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Warum wir auf Social Media keine Meinungsfreiheit haben

Unrechtseinbildung vernebelt die Wahrnehmung

  • Der Begriff der Meinungsfreiheit wird häufig völlig falsch interpretiert
  • Facebook kann auf Facebook machen was Facebook will
  • Die öffentliche Stimmung und die Politik haben unmittelbare Auswirkungen auf der ganzen Welt

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Vor einer Woche untersagte Facebook den privaten Handel mit E-Zigaretten.
Viele Gruppen wurden geschlossen, einige wieder aufgemacht und einige von den Administratoren gelöscht.

Verständlicherweise fühlten sich einige Nutzer durch diese Maßnahme gemaßregelt und unterdrückt. Es waren sehr viele derartige Kommentare zu lesen. Von Forderungen nach Rechtsanwälten bis zu Zitaten von irgendwelchen Gerichturteilen.

Das betrifft jedoch nicht nur die Dampfer. Immer wieder kann man auch auf den Facebook Seiten großer Medien lesen, bestimmte Maßnahmen von Social Media Plattformen würden gegen die Meinungsfreiheit verstoßen.

Das mag nach dem moralischen Empfinden des einzelnen Nutzers so sein. Es hat jedoch mit der juristischen Realität nichts zu tun. Dem liegt ein sehr grundsätzliches Missverständnis zugrunde.

Da auch auf den Plattformen von VAPERS.GURU mehrfach solche Kommentare geäußert wurden, ist es vielleicht an der Zeit, das ganz grundlegend einmal zu erklären.
Denn dieses Missverständnis zeigt auch, dass vielen Nutzern nicht bewusst ist, wo und in welchem rechtlichen Rahmen sie sich auf Social Media bewegen. Und da das meiste der so genannten Dampferblase sich auf YouTube, Facebook, Twitch, Instagram und anderen Plattformen abspielt, ist es doch wichtig dies zu verstehen.
Verschwörungstheorien entstehen aus Unwissenheit; aus fehlenden Informationen. Diese fehlenden Informationen werden dann durch Glaube und Meinung ersetzt.

Die E-Zigarette ist breiten und massiven Angriffen ausgesetzt. Was von sehr vielen Nutzern offenbar nicht gesehen wird.
So hält sich bis heute die Theorie, dass die Tabakindustrie hinter den Angriffen steckt. Obwohl sie inzwischen zu den größten Verdienern des Marktes gehört. Doch die Angriffe kommen von einer ganz anderen Seite.
Verschwörungstheorien über Social Media führen nur dazu, dass noch mehr Verwirrung und Unverständnis entstehen.

Staat, natürliche Person und juristische Person

In Deutschland gibt es eine Verfassung. Diese Verfassung heißt Grundgesetz.
Dieses Grundgesetz sagt den Bürgern verschiedene Freiheiten und Rechte zu. Beispielsweise das Recht auf Religionsfreiheit, die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit.

Diese Meinungsfreiheit ist ein Schutzrecht gegenüber dem Staat. Es schützt die Bürger vor dem Staat.
Das bedeutet, dass niemand in der Bundesrepublik für das Äußern seiner Meinung vom Staat bestraft werden darf.
Es bedeutet jedoch nicht, dass man seine Meinung immer und überall äußern darf. Oder sogar ein Recht darauf hätte, sie zu äußern.

Das wäre auch völlig absurd. Denn das würde bedeuten, jeder dürfte jederzeit in das Wohnzimmer eines anderen spazieren, um seine Meinung dort zu äußern. Vereinfacht gesagt endet die Meinungsfreiheit bei den Rechten anderer.
Das Grundrecht beschreibt also lediglich das Rechtsverhältnis zwischen dem Staat und dem Bürger. Nicht zwischen zwei Bürgern untereinander.

Bürger bzw. Personen teilen sich in zwei Gruppen.
Einmal so genannte natürliche Personen. Damit sind die tatsächlichen Menschen gemeint. Und einmal juristische Personen. Das sind Unternehmen, Vereine, Verbände, etc.

