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Ode an die Fertigcoil

Oft unterschätzt und doch zu empfehlen

Es gibt solche Tage, an denen man vorher nicht weiß, dass sie besonders werden. Alles ist wie immer, nichts deutet auf ein einschneidendes Erlebnis hin. Trotzdem passiert eine Kleinigkeit, die das Leben nachhaltig beeinflussen kann.
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Ende September 2014. Ich war beruflich im Ruhrgebiet unterwegs und stand mit einem Kunden vor einer Messehalle herum, um noch eine zu rauchen. Natürlich hatte ich, wie fast jeder langjährige Raucher, schon mehrfach versucht aufzuhören – mehr oder weniger erfolgreich für einige Monate bis über 3 Jahre. Irgendwie kam ich aber immer wieder zurück und qualmte genau so viel wie vorher, eine Schachtel bis ein Bigpack pro Tag war es immer.

Da zog ebendieser Kunde eine E-Zigarett raus und dampfte lustig los.
Klar hatte ich schon vorher von E-Zigaretten gehört und gelesen, mich aber nie wirklich damit befasst. Wir kamen ins Gespräch darüber, er dampfte bereits seit über einem halben Jahr. Da der Arbeitstag sowieso vorbei war, hatten wir beide noch Zeit und es entwickelte sich ein „Aufklärungsgespräch“.
Was mich hierbei am meisten überzeugte war, dass er sich eingehend mit der Thematik beschäftigt hatte und auf alle Fragen eine Antwort hatte. Hierbei war es aber kein Verkaufsgespräch, sondern Hintergrundwissen über Zusammensetzung, Wechselwirkungen, Gesundheit und vieles mehr.

Erste Dampfversuche

E-Zigarette
Westerwald: Das Outback des Dampfens

Zu Hause befasste ich mich dann recht eingehend mit dem Thema, wobei die Informationsvielfalt deutlich eingeschränkter gegenüber heute war. Hinzu kommt, dass ich in einem kleinen Dorf im Westerwald wohne. Ich hatte bis dato noch niemanden im Umfeld mit einer E-Zigarette gesehen. Also war Recherche über das Internet angesagt.

Das Rauchen eine Sucht ist, die kein klar denkender Mensch, der der Sturm-und-Drang-Zeit entwachsen ist aus Überzeugung praktiziert ist klar. Die Grundidee der gesünderen Alternative unter Beibehaltung der Rituale fand ich spannend und logisch. Also wollte ich es versuchen.

Wie gesagt: plattes Land, die nächste Stadt 40km entfernt. Also hin zu meinem Tabak-Dealer und nach einer E-Zigarette gefragt. Ich hätte auch nach einem Kilo Crystal Meth fragen können… Die Reaktion wäre vermutlich die gleiche gewesen.

Falsches Gerät aller Anfang Laster

Das gleiche Spiel lief bei weiteren Zigarettenshops, bis ich einen Laden fand, der einige Vype-Pens feilbot.
Also ein Starterpaket mit ein paar Kartuschen gekauft und zu Hause erst mal ausprobiert.
Optik, Haptik und Handhabung sind schon sehr am Zigarettenkonsumenten ausgerichtet. Es war zwar nicht die Erleuchtung, aber ich habe mich ein paar Tage damit „über Wasser gehalten“. Mehr war es nicht. Irgendwie war das Nikotinverlangen damit gestillt. Irgendwie hatte ich natürlich gehofft, dass der Schmacht nach Zigaretten nachlässt, dem war aber nicht so.

E-Zigarette
Kurzer Hype um den Vype

Irgendwann habe ich versucht die Dinger direkt auf Lunge zu dampfen – ein ähnlich hoffnungsloses Unterfangen wie einen Golfball durch einen Gartenschlauch zu saugen. Nach einigen Tagen wurde die erste Zusatzzigarette geraucht (um wieder auf den Pegel zu kommen), dann die zweite… und schon wurde wieder genauso viel geraucht wie vorher. Also flog das Ding wieder in die Ecke und ich habe mich versucht weiter zu informieren. Aber mit gebremsten Enthusiasmus.
Grundsätzlich war ich von dem System „Ersatzbefriedigung bei deutlich geringerem Schaden“ überzeugt, mir fehlte aber der richtige Ansatzpunkt was ich falsch gemacht hatte.

