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Verkaufsverbot gegen Juul

Der Spiegel weiß Bescheid, Juul nicht

  • Das Düsseldorfer Landgericht untersagt per einstweiliger Verfügung den Verkauf von Juul Produkten
  • Spiegel Online berichtet, bevor die Verfügung Juul überhaupt rechtswirksam zugestellt wurde
  • Das alles geschieht öffentlichkeitswirksam während der Weltleitmesse Intertabac in Dortmund
  • Intiator ist das gleiche Unternehmen, das bereits im vergangenen Jahr für Aufsehen sorgte

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Bereits am ersten Tag kam es auf der Intertabac in Dortmund zum Eklat. Erneut.
Und erneut geht es von dem gleichen Hersteller aus.

Wenige Stunden nach der Pressekonferenz zum Beginn der Weltleitmesse für Tabakwaren veröffentlicht Spiegel Online einen Artikel zu einem Verkaufsverbot der Juul.

Dem deutschen Ableger des in San Francisco beheimateten Unternehmens Juul Labs seien zwei einstweilige Verfügungen zugestellt worden.
Initiator dieser Verfügungen, die vom Amtsgericht Düsseldorf ausgestellt wurden, ist der Hersteller Niko Liquids aus Essen.

Das Bemerkenswerte daran ist: Juul wusste davon bis gestern Abend gegen 19:00 Uhr offiziell noch gar nichts.

Wie der Unternehmenssprecher Tobias Gerlach in einem persönlichen Gespräch bestätigte, waren diese Verfügungen noch gar nicht offiziell bei Juul eingegangen. Und damit auch noch nicht rechtskräftig.

Bleibt die Frage, woher der Spiegel dann davon wusste. Wenn derjenige, gegen den die Verfügung ergeht, offiziell davon noch nichts weiß.
Seit dem späten Abend erschienen inzwischen mehrere Artikel auf anderen großen Medien. Offenbar war am frühen Abend eine dpa Meldung daraus geworden.

Im letzten Jahr…

Bereits im vergangenen Jahr kam es zu Reibereien mit der Firma Niko Liquids.

Niko Liquids ist innerhalb der Branche ein kleiner Marktteilnehmer. Der eher im Westen der Republik vertreten ist.
Man setzt vornehmlich auf andere Absatzmärkte. Niko Liquids finden sich vor allem in Nordrheinwestfalen in vielen Kiosken, Tankstellen und Zeitschriftenläden. Displays stehen neben Marlboro und John Players.
Im Fachhandel, also in Vape Shops oder bei großen Online Shops, spielen Niko Liquids eigentlich keine Rolle.

Umso beeindruckender ist das selbstbewusste Auftreten auf der Intertabac. Erneut ein großer Stand, direkt am Eingang der Westfalenhalle. In Sichtweite zu Branchengrößen wie EX-Trade und InnoCigs.
Genau dort kam es auch im vergangenen Jahr zu Reibereien.

Die Rückwand des eher bescheidenen Standes von Flavourtec berührte den zweistöckigen Stand von Nikoliquids. Sie überragte den Niko Liquids Stand auf einer Breite von etwa drei Metern um etwa 30cm. Genug um schon beim Aufbau lautstarke Streitereien auszulösen.

Flavourtec wurde am nächsten Morgen eine Abmahnung übergeben. Überraschenderweise ging es darin aber nicht um den Stand.
Flavourtec hatte auf seinem Display die Worte „Shake & Vape“ stehen. Und diese Bezeichnung sei laut Niko Liquids von ihnen geschützt.
Der ebenfalls anwesende Händlerverband BfTG, in dem Flavourtec auch Mitglied ist, nahm sich sofort der Sache an. Denn, so das Argument, eine Produktart könne man nicht schützen lassen.
Die juristischen Auseinandersetzungen dazu dauern nach wie vor an. (Link zum Bericht unten)

Und in diesem Jahr…

In diesem Jahr sollte es nun eine Verfügung gegen Juul sein.
Am frühen Nachmittag machte die Nachricht auf der Händlermesse ihre Runde.

Ein Bonmot ist, dass Juul in diesem Jahr genau den Standplatz hat, den im vergangenen Jahr die von Niko abgemahnte Flavourtec hatte.
Doch entgegen des Aufmachers im Spiegel sollte dort nichts „groß in Szene“ gesetzt werden.
Der Stand des Milliarden Unternehmens ist im Vergleich zum Niko Stand bescheiden. Offenbar hatten die Redakteure keine Zeit sich selber ein Bild zu machen.