Facebook, YouTube, Twitter und Konsorten sind juristische Personen. Mit diesen Personen schließt man einen Vertrag. Dazu haben wir noch eine Freiheit in der Bundesrepublik, die Vertragsfreiheit. Jede Person, also auch Unternehmen, dürfen mit anderen Personen Verträge schließen.
Verträge beschreiben das Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen. Nicht zwischen einer Person und dem Staat. Weshalb der Begriff der Meinungsfreiheit hier also grundlegend falsch ist.

Jeder, der einen Account auf Facebook, YouTube oder irgendeiner anderen Plattform anlegt, bestätigt damit einen Vertrag. Den diese Unternehmen vorschreiben.
Sie sagen vereinfacht gesagt jedem Nutzer: „Du schließt diesen Vertrag zu unseren Bedingungen ab, oder wir wollen keinen Vertrag mit dir schließen.“ Lehnt man den Vertrag ab, bekommt man keinen Account.

Diesen Verträgen werden üblicherweise Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Nutzungsbedingungen genannt. Oder sie sind Teil des Vertrages, in dem man sie akzeptiert.
In diesen Bedingungen steht noch einmal ausdrücklich drin, dass die Plattform jedes Recht hat, jeden Beitrag zu löschen oder den Vertrag mit jedem zu kündigen.
Man hat kein Recht darauf, sich dort äußern zu können. Es wird von diesen Unternehmen lediglich geduldet.

Daher ist es auch vollkomen unsinnig, auf seinem Profil auf Facebook den AGB zu widersprechen. Wie es immer mal wieder Mode ist. Man hat sie akzeptiert, sonst konnte man nicht auf Facebook Profil widersprechen.

Ein Wirt und seine Kneipe

Nun verleitet die schiere Größe dieser Plattformen viele dazu, die Plattformen für „das Internet“ zu halten. Viele halten Facebook und Co für die Öffentlichkeit.
Doch das ist falsch.

Das liegt auch daran, dass niemand sich die Mühe macht, die AGB zu lesen. Denn dann würden viele merken, dass es schlicht ein Handelsvertrag ist. Oder besser ein Dienstleistungsvertrag.
Man bekommt das Recht Beiträge zu sehen und selber etwas auf der jeweiligen Plattform zu veröffentlichen. Das ist jedoch nicht kostenfrei, man bezahlt dafür mit seinen Daten.

Eigentlich ist das nichts anderes, als die Situation in einer Kneipe.
Es gibt staatliche Regeln, an die jede Kneipe sich zu halten hat. Aber das betrifft nur den Wirt und den Staat. (Person vs. Staat)
Der Gast geht mit seiner Bestellung einen Handelsvertrag mit dem Wirt ein. (Person vs. Person) Und der Wirt bestimmt, unter welchen Bedingungen er zustande kommt. Beispielsweise zu einem bestimmten Bierpreis.
Natürlich könnte auch der Gast bestimmen, unter welchen Bedingungen er bereit wäre, einen Vertrag mit dem Wirt einzugehen. Doch das würde kein Wirt eingehen.
Mit seiner Speisekarte macht er ein Angebot für einen Vertrag mit dem Gast. Davon wird er in den seltensten Fällen abweichen. Mit einer Bestellung akzeptiert man den vom Wirt angebotenen Vertrag.



Die Kneipe, die Disco oder das Restaurant ist auch kein öffentlicher Raum. Es ist privat und der Wirt hat das Hausrecht. Er darf in seine Kneipe lassen wen er möchte. Und er kann auch Gäste ablehnen, wie er möchte.
Niemand hat ein Anrecht darauf, in einer bestimmten Kneipe bedient zu werden.

Wir schließen täglich solche Verträge. Ohne es zu merken.
Wenn wir mit der Bahn fahren oder beim Einkauf im Supermarkt, ob wir ins Freibad gehen oder ins Kino, ob wir uns eine App runterladen oder einen Mail Account anlegen.