Richtiges Gerät, richtiger Dampf

Gerade als das Thema fast wieder in Vergessenheit geraten war traf ich den Kunden von der Messe wieder zu einem netten Abend bei Steak und Bier. Wieder hatte er seine Dampfe dabei… und wieder kam das Thema darauf.
Durch meinen Erstkontakt mit der Vype waren meine Fragen nun deutlich präziser und ich erhielt viele Tipps und Hinweise. Mit frischem Mut ging ich zwei Tage später in ein Dampferfachgeschäft – also einen klassischen Tabakladen, der aber zumindest ein paar kleines Grundsortiment an Einsteigergeräten vorrätig hatte. Kurzum: die Beratung war unter aller Granate, trotzdem nahm ich eine Elounge SilverCig und ein paar Fertigliquids mit.

Aha.. das war doch schon mal eine ganz andere Geschichte.
Hier kam Geschmack, die 18mg Liquids taten ihren Zweck, und ich konnte tatsächlich einige Wochen überstehen, ohne dass mir das Rauchen gefehlt hätte.
Innerhalb relativ kurzer Zeit bemerkte ich tatsächlich Veränderungen. Der Geschmackssinn kam wieder zurück, ich konnte mehrere Stockwerke Treppen steigen ohne kurz vor dem Kollaps zu stehen….
Kleinigkeiten halt. Spätestens hier war mir klar, dass die Grundidee hinter der E-Zigarette richtig ist.

Ohne Ansprechpartner ist es schwer

Da ich immer versuche analytisch an Sachen heranzugehen, habe ich mich mehr und mehr mit dem Thema befasst. Was ist dem Liquid enthalten? Wie wirkt es auf das Suchtverhalten (körperlich und psychisch)? Und so weiter.
Informationsquelle waren in erster Linie Internetforen. Von deren Welt war ich aber meilenweit entfernt. Da ich weder Selbstwickler war, noch literweise das Zeug selbst mischte.
Trotzdem habe ich versucht so viele für mich relevante Informationen zu bekommen wie möglich.

Leider gab es faktisch keinen direkten Ansprechpartner, kein Mensch in meinem Dunstkreis dampfte, Shops gab (und gibt) es nicht und die Internetforen waren voll mit Dampfern, die sich über das neueste Wickeldeck unterhielten – und Noobs meist nur müde belächelten.
Also nuckelte ich weiter an dem Dampfstrohhalm. Der eigentliche Grunde des Dampfens und Langfristziel war ja das Aufhören mit dem Rauchen. Also begann ich das Nikotin zu reduzieren, von 18mg runter auf 6mg.




Im Nachhinein gesehen war das zwar falsch, entsprach aber meiner damaligen Logik. Das führte nur dazu, dass ich mehr und intensiver an den kleinen Stick zog. Also musste etwas Leistungsstärkeres her.
Im Hinterkopf war immer die zigarettenähnliche Form, also fiel die Wahl auf das Aspire Atlantis Platinum Kit. Für damalige Verhältnisse Leistung satt – und eröffnete mir den Weg in das Selbstmischen.
Hier hatte ich nun endlich ein Setup das wirklich alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Umstieg hatte.

Drei Merkmale für ein gutes Umsteigergerät

Erstens: Zigarettenähnliche Bauform.
Das erachte ich bis heute für den direkten Umstieg vom Rauchen für ein wichtiges Kriterium. Auch wenn das Handling selbstverständlich unterschiedlich zur Zigarette ist (ich habe noch niemanden zwischen Zeige- und Mittelfinger dampfen gesehen) entspricht dem doch einiges. Der Mensch ist nun mal Gewohnheitstier und es gibt sofort ein vertrautes Gefühl.