Es ist also anzunehmen, dass diese Information von Niko Liquids durchgestochen wurde. Denn zuvor konnten höchstens drei Parteien davon wissen. Das Gericht, Niko Liquids und Juul.



Offenbar geht es um zwei strittige Punkte. Die ähnlich spektakulär erscheinen wie 30cm Übermaß an einem Messestand.
Zum ersten enthalten die Pods der Firma Juul nicht die angegebene Nikotinkonzentration. Was Juul jedoch gar nicht bestreitet.

Doch Juul hat seine Pods nach Eigenangaben in Europa gerade erst umgestellt. Es sind nur noch Pods mit 9mg und 18mg erhältlich. Das bedeutet, dass diese neuen Produkte gar nicht von der Verfügung betroffen wären.
Die alten Pods sind zum größten Teil bereits nicht mehr im Handel.

Juul Intertabac 2019
Der eher bescheidene Stand von Juul auf der Intertabac 2019. Rechts im Hintergrund ist der große Stand von Niko Liquids noch zu sehen.

Laut Spiegel unterstellt Niko, Juul wolle damit den Konsumenten täuschen und Geld einsparen. Denn das Nikotin sei der „mit Abstand teuerste Bestandteil des Liquids“.
Dass dieses und andere Argumente angeführt werden zeigt: es muss zwischen Spiegel und Niko eine Kommunikation stattgefunden haben.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Erklärung, dass im Fall eines Verstoßes Ordnungsgelder von 250.000 € drohen; und später auch Ordnungshaft.
Diese Ordnungsgelder müssen jedoch bei Antrag angegeben werden und sind in jeder Verfügung anders.
Auch dies ein Hinweis, dass Niko dem Spiegel gezielt Informationen zugespielt haben könnte.

Die zweite Verfügung betrifft die Kennzeichnungspflicht.
Die Produkte müssen laut EU Richtlinie mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne versehen sein. Um zu gewährleisten, dass diese nicht im normalen Hausmüll entsorgt werden. Ob es nun um die Pods oder die Akkuträger geht, ist derzeit nicht auszumachen. Die Medienberichte widersprechen sich.

Juul vertritt jedoch den Standpunkt, dass ihre Produkte generell so klein sind, dass eine solche Kennzeichnung dort nicht mehr nötig wäre. Man könnte sie dann sicher kaum mit bloßem Auge erkennen.
Auf der Umverpackung der E-Zigarette ist das Symbol ordnungsgemäß abgebildet.

Gegen diese Verfügung hat Juul gestern Abend bereits Einspruch eingelegt.

Info:

Eine einstweilige Verfügung ist ein vorläufiger Rechtsschutz. Er muss bei Gericht beantragt und in einem Eilverfahren erteilt werden.
Die Verfügung sagt nichts über endgültiges Recht aus. Darüber wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Das Gericht entscheidet nichts, sondern stoppt den bemängelten Zustand um ihn dann zu prüfen.

Juul wurde bislang dazu nicht vom Gericht angehört.

Selbst wenn diese Verfügung so Bestand hat, betrifft sie jedoch nur Juul selber. Die Einzelhändler, wie Vape Shops oder Tabakläden, können weiter verkaufen was sie auf Lager haben.

Wird Niko in einem späteren Verfahren nicht Recht gegeben, könnte Juul unter Umständen sogar Schadensersatz einfordern.

Cui bono – Wem nutzt es?

Die Gerüchteküche der versammelten Branche kochte in Dormund natürlich hoch.

Für Niko Liquids macht es nach allgemeinem Dafürhalten keinen Sinn, Juul juristisch anzugehen. Sie würden dadurch kein einziges Liquid mehr verkaufen.
Niko Liquids vertreibt vor allem Liquids, Juul ist jedoch ein geschlossenes System. Es zielt also auf ein völlig anderes Segment, eine andere Zielgruppe.

Es hatte im Vorfeld bereits Gerüchte gegeben, dass Niko verkaufen wollen.
Das ist schwer nachzuhalten. Denn Niko Liquids ist eigentlich ein ganzes Geflecht aus Unternehmen. Die Niko Liquids GmbH in Essen, die Niko Liquids Distribution GmbH, die Niko Liquids Trading GmbH und irgendwie gehört auch die Tabakwaren Schwenk GmbH dazu, die zuvor scheinbar noch Niko Liquids Real Estate GmbH hieß.