Bezogen auf das Beispiel Social Media müsste man nur einmal den Umkehrschluss machen. Der ist in der Logik immer hilfreich.
Hätte jemand das Anrecht darauf, dort seine Meinung zu äußern, würde das auch alle anderen Internetseiten betreffen. Und jede andere Veröffentlichung.
Das würde bedeuten, dass jemand eine Mail an VAPERS.GURU schreiben könnte, und VAPERS.GURU gezwungen wäre, das zu veröffentlichen.
Man stelle sich einmal vor, wie das bei Printmedien aussehen sollte. Stern und Spiegel wären doppelt so dick, weil die zweite Hälfte mit den Veröffentlichungen von Leserbriefen voll wäre. Die Bild wäre dick wie ein Telefonbuch.

Auf eine Formel gebracht würde es also korrekterweise lauten:
Jeder hat in der Bundesrepublik das Recht, seine Meinung im Rahmen anderer Gesetze zu äußern, ohne dafür vom Staat bestraft zu werden. Aber keiner hat einen Anspruch darauf, dass andere Personen ihm eine Plattform zur Verfügung stellen, um seine Meinung einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.

Verwirrendes Urteil in München

Im August des vergangenen Jahres hat das Oberlandesgericht München in einem Verfahren dazu ein Urteil gefällt, das mehr für Verwirrung gesorgt als Klarheit geschaffen hat.
Dies wurde reichlich von Rechtspopulisten ausgenutzt.

Das liegt aber vor allem daran, dass auch große und seriöse Medien wie die Süddeutsche und die Frankfurter Allgemeine das Urteil schlicht falsch interpretiert haben. Denn viele Medien titelten, dass Facebook die Meinungsfreiheit beachten müsse wie der Staat. Was schlicht falsch ist.

Die bayerische AfD-Politikerin Heike Themel kommentierte unter einem Beitrag von Spiegel Online zum Thema Grenzkontrollen zu Österreich auf Facebook. Dabei schrieb sie frei nach Wilhelm Busch einem anderen Kommentator, sie könne sich mit ihm nicht argumentativ messen, da dieser unbewaffnet sei.
Facebook löschte den Kommentar mit der Begründung, er verstieße gegen die Gemeinschaftsstandards.

Die Politikerin beantragte daher, in der ersten Instanz erfolglos, eine einstweilige Verfügung. Die Facebook dazu zwingt, den Kommentar wieder sichtbar zu machen.
An diesem Kontext ist bereits erkennbar, dass es hier nicht um eine substanzielle Auseinandersetzung ging. Sondern lediglich darum, Recht zu haben.

Das Oberlandesgericht gab Ihr in zweiter Instanz Recht.
Jedoch nicht, wie die Medien interpretierten und Rechtspopulisten instrumentalisierten, weil Facebook die Meinungsfreiheit zu gewährleisten hat. Sondern weil es in seinen damaligen AGB sich selber widersprochen hatte.
Denn in diesen AGB stand damals:

5. Schutz der Rechte anderer Personen

Wir respektieren die Rechte anderer und erwarten von dir, dass du dies ebenfalls tust.

  1. Du wirst keine Inhalte auf Facebook posten oder Handlungen auf Facebook durchfuhren, welche die Rechte einer anderen Person verletzen oder auf sonstige Art gegen das Gesetz verstoßen.
  2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf Facebook postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen.

Der benannte Kommentar hatte aber weder die Rechte einer anderen Person verletzt noch sonst gegen das Gesetz verstoßen. Er hatte nicht gegen die Richtlinien verstoßen. Deshalb war der AfD-Politikerin nach Meinung des OLG Recht zu geben.
Was hat Facebook also gemacht? Richtig, es hat einfach seine AGB geändert. (Das dürfen Sie, auch das ist Teil des Vertrags, dem jeder Nutzer zugestimmt hat.)