Zweitens: Ständige Verfügbarkeit.
Die Sucht ist ein Arschloch. Schon die Befürchtung davor, dass man die Sucht für eine bestimmte Zeit nicht befriedigen kann startet Vorgänge im Körper die vergleichbar mit lebensbedrohlichen Situationen ist. Da latscht man auch mal gerne abends um elf bei strömendem Regen an die Tanke im Nachbarort, nur um ein Päckchen Zigaretten zu holen. Daher ist eine kompakte Bauform wichtig, sodass man ständig die Dampfe bei sich tragen kann und genügend Akkuleistung für die nächsten Stunden sowie ein ausreichender Tank.

Drittens: Einfache Handhabung.
Ich will einfach dampfen – nicht erst Drähte wickeln, Watte zupfen und, und, und. Für mich gehört das simple Handling fast zur ständigen Verfügbarkeit dazu. Coil rein, Liquid drauf, fertig.
Wohlgemerkt: es geht hierbei erst mal um die Suchtbefriedigung als solche, nicht um das Hobby „Dampfen“.
Alles andere sind Luxusprobleme. Welche Watte schmeckt am besten? Nehme ich lieber staple staggered fused clapton Coils oder einen twisted Kanthal?
Das ist sowas von egal, wenn man erst mal auf Turkey ist.

Enthusiasmus und Geschmacksfindung

Asprie Atlantis
Mit dem Atlantis hat es dann endgültig geklappt.

Hätte das Aspire Kit Wechselakkus gehabt, würde ich sie vermutlich bis heute dampfen. Denn wirklich Grundlegendes hat sich bis zu meinem heutigen Status nicht geändert.

Der Rest ist Enthusiasmus und Geschmacksfindung. Für unterwegs habe ich immer noch die Pico mit Melo2 dabei, da sie alle obigen Punkte in Perfektion abdeckt. Für mehr „Bums“ und Geschmack ist es die Teslacig Nano mit Crown3, auch hier stehen ebendiese Punkte im Vordergrund. Diese Kombination ist lediglich etwas unhandlicher, was ich aber für ein besseres Geschmackserlebnis in Kauf nehme. Denn hier tritt lediglich die Handlichkeit etwas in den Hintergrund, alle anderen Merkmale sind vorhanden. Das ist für mich auch der Grund warum ich mich bislang gegen das Selbstwickeln entschieden hatte. Es gibt einen möglichen Vorteil des besseren Geschmacks – dem steht aber der Mehraufwand und das schwierigere Handling entgegen.

Kein großer Preisvorteil

Den Preisvorteil lasse ich auch nur bedingt gelten. Durch das Selbstmischen spare ich so viel, dass ein paar Coils nicht wirklich ins Gewicht fallen. Hinzu kommt aber noch der Zeitaufwand.
Hier muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, was ihm seine Zeit wert ist. Wohlgemerkt: nicht als Hobby, sondern als primärer Zweck des Dampfens. Nehmen wir einmal als Richtwert einen fiktiven Wert, den mir meine Freizeit selbst wert ist. Ich für mich setze diesen Wert auf 40€ die Stunde. Diesen Wert mag jeder für sich selbst definieren.

Ich mische zum Beispiel normalerweise sonntags meinen Vorrat, in einer Stunde schaffe ich typischerweise 15-20 Mischungen mit (in der Regel) je 50ml oder 200ml. Das sind so die Größen, die ich mische.
Das bedeutet, ich erhalte (konservativ gerechnet) 12x50ml + 3x200ml = 1200ml feinstes Liquid. Da ich in der glücklichen Lage bin noch auf haufenweise Bunkerbase zu sitzen, komme ich auf einen Preis für diese 1,2 Liter von roundabout 80€. Bei einem Tagesbedarf von 30ml ist das also ein guter Monatsvorrat. Wenn ich dem Preis günstige Fertigliquids entgegensetze, die so ab 3,50€ für 10ml zu haben sind, liege ich bei 420€ für diese 1200ml. Das bedeutet für die Stunde Arbeit spare ich 340€.