Und irgendwie gehören auch die Dampffuchs Läden dazu, die zuvor von dem damaligen Familienunternehmen German Flavours gekauft wurden. Bevor dieses dann von Flavoutec übernommen wurde.
So würde es vielleicht Sinn machen, wenn Niko versucht an Juul zu verkaufen. Juul könnte beispielsweise Interesse an den Shops haben. Apple Store und IQOS machen es vor.

Mit diesem Gedankenspiel ergibt eine Aussage von Unternehmenssprecher Tobias Gerlach auch Sinn:

„JUUL Labs wurde in den letzten sechs Wochen von einem deutschen Wettbewerber mit rechtlichen Schritten angegangen, welche offensichtlich im Zusammenhang mit den Verkaufsplänen ihres Unternehmens an uns stehen.“
Tobias Gerlach, Sprecher Juul Deutschland, 20.09.2019

Sollten die branchenintern als undiplomatisch geltenden Essener tatsächlich versucht haben, Juul mit juristischen Scheingefechten unter Druck zu setzen, um ihre Verhandlungsposition zu stärken?
Gerlach wollte sich auf Nachfragen nicht weiter dazu äußern.

Denkbar wäre natürlich auch, dass Niko mit der Auseinandersetzung den eigenen Namen ausspielen wollte. Auch schlechte Presse ist Presse.
Denn bei der derzeitigen Berichterstattung ist Juul eh ein Reizwort, eine Presseerwähnung fast sicher.
Doch das wäre Spekulation.

„…dürfte die Diskussion auch hierzulande anheizen.“

Es bleibt bemerkenswert.

Bemerkenswert, dass ein kleiner Marktteilnehmer auf der weltgrößten Messe zum wiederholten male negativ auffällt.
Bemerkenswert, dass er nun auch noch eine juristische Auseinandersetzung mit einem Milliardenunternehmen wie Juul sucht.
Bemerkenswert, dass die wenig nachvollziehbare Motivation dahinter wohlmöglich durch eigennützige Strategien beeinflusst wurden. Nicht dadurch sich vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen, die tatsächlich nicht bestehen.
Bemerkenswert, wie die Medien davon erfahren haben.

Freunde dürfte sich Niko damit in der gesamten Branche keine gemacht haben. Doch die scheinen generell eher rar zu sein.

Nicht nur, dass die E-Zigarette in den USA seit Monaten massiven Anfeindungen ausgesetzt ist. Nicht nur, dass die verzerrte Berichterstattung der deutschsprachigen Medien der letzten Wochen erste Auswirkungen auf die Umsätze der kleinen Einzelhändler und Vape Shops hat. Nicht nur, dass eine unbedeutende Studie zum Pulegon zu Schlagzeilen führt. Nicht nur, dass eine Panik vor Sucralose jenseits aller Relationen durch sensationsheischende YouTuber losgetreten wird.

Nun geht auch noch ein Marktteilnehmer hin und bricht einen kleinteiligen Streit vom Zaun. Dessen Grund sich niemandem so recht erschließen will.
Das wird natürlich vollmundig von den Medien ausgenutzt.

Der letzte Satz der Spiegel Redakteure Dinah Deckstein und Martin Hesse lautet „Der Verkaufsstopp von Juul-Produkten – auch wenn er nicht mit Gesundheitsrisiken begründet ist – dürfte die Diskussion um die Risiken der Produkte auch hierzulande anheizen.“

Ja selbstverständlich dürfte er. Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Denn genau diejenigen, die diesen Artikel schreiben, sind ja die, die Diskussionen anheizen.

Juul wird durch diesen Angriff sicher keinen Schaden nehmen.
Die E-Zigarette wird dadurch weiter in den Schlagzeilen bleiben. Sicher nicht zu ihrem Vorteil.

Und worum geht es tatsächlich?
Um eine durchgestrichene Mülltonne, den Nikotingehalt von Produkten die gar nicht mehr produziert werden und offenbar ein sehr großes Ego.


Der Artikel auf SPON: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/juul-darf-in-deutschland-vorerst-keine-e-zigaretten-mehr-verkaufen-a-1287874.html

Abmahnung während Messe: Shake & Vape ist geschützt

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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