Im Grunde bedeutet das, dass jeder Kommentar, jeder Beitrag und jedes Bild, das von Facebook gelöscht wird, vor Gericht ausdiskutiert werden könnte. Mit dem Ergebnis, dass Facebook im Fall einer Niederlage dann einfach die Regeln ändert.
Es gibt zwar unter Juristen den Begriff der „mittelbaren Wirkung der Grundrechte“. Doch um das detailliert auszudiskutieren sollte man Jura studiert haben, am besten mit den entsprechenden Schwerpunkten.

Die einzigen, die Social Media gefährlich werden können

Es ist wichtig zu verstehen, dass Facebook im Grunde auf seiner Plattform machen kann, was Facebook will.
Natürlich muss sich jede Social Media Plattform an viele andere Gesetze und Regulierungen halten. Aber es ändert nichts daran.

Einige Kommentatoren meinten auch, es seien Gelder geflossen, um Facebook zu „bestechen“. Diesen Kommentatoren fehlen augenscheinlich die Relationen.
Da es weltweite Umsätze sind, ist es immer schwer solche Größenordnungen zu beziffern. Aber um mal eine ungefähre Vorstellung zu geben: Facebook macht im Jahr mehr Umsatz, als das deutsche Verkehrsministerium und das Verteidigungsministerium gemeinsam zur Verfügung haben.
Facebook ist Größer als die meisten Pharma- und Tabakkonzerne. Von Google, dem YouTube gehört, ganz zu schweigen.

Die einzige, die Riesen wie Google und Facebook gefährlich werden könnten, ist die Politik. Und deshalb orientieren diese Unternehmen sich an der Politik und somit an der Stimmung im Land.
Da es amerikanische Unternehmen sind, orientieren sie sich vor allem an der Stimmung in den USA.

Und das ist die eigentliche Gefahr. Die leider von sehr vielen E-Zigaretten Konsumenten nicht erkannt wird.
Wird eine Panik, wie in den USA, bezüglich der E-Zigarette in der Öffentlichkeit etabliert, hat das ganz konkrete Auswirkungen auf die Szene in Europa. Denn die Kommunikation wird dadurch beeinflusst.
In einer globalisierten, immer kleiner werdenden Welt hängt alles mit allem zusammen.
Die derzeitigen Regulierungen der E-Zigarette auf YouTube, Facebook und Instagram sind unmittelbare Auswirkungen der Panikwelle in den USA. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wenn einem das Bier in einer Kneipe nicht schmeckt, hat man lediglich die Wahl, in eine andere Kneipe zu gehen. Denn solange der Wirt damit Geld verdient, wird er kein anderes Bier anbieten.
Die Dampfer täten gut daran einzusehen, dass sie eine Minderheit sind. Sie sind nicht in der Lage, Facebook, YouTube und Instagram dazu zu bewegen, ihre Politik zu ändern.
Die Dampfer, sowohl die Konsumenten wie auch die Branche, muss sich weitestgehend unabhängig von anderen Plattformen machen.

Das Ziel muss sein, die Wahrnehmung der E-Zigarette in der breiten Öffentlichkeit zu ändern. Erst dann kann es überhaupt dazu kommen, dass die Social Media Plattformen die E-Zigarette nicht mehr unter Tabakprodukten abhakten und regulieren.


Ausführliche Erklärung auf netzpolitik.org: https://netzpolitik.org/2018/meinungsfreiheit-warum-facebook-zu-recht-nicht-an-grundrechte-gebunden-ist/
Big T und Little V: https://www.vapers.guru/2019/08/01/big-tobacco-hat-den-e-zigaretten-markt-laengst-uebernommen/
Die neuen Facebook Regeln: https://www.vapers.guru/2019/07/26/kurz-erklaert-neue-facebook-und-instagram-regeln/

E-Zigaretten Verbot in San Francisco: Nur eine Schlacht in einem Krieg

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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