Rechne ich das ähnlich für Coils durch, merkt man sofort, dass diese Ersparnis nicht einmal ansatzweise durch Selbstwickeln erreicht werden kann. Das beginnt schon damit, dass ein Monatsbedarf Coils bei typischerweise 2-3 Coils liegt. Vier Crown3-Coils kosten nicht mal 12€. Das wäre schon mal das Maximum an Ersparnis, das möglich ist. Jeder, der die Coils kennt, die halten auch gerne mal 4-6 Wochen.

Kann Hobby werden, muss aber nicht

Also kann es der Preis schon mal nicht sein, da braucht man gar nichts rauf- oder runterzurechnen. Wickelt man von Grund auf selbst – und man rechnet den oben angesetzten „Stundenlohn“ gegen, kommt man mit einer Standardwicklung Imkerdraht und Watte aus der Drogerie verlegen mit Glück an den Preis einer guten Fertigcoil ran.
So gesehen ist das Selbstwickeln also reines Hobby, denn man spart kein Geld und es ist zeitintensiver als Fertigcoils.

Ich rate daher jedem, der das Dampfen als Alternative zum Rauchen betreibt, sich einen brauchbaren Fertigcoiler zuzulegen. Er bedient alle drei oben genannten Ansprüche, ist günstig und mehr als ausreichend.
Leider kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Fertigcoil-User eine Art „Dampfer zweiter Klasse“ sind. In praktisch jedem Forum, Facebookgruppe, wasauchimmer wird man müde belächelt und Empfehlungen gehen fast ausschließlich in Richtung Selbstwickler.
Wenn Umsteigewillige von Zigarette als Empfehlung einen Pharao RTA mit Tankerweiterung erhalten, schlägt mein Kopf schon mal gerne auf der Tischplatte auf.

Warum schreibe ich das Ganze hier überhaupt?

Jetzt, nach einigen Jahren des Dampfens ziehe ich ein kleines Resümee.

Mittlerweile liegen hier ein Ammit und ein Avocado Selbstwickelverdampfer. Diese habe ich nicht, weil die Fertigcoils nicht mehr ausreichen. Mit meinen derzeitigen Setups bin ich mehr wie zufrieden. Ich erwische mich sogar immer öfter dabei, dass ich die alten Atlantis-Coils rauskrame und damit gut klarkomme.
Wolken werden total überbewertet, wer Geschmack will kommt mit 50:50 Base und einem leckeren Aroma sehr, sehr weit – für kleines Geld.

Mich jetzt mit dem Wickeln zu befassen ist reiner Spieltrieb und Wissensdurst. Fast jeder Dampfer kommt dazu, weil er von den Zigaretten weg will.
Alles, was man dazu benötigt ist ein kompaktes Mittelklassegerät das die drei wichtigen Punkte abdeckt – mehr nicht. Alles Weitere ist Geltungsbedürfnis und/oder Spieltrieb.

Ob man dann tatsächlich komplett aufhört oder unter dem Gesichtspunkt der „harm reduction“ weiterdampft ist jedem selbst überlassen. Der Schritt „weg von der Fluppe“ ist der wichtigste.

„Wissenschaftliches Denken sollte nicht aus der Position des Wissens, sondern aus der Position des Suchens nach Wissen erfolgen“
Manfred Gerspach, Das Eigene und das Fremde


Tips zum vielversprechensten Umstieg: https://www.vapers.guru/2017/02/25/fahrplan-vom-rauch-zum-dampf/

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Timo Manges

Freier Redakteur bei vapers.guru
Betriebsleiter im Sicherheits-Großhandel. Freizeit-Schreiberling in einigen Blogs und Foren verschiedenster Fachrichtungen. Dampfer seit 2015.

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