die Wiedereinführung eines Komitees für unamerikanische Umtriebe anregte. Oder Paul Wolfowitz, der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister und Leiter der Weltbank. Er musste zurücktreten, nachdem bekannt wurde, dass er seiner Lebensgefährtin massive Gehaltserhöhungen und Karrieresprünge ermöglicht hatte. Auch seine Rolle im Irak Krieg ist häufig kritisiert worden.

Die Bombe platzte nur einen Monat später, als Gottlieb nun ins Direktorium von Pfizer gewählt wurde.
Schnell bemühte Pfizer sich klarzustellen, dass die Gespräche darüber erst nach seinem Ausscheiden aus der FDA geführt wurden.

Bemerkenswert ist nicht nur, dass Pfizer zu den Unternehmen gehört, die von der FDA reguliert und beaufsichtigt werden sollen. Pfizer ist auch Hersteller des in den USA verbreiteten Medikaments zur Rauchentwöhnung Champix.

Sicherlich ist der Grund nicht alleine in der E-Zigarette zu suchen. Die FDA kümmert sich zugegebenermaßen um weit mehr als um Tabak, Nikotin und E-Zigaretten. Doch ein Geschmäkle bleibt allemal. Da es das medienpräsenteste Thema der Zeit in der Position Gottliebs als oberster Regulierer war.

Das gefährliche daran ist jedoch, dass solche Vorgänge, wie das Herbeireden einer Epidemie, natürlich auch auf europäische Medien ausstrahlen. Und von Politikern unhinterfragt übernommen werden.
Doch selbst wenn diese Politiker die Hintergründe hinterfragen würden, würde es sicher sehr wenig Befremden auslösen. In einer politischen Kultur, in der es inzwischen normal zu sein scheint, dass die Drogenpolitische Sprecherin der Grünen Kappert-Gonther mit einem Direktor von Johnson & Johnson zu einer Podiumsdiskussion zur E-Zigarette anreist. Und die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft in einem Videofilm auf der Plattform des Ministeriums das Unternehmen Nestlé lobt, das sie eigentlich in seine Schranken zu weisen und halten hat.

Berührungsängste scheinen in der Politik eher hinderlich zu sein.


Die Einflussnahme von Johnson & Johnson: https://www.vapers.guru/2019/05/08/profiteure-der-angst-2/
FDA prüft Aromenverbot: https://www.vapers.guru/2018/09/14/epidemie-unter-jugendlichen-usa-prueft-verbot-von-aromen/

Weltweit größte Analyse: Es gibt keinen Gateway!

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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